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# taz.de -- Olympische Sommerspiele 2024: Fünf Sterne oder fünf Ringe?
> Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi sprach sich im Wahlkampf gegen die
> Bewerbung für Olympia 2024 aus. Diese Woche will sie sich neu
> entscheiden.
Bild: Siegerehrung bei Olympia 1960 in Rom. Für die Spiele zahle die Stadt imm…
Recht forsch ging Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi an den Start, als
er im Dezember 2014 die Kandidatur Roms für die Sommerspiele 2024 vortrug:
Die sei bitte „nicht im Geist de Coubertins“ zu verstehen, Rom sei im
Rennen „nicht um dabei zu sein, sondern um zu gewinnen“. Doch jetzt stößt
Renzi auf eine Widersacherin. Roms im Juni gewählte Bürgermeisterin
Virginia Raggi will gar nicht dabei sein. Wenn es nach ihr geht, verzichtet
Italiens Kapitale einfach darauf, sich um die Ausrichtung der Spiele zu
bewerben.
Eben dies hatte die junge Frau aus den Reihen der von dem Komiker Beppe
Grillo gegründeten Protestliste Movimento 5 Stelle (M5S) schließlich ihren
Wählern versprochen. „Ein Verbrechen“ sei Olympia in Rom, hatte sie wieder
und wieder bei ihren Wahlkampfauftritten verkündet. Am Ende gewann sie im
zweiten Wahlgang mit überzeugenden 67%. Für ihren Sieg waren zwar wohl
andere Fragen ausschlaggebend, die Korruptionsskandale der vorherigen
Stadtregierungen, der desaströse Zustand von Müllabfuhr und öffentlichem
Nahverkehr, doch zugleich war ihre sportpolitische Ansage überdeutlich:
Wenn die Römer sich für die Fünf Sterne entscheiden, dann wäre es aus mit
dem Traum von den fünf olympischen Ringen.
Schließlich, so Raggis erstes Argument, zahle Rom immer noch einen Teil der
Kosten für die Olympischen Spiele 1960 ab. Die Kassen der Hauptstadt sind
leer, der Schuldenberg summiert sich auf 13 Milliarden Euro, olympische
Wagnisse könne die Stadt sich erst dann leisten, wenn ihr Haushalt saniert,
wenn die Dienstleistungen für die Bürger wieder auf ein halbwegs
akzeptables Niveau gebracht worden seien.
Die Spiele-Befürworter, angefangen bei Renzi und beim Chef des
Italienischen Olympischen Komitees, Giovanni Malagò, kontern, es seien doch
just die Sommerspiele 2024, die es Rom erlauben könnten, eine großen Sprung
raus aus der Misere zu tun. Etwa 10 Milliarden Euro würden an Kosten
anfallen, doch der Ertrag sei phänomenal. Angeblich werde das BIP um 0,4%
steigen, nicht wenig in einem Land, das dieses Jahr ein Wachstum von gerade
einmal 0,7% erwartet. Und die Italiener dürften sich außerdem über 177.000
neue Arbeitsplätze freuen, während Rom mit neuen Infrastrukturen, mit
zusätzlichen U-Bahn-Abschnitten und den Wohnungen des Olympischen Dorfs
gesegnet werde.
Eben das wollen viele Bürger nicht so recht glauben. Allzu gut ist noch die
Fußball-WM von 1990 in Erinnerung. Rom bekam damals zum Beispiel den neuen
großen Bahnhofsterminal Ostiense spendiert; das Millionen-Bauwerk wurde
wenige Wochen nach der WM wieder zugesperrt und stand dann jahrelang leer,
bis schließlich die Gourmet-Kette „Eataly“ dort einzog. Und auch die
Schwimm-WM von 2009 wurde zum städtebaulichen ebenso wie zum finanziellen
Fiasko, das nur die Bauunternehmer froh machte. Die Perle der WM sollte das
neue Schwimmstadion sein, entworfen vom Stararchitekten Calatrava. Etwa 300
Millionen Euro wurden verbaut, doch zum Start der Wettkämpfe war das
Stadion nicht fertig – die Kassen aber leer. Seit 2009 verrottet der
Rohbau, wenigstens weitere 300 Millionen wären nötig, um ihn zu vollenden.
Dennoch lassen sich die Spiele-Befürworter in ihrem Enthusiasmus nicht
bremsen; angefangen bei der Hauptstadtzeitung Il Messaggero – ihr Verleger
ist im Hauptberuf einer der größten Bauunternehmer Italiens – machen auch
die medialen Mitstreiter mächtig Druck auf Bürgermeisterin Raggi. Und in
den vergangenen Wochen schien es fast so, als könne sie einknicken.
Schließlich würden die Milliardeninvestitionen ihr, die auf leeren Kassen
sitzt, wenigstens ein bisschen Spielräume für Infrastrukturmaßnahmen
öffnen.
Doch dann schaltete sich vor einigen Tagen M5S-Chef Beppe Grillo ein, mit
einem Machtwort auf seinem Blog: „Olympische Spiele in Rom? Nein danke!“
Virginia Raggi steht jetzt vor der Wahl zwischen den Fünf Sternen und den
fünf Ringen. Wenn sie doch noch Ja zu Olympia sagen sollte, wäre sie wohl
raus aus der Fünf-Sterne-Bewegung. Im Laufe dieser Woche will sie ihre
Entscheidung bekannt geben.
19 Sep 2016
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Italien
Matteo Renzi
Rom
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