# taz.de -- Debatte Nordkorea: Der koreanische Mauerfall | |
> Meint es Kim Jong Un ernst mit dem Ausstieg aus dem Atomwaffenprogramm? | |
> Einiges spricht dafür. Trump dürfte sich dafür feiern lassen. | |
Bild: Das Ende der Propaganda? Ein Arbeiter baut in Paju, Südkorea, eine Lauts… | |
Noch im September des vergangenen Jahres bedrohten sich Nordkoreas Führer | |
Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump gegenseitig mit atomarer | |
Vernichtung. Und jetzt scheint all das vergessen und [1][der Friede | |
angebrochen zu sein], nicht nur zwischen den seit 65 Jahren bitter | |
verfeindeten beiden Koreas, sondern auch zwischen Washington und Pjöngjang. | |
Ein Wunder? | |
In der Politik gibt es keine Wunder. Auch der für die meisten Menschen | |
völlig überraschende Fall der Berliner Mauer im November 1989 war erklärbar | |
durch eine Reihe politischer, ökonomischer und ideologischer Faktoren. | |
Dasselbe gilt für die nach allen Anzeichen der letzten Wochen erfreuliche | |
Wende im Koreakonflikt. | |
Oder gibt es gar keine Wende? Skeptiker haben voller Misstrauen sofort | |
darauf verwiesen, dass der nordkoreanische Führer schon zweimal in der | |
Vergangenheit öffentliche Ankündigungen zur Einstellung des | |
nordkoreanischen Atomwaffenprogramms nicht umgesetzt hat. Zudem sei das | |
atomare Testgelände, [2][dessen Schließung Kim Jong Un diesmal versprochen | |
hat], ohnehin nicht mehr nutzbar. | |
Drei Umstände sprechen dafür, dass die Erklärungen aus Pjöngjang ernst | |
gemeint sein könnten. Der wichtigste Umstand ist der zunehmende Druck | |
Chinas auf Pjöngjang. In den vergangenen zwei Jahren hat Peking zum ersten | |
Mal die Sanktionsbeschlüsse des UN-Sicherheitsrats gegen Nordkorea nicht | |
nur wie in der Vergangenheit lediglich durch Enthaltung passieren lassen, | |
sondern mehrfach mit Ja gestimmt und die Sanktionen gegen das Nachbarland | |
auch umgesetzt. | |
## Bilaterale Kontakte zwischen USA und Nordkorea | |
Zum Zweiten ist das Bestreben der südkoreanischen Regierung nach | |
dauerhafter Entspannung und verbesserten Beziehungen mit dem nördlichen | |
Nachbarn noch stärker ausgeprägt als zu Zeiten der „Sonnenscheinpolitik“, | |
die der ehemalige Präsident Kim Dae Jung in den 90er-Jahren gegenüber | |
Nordkorea begonnen hatte. | |
Der dritte Grund liegt im Verhalten der Regierung von Donald Trump. Hinter | |
der Fassade seiner feindlichen Rhetorik und Kriegsdrohungen hatte der | |
US-Präsident seinen inzwischen zum Außenminister aufgestiegenen CIA-Chef | |
Mike Pompeo bereits Anfang des Jahres zu geheimen Sondierungen nach | |
Pjöngjang geschickt und danach ein Treffen mit Kim Jong Un angekündigt, das | |
nun spätestens Anfang Juni stattfinden soll. | |
Damit ist Trump dem elementaren Bedürfnis der Führung in Nordkorea nach | |
direkten bilateralen Kontakten mit den USA und der damit verbundenen | |
Anerkennung nachgekommen. Ein Bedürfnis, das zuletzt US-Präsident Bill | |
Clinton im Jahr 1993 erfüllte. | |
Damals schockte Nordkorea die Hauptstädte der westlichen Welt und Japans | |
mit seinem ersten atomaren Testversuch. Statt mit Sanktionen und | |
Kriegsdrohungen zu reagieren, schickte Clinton seine Diplomaten nach | |
Pjöngjang und ließ ein Abkommen aushandeln, das im Oktober 1994 in Genf | |
unterzeichnet wurde. Das Abkommen enthielt neben Zusagen für die Lieferung | |
von Nahrungsmitteln, verbilligtem Öl sowie von lediglich für nicht | |
militärische Zweck der Energieerzeugung nutzbaren Leichtwasserreaktoren | |
eine Nichtangriffsgarantie der USA für Nordkorea. Danach gab es acht Jahre | |
lang keine Probleme. | |
## Trump wird Zugeständnisse machen müssen | |
Erst nachdem Clintons Nachfolger George W. Bush im Januar 2002 diese | |
Nichtangriffsgarantie aufkündigte, indem er Nordkorea gemeinsam mit Iran | |
und Irak als „Schurkenstaaten“ und „Achse der Bösen“ brandmarkte und m… | |
militärischen Präventivschlägen bedrohte, erklärte Pjöngjang den Austritt | |
aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung atomarer Waffen (NPT) und begann | |
2003 wieder mit Nukleartests. Die Obama-Administration setzte Bushs | |
Sanktions- und Isolationspolitik gegenüber Nordkorea fort und verweigerte | |
bilaterale Kontakte. | |
