# taz.de -- Kampf um Mariupol: Kein Sturm auf Stahlwerk | |
> Russlands Präsident befiehlt seinen Soldaten, nicht in das von Ukrainern | |
> gehaltene Stahlwerk Asowstal in Mariupol einzudringen. Warum? | |
Bild: Das Stahlwerk Asowstal in Mariupol: In dessen Schutzräumen harren tausen… | |
BERLIN taz | Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach einem Gespräch mit | |
Verteidigungsminister Sergei Schoigu befohlen, den Sturm des riesigen | |
Stahlwerksgeländes Asowstal in der Hafenstadt [1][Mariupol] einzustellen. | |
Grund sei die Notwendigkeit, die eigenen Soldaten zu schonen. Ein Sturm sei | |
nicht zielführend. | |
„Wir müssen das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten und Offiziere | |
schützen,“ so Putin, und er schob nach, dass es nicht notwendig sei, „in | |
die Katakomben zu gehen und dort unter die Erde zu kriechen, wo sich die | |
Industrieanlagen befinden“. Stattdessen solle aufgepasst werden, dass dort | |
„keine Fliege mehr herauskommt“. | |
Auf dem Gelände halten sich nach Angaben des russischen | |
Verteidigungsministeriums 2.500 Menschen auf. Die ukrainische | |
stellvertretende Premierministerin Iryna Wereschtschuk geht von allein | |
1.000 Zivilisten und weiteren 500 Verletzten auf dem Gelände aus. | |
Die auf dem Gelände verharrenden Militärs haben mehrfache „Angebote“ der | |
russischen Seite, sich zu ergeben, abgelehnt. Einen Kompromissvorschlag, in | |
ein drittes Land zu gehen, wollte die russische Seite nicht akzeptieren. | |
## Blogger: Angriff ohne „Säuberungsaktion“ ist sinnlos | |
In einer ersten Reaktion erklärte Oleksi Arestowitsch, Berater des Chefs | |
der ukrainischen Präsidialadministration, mit der Entscheidung, Asowstal | |
nicht zu stürmen, habe Russland faktisch den Krieg verloren. „Die Jungs von | |
‚Asow‘ werden dort rauskommen und sie (die russischen Soldaten; d. Red.) | |
verbrennen.“ zitiert das Portal Obosrewatel Oleksi Arestowitsch. | |
Auf ihrem russischen Portal sieht die BBC mehrere Gründe für Putins | |
Entscheidung. Der Versuch, das Stahlwerksgelände einzunehmen, würde sehr | |
viele Kräfte binden. Und die brauche Russland jetzt an anderer Stelle im | |
Donbass. Vielleicht habe aber auch die Drohung von Präsident Selenski | |
gewirkt, bei einer Einnahme von Asowstal würde die Ukraine alle | |
Verhandlungen mit Russland abbrechen. | |
Möglicherweise will Moskau aber auch schlicht eines der größten Hüttenwerke | |
Europas erhalten, das pro Jahr 4 Millionen Tonnen Stahl und 3,5 Millionen | |
Tonnen Gusseisen produziert. | |
Mit ganz anderen Akzenten erklärte der putintreue russische Blogger Waleri | |
Petrow aus Belgorod in seinem Blog masterok.livejournal.com, warum Putins | |
Entscheidung sinnvoll sei. Die unterirdischen Katakomben seien | |
unübersichtlich und stellten so eine große Gefahr für die Angreifer dar. | |
Auch Luftangriffe machten wenig Sinn, wenn sie nicht von einer | |
anschließenden „Säuberungsaktion“ begleitet würden. Gas „oder etwas | |
Vergleichbares“ einzusetzen, sei auch nicht ratsam, würde doch dann | |
Russland des Einsatzes [2][chemischer Waffen] beschuldigt werden, sorgt er | |
sich um Russlands Image. Außerdem dürfe man nicht aus den „Nazis von Asow“ | |
posthum Helden machen. Russland habe mehr von einer Gefangennahme | |
ausländischer Kämpfer in dem Werk als von deren Tod. | |
## Schon von der Wehrmacht eingenommen | |
Asowstal hat eine lange Tradition. 1930 erbaut, wurde es im Zweiten | |
Weltkrieg während der Besatzung durch die Wehrmacht dem Krupp-Konzern | |
zugeschlagen, der es unter anderem auch zur Produktion von Granaten | |
einsetzte. Nach dem Abzug der deutschen Truppen lag das Werk in Trümmern. | |
Beim anschließenden Wiederaufbau wurden auch vier Stockwerke tiefe Bunker | |
in einem 24 Kilometer langen Labyrinth von Tunneln angelegt, die die | |
Arbeiter im Falle eines Atomkrieges schützen sollten. | |
Nach Angaben von Anton Geraschtschenko, einem Berater des ukrainischen | |
Innenministers, sind diese Schutzräume so ausgelegt, dass sie Bomben von | |
bis zu einer Tonne standhalten können. Allerdings plane die russische | |
Armee, stärkere Geschosse auf die Anlage abzuwerfen. „Fünf Tonnen schwere | |
Bomben werden die Stahlbetonplatten einfach zerbrechen, und dann werden all | |
die Menschen unter ihnen sterben“, so Geraschtschenko. | |
22 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Putins-Krieg-in-der-Ukraine/!5849711 | |
[2] /Chemiewaffen-in-der-Ukraine/!5848593 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Mariupol | |
Wladimir Putin | |
Völkerrecht | |
Ukraine | |
António Guterres | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die UNO und der Ukraine-Krieg: Der UNO bleibt nur eine Nebenrolle | |
Im Ukraine-Krieg können die UN nur wenig ausrichten. Das zeigte auch der | |
Moskau-Besuch von Generalsekretär Guterres. Seine nächste Station ist Kiew. | |
Solidaritätsbesuch in der Ukraine: US-Delegation in Kiew erwartet | |
Der Besuch unter anderem von Außenminister Blinken soll Solidarität mit der | |
Ukraine demonstrieren. Indes wurden in Mariupol neue Massengräber entdeckt. | |
+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Kiew bereit für Verhandlungen | |
Die Ukraine will mit Russland über das Stahlwerk in Mariupol verhandeln. | |
Die OSZE zeigt sich besorgt über Festnahmen von Beobachter:innen. | |
+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Raketenangriff auf Odessa | |
Fünf Menschen starben beim Beschuss der Hafenstadt. Altkanzler Schröder | |
will weiter vermitteln. Und der UN-Generalsekretär wird nach Kiew und | |
Moskau reisen. | |
Mehr russische Angriffe in Ost-Ukraine: Kampf um den Donbass | |
Die russische Offensive im Osten der Ukraine kommt nur schwer voran. | |
Russland stoppt zudem die Angriffe auf das Stahlwerk in Mariupol. | |
Putins Krieg in der Ukraine: Die Tragödie von Mariupol | |
Auf dem eingekesselten Fabrikgelände Asowstal setzt der Kommandeur der | |
ukrainischen Truppen einen verzweifelten Hilferuf ab. | |
Lage in Mariupol: Gemetzel mit Ansage | |
In der ukrainischen Stadt Mariupol nimmt eine Tragödie unaufhaltsam ihren | |
Lauf. Die Welt sieht zu – wohl nicht zum letzten Mal. |