| # taz.de -- Helga Lukoschat über die SPD-Vorsitzende: „Eventuell etwas zu m�… | |
| > Andrea Nahles kommt in Teilen der SPD gut an, weil sie sich „kerlig“ | |
| > verhält, sagt die Politologin Helga Lukoschat. Das sei ein klassisches | |
| > Paradox. | |
| Bild: Kultiviert robust: Andrea Nahles bei ihrer Rede vor dem SPD-Parteitag in … | |
| taz: Frau Lukoschat, Andrea Nahles ist mit nur 66 Prozent zur | |
| SPD-Vorsitzenden gewählt worden. Das ist noch weniger als Sigmar Gabriel, | |
| der im Jahr 2015 auf 74,3 Prozent kam. Ist das gut oder schlecht? | |
| Helga Lukoschat: Das ist nicht gut, es ist eine Hypothek für ihre Amtszeit. | |
| Hat das Ergebnis irgendetwas mit dem Faktor Frau zu tun? Oder nur mit der | |
| spezifischen Situation der SPD im Moment, die von ihrer bisherigen | |
| Führungsriege einfach sehr enttäuscht ist? | |
| Die ablehnenden Stimmen haben nur sehr bedingt etwas mit dem Faktor Frau zu | |
| tun. In erster Linie meutert da ein Teil der Partei gegen die alte | |
| Führungsriege, zu der Nahles nun einmal gehört. Aber auffällig ist schon, | |
| dass ihr der Parteivorsitz erst jetzt wirklich zugetraut wird. Es gibt | |
| viele Beispiele dafür, dass erst besondere und schwierige Konstellationen | |
| eintreten müssen, bis man Frauen an die Top-Positionen ranlässt. Entweder | |
| sind sie zu jung oder zu alt, noch nicht reif genug oder dann schon wieder | |
| „überreif“. Hillary Clinton ist so ein Beispiel. Das ist eine gute Methode | |
| um Frauen von der Macht fern zu halten. | |
| Hatte Nahles als Frau also erst jetzt die Chance auf den Chefposten? Die | |
| Partei hat das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren und liegt | |
| aktuell in Umfragen bei 17 Prozent. Ist sie eine klassische Trümmerfrau? | |
| Das ist ein bisschen einfach. Die Sozialdemokratie ist europaweit in einer | |
| Krise. Und Andrea Nahles ist keine Frau, die sich, wie einst die | |
| Trümmerfrauen, wieder wegschicken lässt, wenn die Zeiten wieder besser | |
| werden. Dass ein Haufen Männer scheitern muss, bis dann mal eine Frau es | |
| versuchen darf, ja, das ist ein bekanntes Muster. Aber wenn sie da sind, | |
| tendieren sie doch stark zum Bleiben, wie man an Frau Merkel sehen kann. | |
| SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat gesagt: Es ist zwar 155 Jahre zu | |
| spät, aber immerhin haben wir nun eine Frau an der Spitze. Warum hat es in | |
| der Partei August Bebels, der ja ein schon 1879 ein flammendes Plädoyer für | |
| Gleichberechtigung schrieb, so lange gedauert? | |
| Das historische Erbe der SPD ist glorreich, aber eben auch eine Last. Die | |
| SPD ist im zutiefst patriarchalen 19. Jahrhundert entstanden, als Frauen | |
| sich überhaupt nicht in der Öffentlichkeit bewegen konnten, geschweige denn | |
| im politischen Raum aktiv werden. Es herrschte noch das Politikverbot für | |
| Frauen, das darf man nicht vergessen. Diese Konzentration auf die männliche | |
| Arbeiterschaft beziehungsweise Arbeitnehmerschaft hat die SPD nie verloren. | |
| „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“. D… | |
| steht bereits seit 1989 im Grundsatzprogramm der SPD. | |
| So ein schöner Satz ändert natürlich noch nichts an der Kultur in einer | |
| Partei, in der Frauen eben oft nicht ernst genommen oder auf die | |
| „Gedöns“-Felder geschoben wurden. | |
| Und eine Quote hat die Partei auch. Zeigen die Beispiele Nahles und Merkel, | |
| dass Quoten Frauen schaden? | |
| Ich befürworte Quoten für die Parteien, sonst würden wir gar nicht voran | |
