# taz.de -- Kommentar Gipfeltreffen in Korea: Die Kälte atomarer Realpolitik | |
> Das Ende des Kalten Krieges in Korea ist ein hehres Ziel. Aber wenn | |
> nukleare Aufrüstung zum Erfolg führt, ist das ein fatales Signal in | |
> Richtung Iran. | |
Bild: Historisches Treffen: Moon Jae-in (l.) und Kim Jong Un | |
Der innerkoreanische [1][Gipfel am Grenzort Panmunjom] hat viele starke | |
Bilder geliefert, die die Herzen nicht nur vieler Koreaner bewegt haben | |
dürften. Die Führer von Nord- und Südkorea im ernsthaften Zwiegespräch auf | |
einer Parkbank, fast wie Vater und Sohn – dieses Bild wird man so nicht | |
schnell vergessen. Auch den hohen politischen Erwartungen ist die Begegnung | |
zwischen Moon Jae In und Kim Jong Un am Freitag gerecht geworden: Die | |
beiden Staaten haben regelmäßige Gespräche über militärische Entspannung | |
vereinbart. Vor allem hat Kim wie erhofft die Ziele einer vollständigen | |
Denuklearisierung und einer schrittweisen Abrüstung bestätigt. | |
Ganz überraschend kommt das allerdings nicht: Denn Kim hat die | |
Verhandlungen mit Südkorea in der Absicht geführt, ein Gespräch mit den USA | |
zu erreichen. Die Belohnung für den guten Ausgang dieses Korea-Gipfels ist | |
das demnächst geplante Treffen mit US-Präsident Donald Trump. Die wahre | |
Nagelprobe für die Kompromissbereitschaft des jungen Führers kommt daher | |
erst später. | |
Aber man sollte diese historische Chance auf ein Ende des Kalten Krieges in | |
Korea auch nicht kleinreden. Jeder Schritt aufeinander zu ist ein Schritt | |
weg vom Abgrund des Krieges. Am 38. Breitengrad stehen sich zwei bis an die | |
Zähne bewaffnete Bruderstaaten gegenüber. Ein neuer Konflikt würde | |
Millionen von Menschen töten. | |
Nach 65 Jahren Eiszeit könnte für die beiden Koreas nun eine Zeit | |
anbrechen, wie sie das geteilte Europa in den 1970ern erlebt hat. Damals | |
wurde durch die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit das Misstrauen | |
zwischen Ost und West abgebaut. In Korea ist der Graben noch viel tiefer: | |
Es gibt keine regelmäßigen staatlichen Kontakte, keine privaten Besuche und | |
Telefonate, nicht einmal Briefverkehr. Eine Normalisierung brächte enorme | |
Fortschritte. | |
Das Kernproblem ist allerdings, dass Nordkorea mit Denuklearisierung etwas | |
anderes meint als seine Nachbarn und die USA. Präsident Trump stellt sich | |
einen Tausch der Atomwaffen gegen einen Friedensvertrag vor. Aber die | |
Beispiele Irak und Libyen haben Nordkorea gezeigt, dass eine | |
Sicherheitsgarantie der USA nicht viel wert ist. Atomraketen sieht das | |
Kim-Regime als beste Lebensversicherung und zusätzliches | |
Erpressungspotenzial. | |
Nüchtern betrachtet hat Nordkoreas Nuklearrüstung die jetzige | |
Gipfeldiplomatie überhaupt erst ermöglicht: Die USA lassen sich nur auf | |
Gespräche ein, weil man sich durch die Atomraketen bedroht fühlt wie nie | |
zuvor. Kim wird seine Bomben lieben – sie haben ihm verschlossene Türen | |
geöffnet und aus einem Paria einen gefragten Gesprächspartner gemacht. Dank | |
dieser Waffen kann Kim auch seine Gegner gegeneinander ausspielen. Den USA | |
könnte er zum Beispiel anbieten, seine Langstreckenraketen zu verschrotten, | |
falls er ein paar Atomwaffen behalten darf. Das wäre für die USA attraktiv, | |
aber für deren Partner Südkorea und Japan unerträglich. Ohne seine | |
Atomraketen wäre Kim auf der Weltbühne nur ein Statist. | |
Die Kälte dieser nuklearen Realpolitik ist das eigentlich Bedrückende an | |
der Entwicklung in Korea. Nur wer die Bombe besitzt, ist unangreifbar und | |
gewinnt an Ansehen und Macht – das ist die Lehre, die jeder skrupellose | |
Staatschef aus dem Beispiel Nordkorea ziehen wird. Der Iran wird Donald | |
Trump dankbar sein, falls die USA aus dem Atom-Deal aussteigen. Sollte das | |
Mullah-Regime sich Atomraketen verschaffen können, käme es aus seiner Sicht | |
endlich auf Augenhöhe zu Israel. | |
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kim für seine Atomrüstung nicht | |
belohnt werden darf. Der junge Diktator wähnt sich in einer Position der | |
Stärke und fühlt sich der Supermacht USA ebenbürtig. Ihm diese Illusion zu | |
nehmen, ist die eigentliche Herausforderung für die nächsten Gipfeltreffen. | |
Der sprunghafte Trump wird dies nicht schaffen, aber Südkoreas Präsident | |
Moon könnte die nötige Geduld und Überzeugungskraft dafür aufbringen. | |
27 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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