# taz.de -- Klimaschutz in Niedersachsen: Aufbruch ins Bessere | |
> In Niedersachsen ist die Novelle des Klimagesetzes in Kraft getreten. Sie | |
> enthält deutliche Verschärfungen, dem Nabu reicht das nicht. | |
Bild: Niedersachsen setzt auf mehr Klimaschutz: Die Windenergiefläche soll sic… | |
GÖTTINGEN taz | In Göttingen steht eine Litfaßsäule. Auf ihr ist, riesig | |
groß, Marie Kollenrott zu sehen, lachend. Drüber steht: „Frohe Feiertage!“ | |
Drunter steht: „Niedersachsen hat endlich ein [1][ambitioniertes | |
Klimaschutzgesetz].“ Das ist mit dem Jahreswechsel in Kraft getreten. | |
Kollenrott ist für Göttingen Abgeordnete im niedersächsischen Landtag in | |
Hannover. Als Mitglied im Fraktionsvorstand, Sprecherin für Energie und | |
Klimaschutz, Koordinatorin des Arbeitskreises Umwelt, Wirtschaft, | |
Landwirtschaft, Europa, hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass Mitte | |
Dezember 2023 die Novelle des Niedersächsischen Klimagesetzes (NKlimaG) | |
verabschiedet werden konnte, eingebracht von den Fraktionen der SPD und der | |
Grünen. | |
„Das sind ambitionierte Ziele“, sagt Kollenrott der taz über die Novelle. | |
„Das fühlt sich nach Aufbruch an.“ Ein Jahr lang hat sie sich in die Tiefen | |
der Details reingegraben. Was jetzt vorliegt, bezeichnet sie als | |
„Meilenstein“. Aber sie mahnt zugleich: „Darauf ausruhen dürfen wir uns | |
jetzt nicht. Man muss immer wieder nachsteuern.“ Das Großplakat soll ihrer | |
Basis zeigen, dass sie eine von denen ist, die nicht nur reden, sondern | |
liefern. | |
Besonders ambitioniert ist der „Reduktionspfad“: Bis 2030 sollen die | |
Treibhausgasemissionen des Landes im Vergleich zu 1990 um 75 Prozent sinken | |
(statt wie bisher geplant um 65 Prozent), bis 2035 um 90 (statt um 76). Für | |
2040 ist Klimaneutralität geplant (bisher lautete das Ziel: 2045); die | |
Landesverwaltung selbst setzt sich dieses Ziel schon bis 2035 (bisher war | |
2040 anvisiert). | |
## Letzte Verschärfung war 2022 | |
Auch Christian Meyer (Grüne), Niedersachsens Minister für Umwelt, Energie | |
und Klimaschutz, ist stolz auf das Ergebnis. Mit der Novelle „reduzieren | |
wir das verfügbare CO2-Budget noch einmal deutlich, ermöglichen [2][mehr | |
Wind- und Solarenergie] und erfüllen die internationalen Klimaziele“, sagt | |
er. „Niedersachsen wird damit zum Energiewende- und Klimaschutzvorreiter in | |
Deutschland.“ Das Gesetz sei ein Gesetz „des Ermöglichens und Machens“. | |
Es ist die zweite Novelle des niedersächsischen Klimagesetzes in kurzer | |
Zeit. Schon Mitte 2022 gab es eine Verschärfung. Das Beschlusspaket ist | |
umfangreich. Vor neuen Gesetzen und Verordnungen ist nun beispielsweise zu | |
prüfen, welche Auswirkungen sie auf die Klimaziele haben. Klimarelevante | |
(Genehmigungs-)Verfahren des Landes werden behördlich vorrangig bearbeitet. | |
Alle Landkreise und kreisfreien Städte führen ein Klimaschutzmanagement | |
ein, alle Ministerien und die Staatskanzlei bekommen | |
Klimaschutzbeauftragte. Zudem soll ein unabhängiger Klimarat die | |
Landesregierung in der Klimaschutzpolitik beraten, eigene Ideen einbringen. | |
Die Novelle enthält viele Konkreta. Die Windenergiefläche soll sich bis | |
2026 von 1,1 auf 2,2 Prozent verdoppeln, 0,5 Prozent soll für Photovoltaik | |
zur Verfügung stehen. Die Solar-Pflicht wird ab 2025 von Neubauten auf die | |
grundlegende Dachsanierung ausgeweitet, außerdem gilt sie ab 2025 beim | |
Neubau und bei der Sanierung von Parkplätzen schon ab 25 Stellplätzen | |
(statt, wie bisher, ab 50 Stellplätzen). Und ab sofort finanziert das Land | |
Niedersachsen die Entwicklung kommunaler Klimaschutzkonzepte mit knapp | |
zwölf Millionen Euro pro Jahr. | |
Die Opposition, CDU und AfD, hat im Landtag gegen die Novelle gestimmt. | |
Verena Kämmerling, die umweltpolitische Sprecherin der | |
CDU-Landtagsfraktion, sprach im Hannoveraner Plenarsaal vor der Abstimmung | |
von „Beratungschaos“ und einem politischen Weihnachtsgeschenk für die | |
Klientel der Regierungskoalitionäre, das sich als „Schrottwichteln“ | |
herausstellen werde. „Oppositionsgetöse“, sagt Kollenrott dazu. Man habe | |
die Novelle sehr kollegial, sehr sachbezogen zusammen beraten. | |
## Moorschutz geht Nabu nicht weit genug | |
Der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen sieht in der Novelle | |
begrüßenswerte „ehrgeizige Ziele“. Aber Nabu-Landesvorsitzender Holger | |
Buschmann äußert auch gleichermaßen Kritik und mahnt unter anderem den | |
„Einklang mit der Natur“ an. „Die Ausweitung der Solarpflicht auf Dächern | |
und über Parkplätzen ist positiv zu bewerten, jedoch sind im Gesetz keine | |
naturverträglichen Lösungen zum Ausbau der Erneuerbaren zu finden“, sagt | |
Buschmann. „Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz müssen dringend | |
vermieden werden, weswegen sich beim Ausbau der Erneuerbaren auf bereits | |
versiegelte und vorbelastete Flächen konzentriert werden sollte.“ | |
[3][Auch zum Moorschutz] meldet der Nabu Kritik an. Die Novelle sieht zwar | |
ein Verbot des Torfabbaus vor, aber Alt-Genehmigungen bleiben unangetastet. | |
„Bestehende Moore müssen erhalten und ehemalige Moorflächen renaturiert | |
werden, damit ihre Funktion als Lebensraum für viele bedrohte Tier- und | |
Pflanzenarten wiederhergestellt wird“, sagt Buschmann. „Leider bringt es | |
dem Klima- und Moorschutz nichts, wenn der Torf durch ein Abbauverbot | |
künftig noch stärker im Baltikum abgebaut wird als bisher.“ Der | |
Torfverbrauch im Hobbygartenbereich müsse verboten werden. | |
Viel nachzusteuern für Marie Kollenrott. Ob das Klima so wirklich Vorrang | |
bekommt, wird sich zeigen, Vorrang hat es auf jeden Fall demnächst auf | |
Kirchendächern, wenn die Gemeinde Solartechnik auf denkmalgeschützte | |
Gebäude setzen will. Wer an Gottes Schöpfung glaubt, kann ja schon mal | |
einen Antrag schreiben, um sie zu bewahren. | |
1 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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