# taz.de -- Kolumne Macht: Wenn Wunder möglich wären | |
> Natürlich, Andrea Nahles wird gewählt werden. Aber was spräche denn für | |
> und was gegen Simone Lange als neue Chefin der SPD? | |
Bild: Weiß auch, wie man Beamte dirigiert: Simone Lange, Oberbürgermeistern v… | |
Wenn kein Wunder geschieht, dann wird nicht Simone Lange am Sonntag [1][auf | |
dem SPD-Parteitag] als erste Frau zur Vorsitzenden der Partei gewählt, | |
sondern Andrea Nahles. Wunder passieren äußerst selten, sonst wären es | |
keine, und der Sieg der Fraktionschefin im Bundestag über die | |
Oberbürgermeisterin von Flensburg gilt als sicher. Seit Wochen wird Andrea | |
Nahles als „designiert“ bezeichnet, also „für das Amt vorgesehen“ – … | |
ein US-Präsident nach der Wahl und vor der Vereidigung. | |
Vor einer Wahl hingegen ist eine solche Zuschreibung eigentlich eher | |
unüblich, außer vielleicht in Nordkorea. Aber das ist vermutlich kleinlich. | |
Der Ausgang der SPD-Wahl steht doch sowieso fest, oder? | |
Tatsächlich spricht vieles für Andrea Nahles. Sie kennt die Partei von | |
Grund auf, sie gilt als durchsetzungsfähig und fleißig. Außerdem trauen | |
viele derzeit nur ihr den Spagat zu, sowohl loyal zur Großen Koalition zu | |
stehen als auch die „Erneuerung“ der Partei voranzutreiben. | |
Was immer unter Erneuerung konkret zu verstehen ist – das Wort ist eine | |
Allzweckwaffe, fast so brauchbar und nichtssagend wie „Reform“. Weswegen es | |
von sozialdemokratischen Vorsitzenden immer wieder gerne benutzt wird, wenn | |
die Basis unzufrieden ist. Also seit vielen, vielen, vielen Jahren. | |
## Sturmerprobt und bewährt | |
Mit der Wahl von Andrea Nahles setzt die Partei auf Bewährtes. Sturmerprobt | |
in Partei-und Staatsämtern und als langjährige Parlamentarierin ist ihr | |
nichts Menschliches und Unmenschliches im Berliner Politikbetrieb fremd. | |
Keine Intrige, keine Eifersüchtelei, kein Verrat. Überraschen dürfte sie in | |
dieser Hinsicht wenig, lernen muss sie in der Hauptstadt auch nicht mehr | |
viel – nach dem gescheiterten Experiment mit Martin Schulz aus Brüssel darf | |
sich die SPD mit ihr wieder auf sicherem Boden fühlen. | |
Das Problem ist nur: Die vermeintliche Sicherheit bietet keinen Schutz mehr | |
vor dem Abgrund. Der Fels bröckelt, egal, wen die Partei darauf jeweils | |
stellt. Das hat die traditionsreichste deutsche Partei mit wechselnden | |
Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten jetzt mehrfach erfahren. Leidvoll. Dann | |
könnte die SPD ja eigentlich mal tollkühn sein. Also – man wagt es ja kaum | |
zu schreiben – : Simone Lange zur Vorsitzenden wählen. | |
Absurd, natürlich. aber nur mal zur Erinnerung. Eine CDU-Vorsitzende oder | |
gar Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte in der Union auch kaum jemand für | |
möglich gehalten, bevor es so weit war. Und, ja, natürlich: Wäre die CDU | |
nach dem Parteispendenskandal um die Jahrtausendwende herum nicht in einer | |
wahrlich verzweifelten Situation gewesen, dann wäre es dahin nie gekommen. | |
Und der SPD geht s derzeit doch viel besser? | |
Nein, Wahrlich nicht. Andere Gründe, andere Lage – aber auch schrecklich. | |
Wenn man mal so tut, als seien Wunder möglich, und so, als sei der Kampf um | |
