# taz.de -- Klimaschutz durch gesunde Böden: Grüne Kühlanlage | |
> Regenerative Landwirtschaft und Wiederaufforstung sind wichtig fürs | |
> Klima. Der neue grüne Agrarminister Özdemir sollte deren Förderung | |
> forcieren. | |
Bild: Hervorragende Klimabilanz und natürliche Kühlung für die Erde: Bäume … | |
Alle reden von CO2, niemand von Wasser. Dabei legen neue Studien nahe: | |
Wiederbegrünung, Aufforstung und regenerative Landwirtschaft könnten die | |
Erderhitzung entscheidend abmildern, indem Städte und Land(wirt)schaften | |
bodennah gekühlt werden. | |
Wasserknappheit erschien bislang im regenreichen Deutschland undenkbar. | |
Doch die Dürresommer von 2018 bis 2020 ließen Böden so tief austrocknen, | |
dass im Harz und anderswo der Wald stirbt. Meteorolog:innen sagen, die | |
früher beginnende Vegetationsperiode verbrauche das Wasser im Boden | |
schneller, sodass es im Sommer fehlt. Aber Studien zeigen, dass auch | |
Abholzung und Versiegelung enorm zu Dürren und [1][Fluten] beitragen. | |
Regionen mit humusverarmten, agroindustriell bearbeiteten Böden sind | |
besonders überflutungsgefährdet. Mit seinen vielen Poren speichert ein | |
Prozent Humus pro Hektar 100 Tonnen CO2 in Form von Kohlenstoff und | |
mindestens 50.000 Liter Wasser – die beste Prävention gegen Trockenheit und | |
Überschwemmungen. | |
Scheint die Sonne auf eine begrünte Fläche, verwenden Pflanzen über 70 | |
Prozent der Sonnenenergie für die Verdunstung. Sie nutzen Wasser als | |
Transportmittel für Nährstoffe und geben es an die Umwelt ab. Die dafür | |
aufgewendete Energie führt zur Kühlung der Umgebungsluft und steigt als | |
„latente Wärme“ in höhere Schichten auf. Wenn der Boden aber nackt ist – | |
was auf konventionellen Äckern oft monatelang passiert –, heizt er sich auf | |
und strahlt deutlich mehr Wärmeenergie ab. | |
Das kann eine Differenz von bis zu 21 Grad ausmachen – wie in Tschechien an | |
einem Hitzetag gemessen. In einem Wald herrschten 28 Grad, daneben auf | |
einem abgeernteten Feld 42 und über Asphalt sogar 49 Grad. Eine | |
Untersuchung der ETH Zürich ergab ergänzend, dass Bäume Städte entscheidend | |
kühlen können, deutlich besser als Grünflächen. Ein einzelner Baum | |
transpiriert mehrere 100 Liter Wasser und kühlt seine Umgebung mit 70 | |
Kilowattstunden pro 100 Liter, was zwei 24 Stunden lang laufenden | |
Klimaanlagen entspricht. Pflanzen leisten also einen entscheidenden Beitrag | |
zur Kühlung des Planeten. | |
Die Erde hat aber etwa die Hälfte ihrer Wälder verloren, weil Menschen | |
Platz für Äcker, Städte und Straßen schafften. Das führte laut einer Studie | |
in Nature Communications zur Abnahme lokaler Wolkenbedeckung und damit der | |
Niederschläge. Global hat sich die Verdunstung von 1950 bis 2010 um etwa 5 | |
Prozent reduziert, gleichzeitig stieg die Oberflächentemperatur im Schnitt | |
um 0,3 Grad. Klingt wenig, macht aber ungefähr ein Viertel der bisher | |
gemessenen Erderhitzung aus. | |
Große [2][Wälder] lassen zudem Bakterien, Pilzsporen und Pollen aufsteigen, | |
diese dienen als Kondensations- und Eiskerne für Wolken und Niederschläge. | |
In Nahost bis nach China herrscht aber immer öfter eine Feuchte in der | |
Atmosphäre, die nicht mehr abregnet – aufgrund fehlender Biokerne sowie | |
menschenverursachter Staub- und Schwefelpartikel, die die | |
Regentropfenbildung verhindern. | |
Wälder produzieren somit ihren Regen selbst. Millionen von Bäumen erzeugen | |
in Form von Wolken riesige Wasserflüsse in der Luft, die „fliegenden | |
Flüsse“, die in 8 bis 10 Tagen bis zu 5.000 Kilometer zurücklegen können. | |
Auch Böden sind Regenmacher. Trockenheit entsteht nicht durch Regenmangel, | |
sondern es regnet nicht mehr, weil Grün und Humus verschwinden. | |
Deshalb müssen Wälder, Vegetation und Wasserkreisläufe als globales | |
„Kühlsystem des Planeten“ intakt gehalten werden. Das Abholzen sollte | |
gestoppt und Wiederaufforstung gefördert werden. Große Waldökosysteme wie | |
am Amazonas oder am Kongobecken sollten als Gemeingüter unter Schutz | |
gestellt werden. Die besten Naturschützer sind dabei die indigenen | |
Gemeinschaften, die dort leben. | |
Unser Ernährungssystem sollte konsequent auf regenerative Landwirtschaft | |
umgestellt werden. Diese weist Überschneidungen mit „bio“ auf, ist aber | |
nicht damit identisch, weil auch konventionelle Höfe Humus aufbauen, | |
begrünen und Wasser zurückhalten können. Der [3][Boden] sollte nie nackt | |
liegen, sondern gemulcht und mit Zwischenfrüchten und Untersaaten immer | |
begrünt werden. Ausgeräumte Agrarlandschaften wie in östlichen | |
Bundesländern sollte es nicht länger geben dürfen. Hecke anzen transpiriert | |
und damit wieder zu Niederschlag umgewandelt werden kann. | |
Wasserrückhaltung ist ebenso wichtig. Der Permakulturist Sepp Holzer zeigte | |
an vielen Orten der Welt, wie in verdorrten Landschaften wieder Teiche und | |
Seen entstehen können. Auch Agroforstsysteme kühlen, halten Feuchte in der | |
Landschaft, speichern CO2 als Humus und bringen Mehrerträge in Form von | |
Holz, Nüssen oder Erosionsschutz. Sie fallen jedoch aus den üblichen | |
EU-Subventionen heraus. | |
Hier lägen große Aufgaben für den neuen Bundesagrarminister. Cem Özdemir | |
könnte dafür sorgen, dass regenerative Methoden in Reallaboren und | |
„KlimaLandschaften“ wissenschaftlich beforscht werden, denn noch gibt es zu | |
wenig empirische Daten. Halten sie, was sie versprechen – was Projekte in | |
aller Welt zeigen –, sollten sie großflächig eingeführt werden. Der Grüne | |
sollte sich auch für den Importstopp von Palmöl oder Rindfleisch aus | |
entwaldeten Gebieten einsetzen und für eine Koppelung der Nutztierzahlen an | |
das selbstproduzierte Futter der Höfe. Letzteres verhindert, dass Urwälder | |
zugunsten von Gensoja als Tierfutter abgeholzt werden. | |
Zusammen mit seinen Kolleg:innen im Klima-, Umwelt-, Bau- und | |
Verkehrsressort könnte Özdemir sich mit einer Klimagesamtstrategie | |
profilieren. Mit regenerativer Landwirtschaft plus Aufforstung könnte man | |
Fluten und Dürren verhindern und für Abkühlung, weniger Hitzetote und mehr | |
Gesundheit sorgen. | |
21 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
Stefan Schwarzer | |
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