| # taz.de -- Deutschlands Katholiken und der Krieg: Kein Glaube an Frieden ohne … | |
| > Die katholische Kirche in Deutschland übt Solidarität mit der Ukraine und | |
| > verurteilt Russlands Krieg. Doch danach hört die Einigkeit auch schon | |
| > auf. | |
| Bild: Während Deutschland noch diskutiert, steckt die katholische Kirche in de… | |
| Bonn taz | Das Priesterseminar in Worsel erhält Hilfe aus Deutschland. Die | |
| Kleinstadt liegt nordwestlich von Kyiv, direkt bei [1][Butscha, dem Ort | |
| also, der in den letzten Wochen zum Synonym für russische Kriegsverbrechen | |
| wurde]. | |
| Auch Worsel war nach Kriegsbeginn unter russischer Besatzung, und die | |
| Ausbildungsstätte der römisch-katholischen Kirche blieb nicht verschont. | |
| Die Studenten konnten zwar rechtzeitig flüchten, das Gebäude war nach dem | |
| Rückzug der Russen aber schwer ramponiert. Soldat:innen hatten offenbar | |
| im Priesterseminar übernachtet, die Einrichtung geplündert, die Räume | |
| beschädigt. Eine Marienstatue sollen sie enthauptet haben. | |
| So steht es zumindest in einem Bericht von Kirche in Not. Die katholische | |
| Hilfsorganisation hat in der vergangenen Woche angekündigt, die Diözese | |
| Kyiv-Schytomyr bei der Instandsetzung zu unterstützen. Das pastorale | |
| Hilfswerk, das spendenfinanziert arbeitet, rechnet dafür mit Kosten in Höhe | |
| von 150.000 Euro. | |
| ## Karitative Hilfe wenig kontrovers | |
| Wiederaufbau, humanitäre Unterstützung, karitative Hilfe: Das sind die | |
| einen Felder, in denen die katholische Kirche im Ukraine-Krieg gefordert | |
| ist. Eine große Aufgabe, oftmals belastend, zumindest aber wenig | |
| kontrovers. „Die große Solidarität mit den Opfern des Krieges ist ein | |
| wichtiges Signal, dass wir der Aggression nicht ohnmächtig zuschauen“, | |
| sagte beispielsweise Mitte Mai 2022 die Caritas-Präsidentin Eva Maria | |
| Welskop-Deffaa beim Jahresempfang der Organisation in Berlin. | |
| In Deutschland engagiert sich die Caritas – neben vielen anderen, auch | |
| kirchlichen Institutionen – in der Flüchtlingshilfe. Über die Abteilung | |
| Caritas international unterstützt sie in der Ukraine den dortigen | |
| Schwesterverband, der Lebensmittel und andere Güter ausgibt, Notunterkünfte | |
| betreibt und Kriegsopfern psychologischen Beistand bietet. | |
| Ein anderes, kontroverses Feld: Welche Antworten gibt die katholische | |
| Kirche auf die Frage, wie es zum Krieg kam und wie der Weg zurück zum | |
| Frieden aussieht? Zwei Wochen nach Kriegsbeginn [2][wagte sich im März die | |
| Deutsche Bischofskonferenz] mit Sitz in Bonn an diese Fragen. | |
| ## Deutsche Bischöfe unmissverständlich, nicht so der Papst | |
| In der gemeinsamen Erklärung „Der Aggression widerstehen, den Frieden | |
| gewinnen, die Opfer unterstützen“ äußerten sich die Bischöfe | |
| unmissverständlich zu den Ursachen und den Verantwortlichen. „Wir beklagen | |
| den Überfall auf ein international anerkanntes Land, einen Angriffskrieg, | |
| der gegen das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Gewaltverbot | |
| verstößt“, schrieben sie in dem Papier. Und: „Die Begründungen, die von … | |
| russischen Regierung zur Rechtfertigung vorgetragen werden, vermögen | |
| allesamt auch dann nicht zu überzeugen, wenn man bereit ist, russische | |
| Sicherheitsbedürfnisse prinzipiell anzuerkennen.“ | |
| Ein anderer Ton war das als [3][auf manchen Friedenskundgebungen], in | |
| manchen Talkshows und [4][in offenen Briefen], wo man mit dem Finger auf | |
