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# taz.de -- Seenotrettung – Kladde von Anett Selle: Nachtschicht auf dem Meer
> Die Boote der Aktion „#Yachtfleet“ haben Licata verlassen und segeln nach
> Lampedusa. Für einige Crewmitglieder ist es die erste Nacht auf dem Meer.
Bild: Die Yachtfleet segelt in den Sonnenuntergang gen Lampedusa
Lampedusa taz | „Hoa, ich liebe die hohe See. Guck dich ma um: Was siehste?
Nix!“, sagt der Maschinist Richard Brenner. Die Deckhand Julia Blawert
dreht das Steuer und grinst. Nachtschicht auf der Yachtfleet. Über dem
Mittelmeer die Sterne. Unten die Lichter der Schiffe. Kaffee. Und Wellen.
Das Boot schaukelt vor und zurück und vor, es kippt nach links nach rechts
nach links. Ohne Pause. Die Crew im Boot wird geschwenkt wie Wein im Glas.
Wer sich nicht festhält, fällt. Die meisten schlafen.
Seit ein paar Stunden sind die drei Boote der [1][Yachtfleet] auf dem Weg
nach Lampedusa. Vorher wurde noch die letzte Rettungsweste verladen, die
letzte Wasserflasche in einen Schrank gestopft, das letzte Gemüsenetz an
Streben gebunden. Alles muss seefest verstaut sein. Wie gesagt: Es
schwenkt. Im Herd sind Gewichte verbaut, sodass er kippelt. Selbst wenn das
Boot fast auf der Seite liegt: Er steht gerade.
Gegen 11 Uhr bricht die Yachtfleet aus Licata auf. Die drei Boote kreisen
im Hafenbecken, ordnen sich, fahren aus. Auf dem Meer gesellt sich kurz das
vierte Boot dazu, zum Abschied. Die Vega kann nicht mitfahren. Ihre Wartung
ist nicht abgeschlossen: Die Wanten sind lose, und die sind nicht ganz
unwichtig. Sie halten den Mast.
Die Vega ist alt, Baujahr 1930 oder 1936. Genau weiß man das nicht, die
Schiffspapiere sind verschwunden. Im zweiten Weltkrieg wurde das
französische Boot vor den Nazis versteckt und in den 50er- Jahren in einer
Scheune gefunden. Ihre Crew bleibt mit der Vega in Licata, die Presse
verteilt sich auf die übrigen drei Boote.
Etwa zwei Meilen vor der Küste legen die Segelboote noch eine
Trainingseinheit ein. „Wir trainieren den Notfall, dass ein Boot so
beschädigt ist, dass es untergeht und man sofort reagieren muss.“ Der
Skipper Thomas Nuding zeigt auf die beiden Beiboote im Wasser. „Ein Rhib
simmuliert den Notfall, eins ist im Einsatz.“ Die Einsatzcrew soll das Boot
abbergen und die Menschen je nach Zustand auf das eine oder das andere
Segelboot bringen.
## Nicht zu nah ranfahren
„Die Segelboote sind zu nahe an der Unglücksstelle“, sagt Nuding. „Das
machen wir heute ausnahmsweise so, damit die Presse gut sehen kann.“
Eigentlich gilt ein Mindestabstand der Segelboote zum Boot in Seenot von
300 Metern. Nur die Rhibs dürfen nahe ran. „So wollen wir verhindern, dass
die Leute die Distanz falsch einschätzen, bis zu einem Segelboot schwimmen
wollen, und dann ertrinken.“
Bis in den späten Nachmittag ziehen die Crews Menschen aus dem Wasser,
verteilen Rettungswesten, bergen, transportieren, versorgen. Wer desolat,
bewusstlos oder verletzt sein soll, kommt auf das Boot mit dem Team aus
Ärzt*innen und Sanitäter*innen. Daniela Breu hat die Abläufe als Ärztin
trainiert, und die Rolle einer Mutter mit Kind übernommen. „Es war super
anstrengend. Aber wichtig, das durchzuspielen und zu sehen, dass wir
miteinander arbeiten können.“
Gegen 17 Uhr hängen die Crews die Rhibs an und setzen die Segel. Drei
Meilen, sechs Meilen, neun Meilen. Irgendwann nach der zehnten Meile ist
kein Land mehr in Sicht. 133 Seemeilen, etwa 240 Kilometer, werden die drei
Boote zurücklegen, in etwa 30 Stunden. Voraussichtliche Ankunft in
Lampedusa: Freitagnacht. In Lampedusa kommen drei weitere Menschen an Bord.
Und vom 15. bis 23. Juni werden die Crews voraussichtlich auf See
[2][demonstrieren], acht Tage am Stück. „Ich kann mir jetzt kaum
vorstellen, was das bedeutet“, sagt Julia Blawert am Ende ihrer Wache.
„Aber das kommt schon noch.“ Über das feuchte, wellengeschwenkte Deck
hangelt sie sich zur Stiege und verschwindet Richtung Koje.
14 Jun 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/yachtfleet
[2] /Seenotrettung--Kladde-von-Anett-Selle/!5601343
## AUTOREN
Anett Selle
## TAGS
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