# taz.de -- „Sea-Watch 3“ legt in Lampedusa an: Kapitänin festgenommen | |
> Die „Sea-Watch 3“ hat in Lampedusa angelegt, trotz Verbot. Die Kapitänin | |
> tat es zum Wohl der Geretteten an Bord – nun drohen ihr zehn Jahre Haft. | |
Bild: Bestraft für das Retten von ertrinkenden Menschen: Carola Rackete wird i… | |
LAMPEDUSA afp | Dramatisches Ende einer zweiwöchigen Irrfahrt: Das | |
Flüchtlings-Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ hat sich in der Nacht zum Samstag | |
ohne Zustimmung der italienischen Behörden den Weg in den Hafen der | |
italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa erkämpft. Die deutsche Kapitänin | |
Carola Rackete wurde festgenommen und das Schiff beschlagnahmt, wie | |
Italiens Innenminister Matteo Salvini mitteilte. Die 40 zuletzt an Bord | |
verbliebenen Flüchtlinge durften an Land gehen. | |
Rackete hatte in der Nacht entschieden, das Schiff trotz Verbots in den | |
Hafen einlaufen zu lassen. Ein Polizei-Schnellboot versuchte dies | |
vergeblich zu verhindern. „Wir haben uns in den Weg gestellt, aber wenn wir | |
dort geblieben wären, hätte die ‚Sea-Watch‘ das Schnellboot zerstört“, | |
sagte ein Polizist. | |
Rackete gab in einem von der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch | |
veröffentlichten [1][Video] an, sie habe lange auf eine Lösung gewartet. | |
Eine solche habe sich jedoch nicht abgezeichnet, weshalb sie selbst | |
entschieden habe, in den Hafen einzulaufen. | |
Im Hafen versammelten sich Anwohner und Aktivisten. Einige jubelten, andere | |
riefen: „Schande“ und „Hau ab!“ [2][Rackete wurde von Polizisten | |
abgeführt]. Ihr wird Widerstand oder Gewalt gegen ein Kriegsschiff | |
vorgeworfen. Italienischen Medienberichten zufolge drohen der 31-Jährigen | |
bis zu zehn Jahre Haft. Zuvor hatte Rackete angegeben, sie wisse, was sie | |
riskiere und sei bereit, für ihre Entscheidungen ins Gefängnis zu gehen. | |
„Ich kann die Sicherheit der Menschen nicht mehr gewährleisten“, hatte | |
Rackete bereits am Freitag im [3][Interview] mit der taz gesagt. Sie | |
fürchte, dass manche sich aus Verzweiflung selbst verletzen könnten. | |
## „Eine Schande für Europa“ | |
„Mission erfüllt“, schrieb Innenminister Salvini von der rechtsradikalen | |
Lega-Partei im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Verbrecherische Kapitänin | |
festgenommen, Piratenschiff beschlagnahmt, Höchststrafe für die | |
ausländische Nichtregierungsorganisation.“ | |
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte erklärte am Rande des G20-Gipfels in | |
Osaka, er wolle sich nicht anstelle der Justiz setzen, die für die | |
Anwendung des Gesetzes zuständig sei. „Aber die Gesetze existieren, ob wir | |
wollen oder nicht.“ | |
Der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verurteilte die Festnahme der | |
Kapitänin. Dies mache ihn „traurig und zornig“, erklärte der | |
EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. „Eine junge Frau wird in einem | |
europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat und die | |
geretteten Menschen sicher an Land bringen will. Eine Schande für Europa!“ | |
Sea-Watch-Geschäftsführer Johannes Bayer erklärte im Kurzmitteilungsdienst | |
Twitter, die Kapitänin habe „genau das Richtige getan“. Rackete habe das | |
Seerecht eingehalten und die Flüchtlinge in Sicherheit gebracht. | |
## 18.000 Tote im Mittelmeer | |
Die Flüchtlinge verließen am frühen Morgen das Schiff. Einige von ihnen | |
lächelten, andere weinten. Sie wurden anschließend in das Aufnahmelager auf | |
Lampedusa gebracht. | |
Das Schiff hatte am 12. Juni insgesamt 53 Menschen vor der Küste Libyens | |
von einem Schlauchboot gerettet. 13 von ihnen, darunter Frauen, Kranke und | |
Kinder, waren in den vergangenen Tagen an Land gebracht worden. | |
Fünf europäische Länder, darunter Deutschland, hatten am Freitag zugesagt, | |
Flüchtlinge von Bord des Schiffes aufzunehmen. Dennoch hatte die | |
italienische Regierung weiterhin [4][keine Genehmigung zum Anlegen | |
erteilt]. Das italienische Innenministerium hatte erklärt, es warte auf | |
„gesicherte Garantien“. Die Regierung in Rom fährt eine äußerst restrikt… | |
Flüchtlingspolitik und hat die italienischen Häfen für internationale | |
Rettungsschiffe geschlossen. Dennoch kommen immer wieder Flüchtlinge dort | |
an. | |
Seit 2014 sind mehr als 18.000 Menschen bei dem Versuch gestorben, von | |
Libyen über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Das | |
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR spricht deshalb von „der tödlichsten | |
Meeresüberquerung der Welt“. | |
29 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/seawatchcrew/status/1144762858951139328 | |
[2] https://twitter.com/Marvin87510172/status/1144772253655228417 | |
[3] /Kapitaenin-ueber-Sea-Watch-Situation/!5606254 | |
[4] /Sea-Watch-3-vor-Lampedusa/!5607383 | |
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