den SPD-Vorsitz tatsächlich offen: Was spricht dann für, was gegen | |
[2][Simone Lange als neue Chefin der SPD]? | |
## Erfahren mit Basisarbeit | |
Für sie spricht: Auch sie hat viel Erfahrung mit Basisarbeit, sie ist eine | |
erwachsene Frau und sie weiß als Oberbürgermeisterin, wie eine Behörde zu | |
leiten ist. Außerdem kann sie als Außenseiterin nicht für Entscheidungen | |
der Vergangenheit in Mithaftung genommen werden, die ein großer Teil der | |
Basis für falsch hält. Von Hartz IV über Rüstungsexporte bis hin zu | |
Militäreinsätzen. Das ist ja nicht wenig. | |
Aber was gegen sie spricht, wiegt schwerer: Sie gehört „nicht dazu“. Als | |
rebellische Vorsitzende von außen könnte sie zum Stolperstein für eine | |
Große Koalition werden, alle paar Tage… Und sie hat keine Freunde in | |
Berlin. | |
Deshalb wird sie ja auch nicht gewählt werden, schon klar. Ob das ein | |
Fehler war, darüber wird zu reden sein, wenn Andrea Nahles – oder | |
Finanzminister Olaf Scholz – die nächsten Wahlen verloren haben. | |
21 Apr 2018 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Parteitag-in-Wiesbaden/!5497137 | |
[2] /SPD-Politikerin-Simone-Lange/!5498271 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
## TAGS | |
Andrea Nahles | |
SPD-Parteitag | |
Simone Lange | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Kommunalwahlen Schleswig-Holstein | |
Präsident Trump | |
SPD | |
Andrea Nahles | |
Ägypten | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Martin Schulz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Macht: Immer ein Stückchen weiter | |
Palmer, Dobrindt und Lindner sind Brandstifter. Sie machen Rassismus | |
salonfähig. Wir müssen uns darauf konzentrieren, nicht auf Sprachkritik. | |
Gemeinderäte und Kreistage im Norden: SPD in schwerer See | |
Bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein verlieren die Großen, die SPD | |
bekommt eine Klatsche in Flensburg und Jamaika nutzt nur den Grünen. | |
Kolumne Macht: Erfolgreich und unberechenbar | |
Donald Trump täuscht und lügt, jetzt auch in seiner Präsidentenmaschine, | |
der Air Force One. Ein Skandal? Nein, das Problem liegt woanders. | |
Neue SPD-Vorsitzende Andrea Nahles: Nichts Neues, aber schwungvoll | |
Beim SPD-Parteitag in Wiesbaden wird Andrea Nahles mit nur 66 Prozent | |
gewählt. Wie sie die SPD aus ihrem Tief führen will, bleibt offen. | |
Helga Lukoschat über die SPD-Vorsitzende: „Eventuell etwas zu männlich“ | |
Andrea Nahles kommt in Teilen der SPD gut an, weil sie sich „kerlig“ | |
verhält, sagt die Politologin Helga Lukoschat. Das sei ein klassisches | |
Paradox. | |
Kolumne Macht: „Wir sind vollständig besiegt worden“ | |
Unterstützung, Unsicherheit, Opposition – all das drückt sich in den 97 | |
Prozent für Al-Sisi aus. Seit 2013 regiert der vom Westen gestützte General | |
in Ägypten. | |
Kolumne Macht: Empört euch! Aber worüber genau? | |
Abgeordnete der AfD sind nach Syrien gereist. Darüber regen sich jetzt sehr | |
viele auf. Das ist ja auch richtig, aber die Begründungen sind so dürftig. | |
Kolumne Macht: Angst schlägt Anstand | |
Und Tschüss, Martin Schulz. Möchte man von einer Partei regiert werden, die | |
so mit ihrem einstigen Hoffnungsträger umspringt? Ich jedenfalls nicht. |