| # taz.de -- Kapitänin über „Sea Watch“-Situation: „Wir werden trotz Ver… | |
| > Die Seenotrettungs-NGO „Sea Watch“ ist mit ihrem Eilantrag gescheitert. | |
| > Laut Kapitänin Carola Rackete ist die Lage auf dem Schiff so kritisch, | |
| > dass sie Italien trotzdem ansteuert. | |
| Bild: Die „Sea-Watch 3“ im Januar 2019 | |
| taz: Frau Rackete, Sie sind Kapitänin der [1][„Sea-Watch 3“], das vor 15 | |
| Tagen 53 Menschen im Mittelmeer rettete. Italien verbietet Ihnen einen | |
| Hafen anzusteuern. Am Dienstagabend mussten Sie erneut eine juristische | |
| Niederlage hinnehmen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies | |
| Ihren Eilantrag, in Italien anlegen zu dürfen, zurück. Wie geht es jetzt | |
| weiter? | |
| Carola Rackete: Wir werden trotz Verbot anlegen – unabhängig davon welche | |
| Strafen drohen. Ich kann die Sicherheit der Menschen nicht mehr | |
| gewährleisten. Die Geretteten sind psychologisch extrem angegriffen. Ich | |
| mache mir Sorgen, dass sich einige selbst verletzten könnten. Das Urteil | |
| war ein herber Rückschlag für die Geretteten, die gemeinsam mit uns geklagt | |
| hatten. Der Menschenrechtsgerichtshof war für sie ein Hoffnungsanker. Aber | |
| niemand will Verantwortung übernehmen, auch nicht der Gerichtshof, der sich | |
| für „nicht zuständig“ erklärt. Die Verantwortung für das Leben und die | |
| Sicherheit der Geretteten bleibt also bei mir. | |
| Welche Strafen drohen Ihnen? | |
| Italien droht unserer Crew mit Geldstrafen von bis zu 150.000 Euro sowie | |
| gegen die gesamte Organisation Sea-Watch wegen Bildung einer kriminellen | |
| Vereinigung juristisch vorzugehen. Das ist fatal: Unser Schiff könnte nicht | |
| nur für einige Wochen, wie bisher schon geschehen, sondern länger | |
| festgesetzt werden. Rettungen wären nicht mehr möglich. Daher versuchten | |
| wir zunächst juristisch zu kämpfen anstatt anzulegen. | |
| Wie ist die Situation an Bord? | |
| Die Lage ist extrem angespannt und spitzt sich immer weiter zu. Unser | |
| Schiff ist nicht dafür ausgelegt, mit 53 Menschen für zwei Wochen auf dem | |
| Meer zu sein. Unser medizinisches Team kann die Menschen zwar | |
| erstversorgen, weitere Behandlungen sind aber kaum möglich. Bereits elf der | |
| 53 Geretteten mussten aus medizinischen Gründen von italienischen Behörden | |
| evakuiert werden. Viele der Menschen wurden wegen der hohen Wellen | |
| seekrank. Wir sind hier bei starker Hitze auf engstem Raum. Privatsphäre | |
| ist praktisch nicht vorhanden … | |
| Wie geht es den Geretteten psychisch? | |
| Viele bringen traumatische Erfahrungen mit: Die Geschichten reichen von | |
| Versklavung, über sexuelle Gewalt, Entführung und Zwangsarbeit. Es besteht | |
| die Gefahr von Retraumatisierungen. Vermutlich brauchen alle Geretteten | |
| eine psychologische Betreuung, weil sie Menschenrechtsverletzungen erleben | |
| mussten. Auch für die drei unbegleiteten Minderjährigen ist die Situation | |
| unzumutbar. Das ist ein Skandal, denn im Seerecht ist klar geregelt, dass | |
| Schiffbrüchige so schnell wie möglich an Land gebracht werden müssen. | |
| Rund 60 deutsche Städte erklärten sich jüngst bereit mehr Flüchtlinge | |
| aufzunehmen, als sie müssen. Der [2][Bürgermeister von Rottenburg am | |
| Neckar] bietet sogar einen Bus an, um die Geretteten der „Sea-Watch 3“ | |
| abzuholen. Woran scheitert die Initiative? | |
| Nicht nur in deutschen, auch in italienischen Städten besteht der Wille zur | |
| Aufnahme. Das scheitert am italienischen Innenminister Matteo Salvini und | |
| dessen unsäglicher Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung. Aber auch | |
| unser holländischer Flaggenstaat könnte auf EU-Ebene aktiv werden. Jede | |
| offizielle Behörde in der EU schiebt die Verantwortung auf einen anderen | |
| Staat oder politische Ebene – so passiert unterm Strich nichts. Es ist ein | |
| undurchsichtiger Teufelskreis. | |
| Wie ist die Lage an Bord für die Crew der „Sea-Watch 3“? | |
| Die vielen Geschichten der Geretteten erschüttern uns immer wieder. Wir | |
| sind alle sehr gefordert, persönlich am Limit und schlafen wenig. Aber als | |
| Crew arbeiten wir gut zusammen, das ist wichtig – denn die ausweglose | |
| Situation rund um das Sterben im Mittelmeer kostet viel Kraft. | |
| 26 Jun 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sophie Schmalz | |
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