| kommen. Es geht ja auch um die Breite der Mandate und Ämter, sonst haben | |
| wir ein paar handverlesene Spitzenfrauen, aber noch lange keine Parität in | |
| den Parlamenten. Aber man darf sich eben nicht darauf ausruhen. Eine Quote | |
| allein verändert eine männlich geprägte Kultur noch nicht. | |
| Nun war die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen dank Quote ja | |
| zahlreich und auch relativ mächtig. Trotzdem hat sie es nicht geschafft, | |
| die Spitze oder wenigstens wichtige Ministerien zu besetzen. Wurde sie | |
| einfach gemobbt? Oder hat sie auch selbst Fehler gemacht? | |
| Relativ mächtig ist das richtige Stichwort. Die Zahlen allein sagen noch | |
| nicht aus, wie gut sich die AsF-Frauen tatsächlich vernetzen | |
| beziehungsweise Machtpolitik betreiben oder ob sie sich in ihrem Bereich | |
| mehr oder minder einrichten. Ich habe aber den Eindruck, dass sich das | |
| ändert. Immerhin: die Hälfte der SPD-Ministerien sind mit Frauen besetzt, | |
| auch viele Staatssekretärsposten. Da sind andere Parteien, Stichwort | |
| Heimatministerium, noch lange nicht soweit. | |
| Kann die SPD von der Tatsache profitieren, dass Andrea Nahles eine Frau | |
| ist? | |
| Ich glaube, dass Andrea Nahles in bestimmten Milieus ihrer Partei mit ihrem | |
| robusten Verhalten, etwas „kerlig“, gut ankommt. Aber die SPD muss ja auch | |
| die Mitte bedienen, die mit „auf die Fresse“ ein paar Probleme hat. Nun hat | |
| die SPD dafür, unter anderem mit Franziska Giffey oder Malu Dreyer, auch | |
| andere Frauen positioniert, die über das engere SPD-Milieu hinaus wirken | |
| können. Das ist ganz klug. | |
| Das heißt, Sie melden Zweifel an, was eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur | |
| von Nahles angeht? | |
| Das kann man noch überhaupt nicht sagen. Aber ich hege den leisen Verdacht, | |
| dass Nahles in der Männerpartei eben auch ihr robustes Auftreten kultiviert | |
| hat – und dass ihr das in Zukunft nicht nur nützt. Das ist natürlich | |
| kurios: Eventuell ist die erste Frau an der Parteispitze etwas zu männlich. | |
| Es ist aber ein klassisches Paradox von Führungsfrauen. Mal sehen, was sie | |
| draus macht. | |
| 22 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
| ## TAGS | |
| Andrea Nahles | |
| SPD-Parteitag | |
| SPD | |
| Frauen in Führungspositionen | |
| Frauen | |
| Quote | |
| SPD-Basis | |
| Andrea Nahles | |
| Andrea Nahles | |
| SPD | |
| Simone Lange | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nahles zur Parteichefin gewählt: Die letzte Chance für die SPD | |
| Mit mauem Ergebnis ist Andrea Nahles zur SPD-Chefin gewählt worden. Die | |
| Aufgaben, die auf sie warten, sind riesig. | |
| Kommentar Wahl von Andrea Nahles: Die SPD muss mehr Streit wagen | |
| Nahles hat vollmundig versprochen, dass sich die SPD erneuern wird. Das | |
| wird nur gehen, wenn die Partei Konflikte mit der Union riskiert. | |
| Kolumne Macht: Wenn Wunder möglich wären | |
| Natürlich, Andrea Nahles wird gewählt werden. Aber was spräche denn für und | |
| was gegen Simone Lange als neue Chefin der SPD? | |
| SPD-Parteitag in Wiesbaden: Nun abstimmen, später debattieren | |
| Die SPD will sich erneuern, alle Hoffnungen richten sich auf die | |
| designierte Vorsitzende Andrea Nahles. Alle? Nein. Es wird auch Verdruss | |
| geben. | |
| SPD-Politikerin Simone Lange: Ein Gegenentwurf zu Frau Nahles | |
| Simone Lange will SPD-Vorsitzende werden. Die Flensburger | |
| Oberbürgermeisterin fordert eine radikale soziale Wende. Hat sie Chancen? |