Sollte Pjöngjang die Forschung, Entwicklung und Tests von Atomwaffen | |
tatsächlich verlässlich und überprüfbar einstellen, bleibt allerdings die | |
Frage, was mit bereits einsatzfähigen Atomsprengköpfen des Landes passiert. | |
Ohne Zusagen Kim Jong Uns für deren Verschrottung dürfte Pompeo nach seinen | |
geheimen Sondierungen in Pjöngjang Trump kaum zu dem geplanten Treffen mit | |
dem nordkoreanischen Führer geraten haben. Das ist zumindest sehr schwer | |
vorstellbar. Möglicherweise wird das öffentliche Hauptergebnis dieses | |
Treffens die Zusage Kim Jong Uns zur Verschrottung bereits existierender | |
Atomwaffen sein, den Trump dann als seinen großen Erfolg feiern wird. | |
Dieses Ergebnis wird es allerdings kaum geben, ohne dass Trump im Gegenzug | |
zumindest nichtöffentlich auch einige Zusagen macht. Der US-Präsident | |
könnte die Nichtangriffsgarantie seines Vorgängers Clinton bekräftigen oder | |
die Einstellung oder zumindest Reduzierung der gemeinsamen Militärmanöver | |
der USA mit Südkorea versprechen. Denkbar wäre auch die Zusage, dass mit | |
Atomwaffen bestückte Kriegsschiffe der USA künftig nicht mehr in | |
südkoreanischen Häfen einlaufen. | |
## Frieden mit Nordkorea, Krieg gegen Iran? | |
Verlässliche Sicherheit auf Dauer wird es mit Blick auf nordkoreanische | |
Atomwaffen(programme) allerdings erst geben, wenn Nordkorea seinen Austritt | |
aus dem Atomwaffensperrvertrag wieder rückgängig macht und ähnlich | |
weitgehende Einschränkungen und internationale Kontrollen für sein ziviles | |
Nuklearprogramm akzeptiert, wie der Iran das in dem 2015 vereinbarten | |
Abkommen mit den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrats und Deutschland | |
getan hat. | |
Und hier liegt der böse Treppenwitz der Geschichte. Während Trump derzeit | |
alles dafür unternimmt, das Iranabkommen zu zerstören, könnte er sich | |
möglicherweise schon bald für die Durchsetzung ähnlicher Vereinbarungen mit | |
Nordkorea feiern lassen. Und just dieser Entspannungserfolg im Konflikt mit | |
Nordkorea könnte es dem US-Präsidenten innenpolitisch ermöglichen, | |
[3][militärisch gegen Iran vorzugehen]. | |
5 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5499278 | |
[2] /!5502122 | |
[3] /!5499302 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
## TAGS | |
Nordkorea | |
Südkorea | |
Atomwaffen | |
Donald Trump | |
USA | |
USA | |
Nordkorea | |
Donald Trump | |
USA | |
Nordkorea | |
Entspannung | |
Kim Jong Un | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Antrittsbesuch in den USA: Maas verteidigt Iran-Abkommen | |
Europa will den USA in der Iran-Frage die Stirn bieten. Außenminister Heiko | |
Maas hat das seinem US-Kollegen Mike Pompeo klargemacht. | |
Verhandlungen mit Nordkorea: Kim-Trump-Gipfel in Gefahr | |
Nachdem Nordkorea ein Treffen mit Südkorea abgesagt hat, stellt das Land | |
auch den Gipfel mit den USA in Frage. Es fühlt sich „in die Ecke gedrängt�… | |
Atomtestgelände in Nordkorea: Sprengung bis zum 25. Mai geplant | |
Nordkorea will noch vor dem Gipfeltreffen von Kim Jong Un und Trump das | |
Gelände schließen. Ob die Ankündigung mehr als nur eine Geste ist, bleibt | |
fraglich. | |
Kommentar Asiatische Diplomatie: Trump schweißt zusammen | |
Japan, China und Südkorea sind sich nicht grün. Trotzdem rücken sie jetzt | |
diplomatisch zusammen. Dafür gibt es zwei Gründe: Kim und Trump. | |
USA und Nordkoreas Atomprogramm: Annäherung statt Eskalation | |
Nach dem Ausstieg aus dem Atomdeal mit Iran trifft sich US-Außenminister | |
Pompeo mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Mit erstem Erfolg. | |
Gespräche zwischen Nord- und Südkorea: Nordkorea schließt Atomtestgelände | |
Vor einem möglichen Gipfeltreffen mit US-Präsident Trump gibt sich | |
Nordkorea versöhnlich. Kim Jong Un kündigte einen Abbau des | |
Atomwaffenprogramms an. | |
Kommentar Gipfeltreffen in Korea: Die Kälte atomarer Realpolitik | |
Das Ende des Kalten Krieges in Korea ist ein hehres Ziel. Aber wenn | |
nukleare Aufrüstung zum Erfolg führt, ist das ein fatales Signal in | |
Richtung Iran. | |
Gipfeltreffen Nord- und Südkorea: Ein Tag für die Geschichtsbücher | |
Beim Treffen der Länder kam weitaus mehr heraus als erwartet: Die | |
Atomwaffen sollen verschwinden, die Staaten endlich Frieden schließen. |