| den Westen, die Nato und dessen Osterweiterung als zumindest indirekten | |
| Kriegsgrund zeigt. Ein anderer Ton allerdings auch im Vatikan, wo Papst | |
| Franziskus im Interview mit der Corriere della Sera vom „Bellen der Nato an | |
| Russlands Tür“ sprach. | |
| Kritik an der russischen Regierung dosiert der Papst spärlich, womöglich | |
| mit dem Kalkül, keine diplomatischen Wege zu verbauen. Eine Kyiv-Reise | |
| vermeidet er bislang trotz vieler entsprechender Forderungen; in dem Punkt | |
| erinnert er fast an den Bundeskanzler. | |
| ## Kein Widerspruch gegen Waffenlieferungen | |
| Noch brisanter als der implizite Widerspruch zum Papst ist in der Erklärung | |
| der deutschen Bischöfe die Einlassung zu Waffenlieferungen. Die Debatte | |
| werde auch in der Katholischen Kirche intensiv geführt, heißt es in dem | |
| Papier. Deren Vertreter hätten Waffenexporte stets kritisch begleitet und | |
| werden dies auch in Zukunft tun. | |
| Aber: Von der konkreten Situation dürfe man bei der Entscheidung nicht | |
| absehen. „Rüstungslieferungen an die Ukraine, die dazu dienen, dass das | |
| angegriffene Land sein völkerrechtlich verbrieftes und auch von der | |
| kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen | |
| kann, halten wir deshalb für grundsätzlich legitim“, schreiben die | |
| Bischöfe. | |
| In die Details der Debatte begeben sich die Bischöfe selbst nicht, sie | |
| wägen nicht ab zwischen leichten und schweren Waffen, Schützen- und | |
| Flugabwehrpanzern. | |
| ## Pax Christi mag das Bundeswehr-Sondervermögen nicht | |
| Ihre Erklärung ist kein Plädoyer für Waffenlieferungen, so weit gehen sie | |
| nicht. Sie brechen auch nicht mit allen Prinzipien der Friedenstheologie, | |
| sondern erinnern daran, dass sich die Kirche in Lehre und Handeln „der | |
| Gewaltlosigkeit Jesu verpflichtet“. Dennoch lehnen die Bischöfe | |
| militärische Unterstützung im konkreten Fall aber eben auch nicht explizit | |
| ab: „Es ist denjenigen, die die Entscheidung zu treffen haben, aufgetragen, | |
| präzise zu bedenken, was sie damit aus- und möglicherweise auch anrichten. | |
| Dies gilt gleichermaßen für die Befürworter wie für die Gegner von | |
| Waffenlieferungen.“ | |
| Und: Das von der Bundesregierung infolge des Kriegs geplante Sondervermögen | |
| für Verteidigungsausgaben, aus dem die Bundeswehr neue Waffen finanzieren | |
| soll, sei „grundsätzlich plausibel“ – auch wenn daraus keine Verengung a… | |
| die rein militärische Logik folgen soll. | |
| Auf Widerspruch stößt die Bischofskonferenz mit ihrer Position beim | |
| Bundesvorstand von Pax Christi, der katholischen Friedensorganisation. Der | |
| räumt in einem Brief an die Mitglieder zwar Irrtümer ein. In Putin habe man | |
| sich geirrt, die Gefahr unterschätzt. Auch wolle man nicht von anderen, | |
| denen auf die rechte Wange geschlagen wird, einfordern, auch die linke | |
| hinzuhalten. Statt auf Waffen setzt die Organisation dennoch auch im | |
| aktuellen Kontext auf „aktive Gewaltfreiheit und zivilen Ungehorsam“. Und | |
| das neue Geld für die Bundeswehr? Lehnt Pax Christi „als Schritt in die | |
| falsche Richtung“ ab. | |
| 26 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Nach-dem-Massaker-in-Butscha/!5843396 | |
| [2] /-Nachrichten-zum-Ukrainekrieg-/!5848882 | |
| [3] /Friedensaktivist-ueber-die-Ostermaersche/!5846420 | |
| [4] /Harald-Welzer-zum-Offenen-Emma-Brief/!5847657 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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