# taz.de -- Katholikentag in Stuttgart: Vater Scholz bemüht sich ums Volk | |
> Der Kanzler besucht den Katholikentag. Er spricht über Waffen, Afrika und | |
> die Klimakrise. Von der Zeitenwende sind nicht alle überzeugt. | |
Bild: Olaf Scholz beim Katholikentag in Stuttgart am 27.Mai 2022 | |
BERLIN taz | Dieser Auftritt findet auf schwierigem Terrain statt. | |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist auf Stippvisite beim Katholikentag in | |
Stuttgart, [1][dort wo die Friedensbewegten sich treffen], diejenigen | |
zusammenkommen, die sich für die Armen auf der Welt einsetzen, die die | |
Spaltung zwischen Bedürftigen und Reichen in Deutschland scharf | |
kritisieren. | |
Normalerweise sind Auftritte bei solchen Kirchenevents ein Heimspiel für | |
politische Vertreter:innen, doch in diesem Jahr sind die Krisen auf der | |
Welt gewaltiger denn je: Krieg in der Ukraine, es droht eine [2][globale | |
Hungersnot], die Energie- und Verbraucherpreise steigen in Deutschland | |
rasant an. Ganz zu schweigen von der Klimakrise, die nun wirklich kein | |
Staatenlenker der Welt mehr ignorieren kann. | |
Vor allem was die Erderhitzung angeht, ist der Unmut gegenüber der | |
Regierung groß. Scholz spricht auf dem Podium über den Ausstieg aus der | |
Kohleverstromung, über Arbeitsplätze, die im Tagebau verloren gehen, über | |
seine Botschaft an die Arbeiter:innen, dass es für jede:n eine Perspektive | |
geben werde. Während Scholz sich als Kümmerer der Nation gibt, versucht ein | |
Aktivist die Bühne zu stürmen. Natürlich sind die Sicherheitsleute schnell | |
zur Stelle. Der Bundeskanzler kommentiert die Aktion ungewöhnlich scharf. | |
Es sei ein „schauspielerisch geübter Auftritt“ – der Versuch | |
Veranstaltungen für eigene Zwecke zu manipulieren. Das Publikum | |
applaudiert. | |
Weniger glatt läuft es für Scholz im Themenfeld Ukraine. Die durch den | |
russischen Angriff ausgelöste Zeitenwende habe die Weltordnung, | |
gesellschaftspolitische Annahmen, durcheinandergebracht. Kann uns „Vater | |
Scholz“ – wie die Schriftstellerin Nora Bossong den Kanzler auf der Bühne | |
scherzhaft nennt – an die Hand nehmen? | |
## Was ist mit den Armen? | |
Scholz lobt den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Zum Beispiel, wenn es um | |
die Aufnahme von nun rund 800.000 registrierten ukrainischen Geflüchteten | |
geht, die derzeit in Deutschland sind. Das hätten die Bürger:innen ganz | |
gut gemacht, sagt der Kanzler. Er weiß, die Bevölkerung braucht einen | |
langen Atem, denn der Krieg in der Ukraine würde länger dauern als gedacht | |
und die Entbehrungen würden auf allen Seiten größer sein als vermutet. | |
Zum Beispiel, wenn es um steigende Energiepreise geht. Wer ein geringes | |
Einkommen hat, den wird die Inflation, die Umstellung auf alternative | |
Energien, die Unabhängigkeit von Russland bei der Gasversorgung schwer | |
treffen. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen | |
Katholiken, bringt die „Armen in der Gesellschaft“ in die Diskussion ein. | |
Wie gelingt es, dass möglichst niemand abgehängt wird? Entlastungen für | |
steigende Wohnmieten und Energiepreise – geht das nur mit der Gießkanne | |
oder geht es besser mit einer differenzierten Antwort? Scholz hat sie | |
nicht. Zumindest nicht konkret. | |
Er verteidigt die deutschen Waffenlieferungen. Der Krieg in der Ukraine | |
richte sich gegen „unsere Werte“, sagt Scholz. Frieden entstehe nicht durch | |
gewaltsame Unterwerfung. Gerechtigkeit sei die Voraussetzung. „Sind so | |
viele Waffen nötig?“, fragen die Besucher:innen des Katholikentags. | |
„Ja!“, sagt Scholz. Und er wird noch deutlicher: „Wir werden, wenn wir | |
dieses Sondervermögen beschlossen bekommen, erstmal in großem Umfang | |
Munition bestellen.“ | |
Es gehe darum, Einsätze, die von der EU oder den Vereinten Nationen geführt | |
werden, begleiten zu können und darum, dass man auf Angriffe auf das | |
heimische Territorium vorbereitet sei, sowie um sichere Kommunikation. | |
[3][Derzeit ringen Union und Ampel um eine Einigung zum Sondervermögen]. | |
Die Union verlangt, dass die 100 Milliarden nur der Bundeswehr zukommen, | |
die Ampel will einen kleineren Anteil auch für Cybersicherheit und zivile | |
Prävention einsetzen. | |
## Entwicklungsetat soll nicht zu kurz kommen | |
Weil Scholz auf dem Katholikentag ist, darf natürlich auch eine | |
Beruhigungspille für die Entwicklungszusammenarbeit nicht fehlen. Zuerst | |
ein Schlenker auf den afrikanischen Kontinent. Scholz hat vor wenigen Tagen | |
[4][Senegal, Niger und Südafrika] besucht. Er preist seine globale | |
Perspektive, wie zentral es sei, mit den Demokratien der Welt ein neues | |
Einvernehmen zu finden. Auch der deutsche Entwicklungsetat werde in den | |
kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen. Offenbar soll auf keinen Fall | |
der Eindruck entstehen, dass mehr Geld in Kriegsgerät fließen wird als in | |
Aufbauarbeit. | |
Zufälligerweise hat [5][Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze] (SPD) | |
ausgerechnet am Freitag die Ukraine besucht und dort Soforthilfen und | |
weitere Unterstützung für den Wiederaufbau des Landes zugesichert. Laut | |
Ministerium wurde das Sofortprogramm etwa für die Schaffung von Wohnraum | |
für Binnenvertriebene in den vergangenen Wochen auf rund 185 Millionen Euro | |
aufgestockt. Da durch den russischen Angriffskrieg eine globale Hungerkrise | |
droht, hatten die G7-Entwicklungsminister:innen sich bereits auf ein | |
Bündnis für globale Ernährungssicherheit verständigt. Auch dafür soll es | |
Geld geben. | |
Der Katholikentag wäre nicht der Katholikentag, wenn der Bundeskanzler | |
nicht auch einfach nur mal Mensch sein dürfte, nachdem er zu Krieg, Klima | |
und Hunger Rede und Antwort stehen musste. Und so wissen die | |
Besucher:innen jetzt, dass „Vater Scholz“ einmal einen schwarzen Kater | |
hatte und lieber Rock als Hip-Hop hört. | |
27 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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