# taz.de -- Kommentar Landtagswahl Sachsen-Anhalt: Cool bleiben | |
> Die AfD zieht mit 24 Sitzen in das Landesparlament ein. Die | |
> Regierungsbildung wird nun eine Bastelaufgabe besonderer Art. | |
Bild: Beklatschen sich selbst für den Erfolg in Sachsen-Anhalt: Landeschef And… | |
Die AfD hat in Sachsen-Anhalt 300 Mitglieder. Sie existiert vor allem auf | |
dem Papier. Nun wird fast jeder zehnte AfDler im Landtag in Magdeburg | |
sitzen. Da kann man vorab schon mal viel Vergnügen wünschen. | |
Die Rechtspopulisten sind zwischen Bitterfeld und Magdeburg eher eine | |
Luftbuchung, die durch rhetorische Ausfälligkeiten aufgefallen ist, wenn | |
überhaupt. Doch aus dem Stand haben nahezu so viele Menschen die | |
Rechtsalternativen gewählt wie Linkspartei und SPD zusammen. Es erscheint | |
als geradezu kurioses Missverständnis, dass fast die Hälfte der AfD-Wähler | |
sich von den Rechten mehr soziale Gerechtigkeit erhofft – von einer Partei, | |
die Hartz IV und den Spitzensteuersatz senken und den Mindestlohn gleich | |
ganz abschaffen will. | |
Doch vielleicht ist auch das ein Grund für den Erfolg der AfD, die bei | |
Arbeitern, Arbeitslosen und weniger Gebildeten stärkste Partei geworden | |
ist. Sie mobilisiert Ressentiments nicht nur gegen das Fremde, sondern auch | |
gegen Verlierer. Das passt offenbar zur Mentalität jener Frustrierten, die | |
mit Verachtung nach unten schauen, selbst wenn dort nicht mehr viel ist. | |
Die Linkspartei hatte, ähnlich wie SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, gemerkt, | |
welch brisante Mixtur sich da aus Hass auf die politische Klasse, | |
Abstiegsangst und Fremdenfurcht zusammenbraut. Gabriel ist dafür zu Unrecht | |
viel gescholten worden. Die Linkspartei skizzierte ein Programm (5 mal 5 | |
Milliarden), das Investitionen in Kitas und Schulen mit Geld für | |
Flüchtlinge kombiniert, um die Luft aus dem Kessel zu lassen. | |
## Votum gegen repräsentative Politik | |
Doch der Block der Frustration ist hermetisch abgedichtet gegen solche | |
komplizierten Pläne. Die Wähler – und es sind überwiegend Männer – haben | |
nicht AfD angekreuzt, weil sie sich dadurch Besseres erhoffen. Dass fast | |
jeder vierte für die AfD votiert hat, zeigt den rohen Wunsch, es „denen“ �… | |
von CDU bis Linkspartei – zu zeigen. Dies ist zum Teil ein Votum gegen die | |
repräsentative Politik an sich: Gegen Verhandlungen und Kompromisse, gegen | |
die ganze verwirrende Komplexität postnationaler Politik, die eher in | |
Brüssel und Berlin als in Magdeburg beschlossen wird. | |
Diese antipolitische, von Ressentiments getränkte Stimmung ist | |
unerfreulich, ja widerwärtig. Sie hat allerdings einen verschatteten, | |
rationalen Kern. Migrationsbewegungen sind immer mit Verteilungskämpfen | |
verbunden – und zu spüren bekommen dies Unterschicht und untere | |
Mittelschicht. SPD und Linkspartei haben wohl zu zaghaft versucht, das in | |
sozialen Forderungen und demokratischem Diskurs aufzufangen. Dass vor allem | |
diese beiden Parteien Verlierer dieser Wahl sind, hat etwas | |
Niederschmetterndes. Kaum zu glauben, dass noch vor ein paar Wochen, bevor | |
sich diese Ressentimentwelle brach, Rot-Rot-Grün in Magdeburg im Bereich | |
des Möglichen war. | |
Gab es Alternativen zur AfD? Linkspopulismus mit fremdenfeindlichen | |
Obertönen mag auf den ersten Blick verlockend scheinen. Aber das würde | |
nicht nur die demokratische Kultur schädigen. Es ist auch der Versuch, | |
einen Tiger zu reiten, den der Dompteur nicht immer überlebt. Man muss sich | |
wohl eingestehen, dass gegen diese Stimmung derzeit kein Kraut gewachsen | |
ist – jedenfalls nicht zu einem bezahlbaren Preis. | |
## Eine Mogelpackung | |
Die Regierungsbildung wird nun eine Bastelaufgabe besonderer Art. Die | |
gebeutelte SPD wird vermutlich aus Staatsräson mit den Grünen und der CDU | |
koalieren – wohl wissend, dass sie damit als ewiger Juniorpartner ihren | |
Niedergang eher beschleunigt als aufhält. | |
In Sachen AfD wird viel wird davon abhängen, ob man in Sachsen-Anhalt den | |
richtigen Ton anschlägt. Je mehr man die Rechtspopulisten mit | |
Antifa-Reflexen bearbeitet und unter generellen Naziverdacht stellt, desto | |
mehr fühlen sie sich in bizarrer Selbstüberhöhung als Robin Hood, als | |
Stimme der von der GEZ, Angela Merkel oder sonst wem unterdrückten | |
Volksmassen. | |
Die AfD ist eine Mogelpackung aus Wohlanständigkeit und Hetze. Sie ist eine | |
Allianz von Rechtsextremen und enttäuschten Konservativen. Besser als per | |
Außendruck zusammenzupressen, was nicht unbedingt zusammengehört, ist es, | |
diesen inneren Widerspruch freizulegen – zwischen Biedermann-Pose und | |
rhetorischer Brandstiftung. Es war ein schlimmer Sieg für die AfD. Umso | |
wichtiger ist es, cool zu bleiben. | |
14 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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