| # taz.de -- Kolumne Macht: Angst schlägt Anstand | |
| > Und Tschüss, Martin Schulz. Möchte man von einer Partei regiert werden, | |
| > die so mit ihrem einstigen Hoffnungsträger umspringt? Ich jedenfalls | |
| > nicht. | |
| Bild: Ein Abschied sollte von Menschlichkeit geprägt sein: Schulz umarmt Gabri… | |
| Mehr Lüge war nie – Karrierist – Vertrauensbruch – zeigt mal wieder, dass | |
| alle Politiker nur an Posten und Pöstchen interessiert sind: Der geplante | |
| Wechsel von Martin Schulz, SPD-Vorsitzender auf Abruf, ins Auswärtige Amt, | |
| sorgte für Wut, Enttäuschung, Häme. Verständlicherweise, hatte Schulz doch | |
| noch vor wenigen Monaten eindeutig erklärt, niemals in ein Kabinett Merkel | |
| eintreten zu wollen. | |
| Der Druck zeigte Wirkung. Nun hat Martin Schulz überraschend auf ein | |
| Ministeramt verzichtet. Und ist damit zur tragischen Figur geworden. Oder | |
| etwa nicht? | |
| Zu Tragik gehört immer auch Größe. Die hat Martin Schulz seit seinem | |
| fulminanten Aufstieg zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten – gerade | |
| mal ein Jahr ist das her – bisher nicht gezeigt. Allzu kleinteilig, allzu | |
| vage war der von ihm angeführte Wahlkampf, allzu viele Versprechen hat er | |
| gebrochen. | |
| Das war allerdings nicht allein seine Schuld. Viele Partei-Granden und | |
| etliche nicht ganz so große Granden haben vor allem eigene Interessen in | |
| ihren jeweiligen Ländern verfolgt und wenig Rücksicht auf den neuen | |
| Hoffnungsträger genommen. Der konnte sehen, wo er blieb. Und sollte dennoch | |
| gewinnen. | |
| ## Vom Hof gejagt | |
| Zumindest in dieser Hinsicht ist die SPD-Spitze sich offenbar treu | |
| geblieben. Wie einen räudigen Hund hat sie Schulz jetzt vom Hof gejagt. | |
| Angst schlägt Anstand. Zu groß war offenbar die Sorge, dass die | |
| Personaldiskussion das beherrschende Thema bei der Entscheidung der | |
| Parteibasis über den Koalitionsvertrag sein würde. | |
| Dennoch darf man so mit Menschen nicht umgehen. Ja, die Entscheidung, | |
| Martin Schulz als Außenminister zu benennen, war falsch. Sie wirkte wie der | |
| elegante Ausweg aus einer schwierigen Situation, aber sie wirkte eben nur | |
| so. Sie war schlaumeierisch, das klassische Ergebnis endlos langer | |
| Sitzungen in Hinterzimmern. | |
| Gab es wirklich niemanden, dem oder der in diesen Treffen eine Lösung | |
| eingefallen wäre, die Martin Schulz seine Würde gelassen hätte? Zum | |
| Beispiel: Ihn noch eine Zeitlang im Amt des Parteivorsitzenden zu halten | |
| und ihm dann einen Abschied zu seinen Bedingungen zu ermöglichen? Nein, | |
| offenbar gab es niemanden. | |
| ## Gabriel hat sich öffentlich zum Horst gemacht | |
| Von einer solchen Partei möchte ich nicht regiert werden. Ich habe die SPD | |
| oft gewählt, und ich bin in den letzten Wochen für die Bildung einer Großen | |
| Koalition eingetreten. Weil ich sogar eine langweilige, uninspirierte, aber | |
| immerhin professionelle Regierung für besser halte als gar keine. | |
| Aber wenn eine Partei selbst ihren einstigen Hoffnungsträger so kalt | |
| abserviert – wie wird sie dann erst Leute behandeln, die keine Lobby haben? | |
| Geflüchtete und Kinder aus armen Familien? Ja, genau. Wäre ich | |
| SPD-Mitglied: dann würde ich jetzt gegen den Koalitionsvertrag stimmen. | |
| Übrigens sollte auch Sigmar Gabriel nicht als Sieger vom Platz reiten und | |
| Außenminister sein dürfen. Er hat sich öffentlich zum Horst gemacht. Es ist | |
| ja verständlich, dass Gabriel enttäuscht war, sein Amt zu verlieren, aber | |
| über diese Gefühle hätte er mit seiner Ehefrau sprechen sollen. Nicht mit | |
| uns. | |
| Das Auswärtige Amt ist kein Erbhof. Der Minister zeigte, dass er das anders | |
| sieht – und verhielt sich damit parteischädigend. Der ehemalige | |
| SPD-Vorsitzende hat das Ansehen, das er sich in jahrelanger Arbeit mühsam | |
| erworben hat, mit wenigen Sätzen verspielt. | |
| Es geht nämlich in der Politik, anders als vielfach vermutet, tatsächlich | |
| nicht in erster Linie um Posten, sondern um Inhalte. Zumindest sollte das | |
| so sein. | |
| 10 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
| ## TAGS | |
| Sigmar Gabriel | |
| SPD | |
| Schwarz-rote Koalition | |
| Auswärtiges Amt | |
| Martin Schulz | |
| Andrea Nahles | |
| Ägypten | |
| Polizei | |
| SPD-Basis | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| SPD | |
| SPD | |
| Flüchtlingspolitik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Macht: Wenn Wunder möglich wären | |
| Natürlich, Andrea Nahles wird gewählt werden. Aber was spräche denn für und | |
| was gegen Simone Lange als neue Chefin der SPD? | |
| Kolumne Macht: „Wir sind vollständig besiegt worden“ | |
| Unterstützung, Unsicherheit, Opposition – all das drückt sich in den 97 | |
| Prozent für Al-Sisi aus. Seit 2013 regiert der vom Westen gestützte General | |
| in Ägypten. | |
| Kolumne Macht: Weg mit dem Staat, weg, weg, weg | |
| Die Deutsche Fußball Liga muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze | |
| beteiligen, wenn Fan-Krawalle drohen. Richtig so! Richtig so? | |
| Personaldebatte in der SPD: Noch nicht überstanden | |
| Am Dienstag könnte die SPD Fraktionschefin Andrea Nahles auch zur | |
| Parteichefin machen. Doch auch diese Personalie sorgt für Diskussion. | |
| Nach dem Amtsverzicht von Martin Schulz: SPD auf Schulz-Entzug | |
| Sigmar Gabriel tritt nach. Martin Schulz verzichtet auf den Posten als | |
| Außenminister. Andrea Nahles fühlt mit. Die SPD-Spitze zerlegt sich. | |
| Kommentar Koalitionsvertrag und Groko: Besser schlecht regieren als gar nicht | |
| Die Groko ist bei vielen unbeliebt. Aber Hauptsache wir haben bald eine | |
| Regierung. Es eilt, auch weil wir für 2018 dringend einen Haushalt | |
| brauchen. | |
| Kommentar Koalitionsdilemma der SPD: Den Lindner geben | |
| Eine Abstimmung über die Koalitionsverhandlungen ist riskant: Beim | |
| Scheitern müsste wohl der ganze Vorstand gehen. Also besser selbst | |
| abbrechen? | |
| Kolumne Macht: Tatsachen statt Gefühle | |
| Eine Regierung, die Entscheidungen an Meinungsumfragen ausrichtet, handelt | |
| nicht demokratisch, sondern verantwortungslos. |