# taz.de -- Kommentar Mordfall Susanna: Kein Rechtsstaat ohne Recht | |
> „Mit der ganzen Härte des Rechtsstaats“ wollen Politiker den mutmaßlich… | |
> Mörder bestrafen. Aber auch der hat das Recht auf ein ordentliches | |
> Verfahren. | |
Bild: Der Rechtsstaat ist nicht nur für das Strafen verantwortlich, sondern au… | |
Der Rechtsstaat liegt im Trend, quer durch die politischen Lager. In ihrer | |
[1][„Erklärung 2018“] forderten rechte Publizisten schon im März, die | |
„rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen“ wiederherzustellen. Anfang Juni | |
erklärte Bayerns CSU-Ministerpräsident, mit häufigeren Abschiebungen zeigen | |
zu wollen, „dass der Rechtsstaat noch funktioniert“. Und nach dem | |
[2][Mordfall Susanna] fordern Politiker bis hin zu Grünen-Chefin Annalena | |
Baerbock, den Täter „mit der ganzen Härte des Rechtsstaats“ zu bestrafen. | |
Drei Äußerungen aus denkbar unterschiedlichen Zusammenhängen und mit | |
denkbar unterschiedlichen Motiven, die doch eins gemeinsam haben: Den | |
Begriff des Rechtsstaats deuten sie alle um. In Bezug auf Migration und | |
Zuwanderer erscheint der Rechtsstaat nur noch als repressive Institution, | |
die Fremde abweist und Täter so streng wie möglich bestraft. | |
Natürlich ist es eine Kernaufgabe des Staates, Sicherheit zu schaffen. | |
Gewaltanwendung ist sein legitimes Mittel. Den Rechtsstaat unterscheidet | |
von allen anderen Staatsauffassungen aber die Selbstverpflichtung, sich | |
dabei zu beschränken: Er schützt Rechte und Freiheit des Einzelnen, indem | |
er eben nicht willkürlich durchgreift, sondern gewissen Regeln unterliegt. | |
Der Einzelne darf sich vor Gericht gegen staatliche Maßnahmen wehren, auch | |
gegen negative Asylbescheide – selbst wenn CSU-Mann Alexander Dobrindt das | |
als „Sabotage des Rechtsstaats“ verunglimpft. Der Staat muss verschiedene | |
Faktoren abwägen, bevor er einen Tatverdächtigten einsperrt – und darf | |
verdächtigte Asylbewerber nicht pauschal in Untersuchungshaft nehmen. Und | |
gegen geständige Mörder muss er ein ordentliches Verfahren führen, an | |
dessen Ende die Höchststrafe stehen kann, aber nicht muss – weil die „ganze | |
Härte“ im Rechtsstaat eben kein Automatismus ist. | |
Diese Regeln sind anstrengend und können wehtun, wenn sie zu fatalen | |
Fehlentscheidungen führen. Streichen wir sie, bleibt vom Rechtsstaat aber | |
nicht mehr viel übrig. Die Konsequenzen wären nicht minder schmerzhaft. | |
Lesen Sie zu diesem Thema auch die Kolumne [3][„Der Einzelfall Ali B.“] von | |
Fatma Aydemir. | |
11 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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