# taz.de -- Putins Krieg in der Ukraine: Die Tragödie von Mariupol | |
> Auf dem eingekesselten Fabrikgelände Asowstal setzt der Kommandeur der | |
> ukrainischen Truppen einen verzweifelten Hilferuf ab. | |
Bild: Bild der Zerstörung: Eine Drohnen-Aufnahme aus der umkämpften Hafenstad… | |
BERLIN taz | Eine Tragödie gespenstischen Ausmaßes spielt sich in diesen | |
Minuten im Zentrum der ostukrainischen Metropole Mariupol ab. Während die | |
Stadt weitgehend von russischen Angreifern besetzt ist, halten sich am Tag | |
56 des Krieges auf dem Territorium der Fabrik Asowstal einige Hundert | |
ukrainische Militärs. Mehrfach haben sie „Angebote“ des russischen | |
Verteidigungsministeriums, sich zu ergeben, abgelehnt. | |
Verzweifelt wandte sich in der Nacht auf Mittwoch nun der Kommandeur der | |
auf dem Gelände ausharrenden ukrainischen Truppen, der 30-jährige Sergej | |
Wolyna, an die Weltöffentlichkeit. „Das ist vielleicht unser letzter | |
Aufruf“, so der Offizier in einem Video auf seiner Facebook-Seite. „Wir | |
haben möglicherweise die letzten Tage oder Stunden vor uns. Der Feind hat | |
uns in einer Überzahl von zehn zu eins eingekesselt. Wir wenden uns an die | |
Führer der Welt: Helfen Sie uns. Bringen Sie uns auf das Gebiet eines | |
dritten Staates.“ Neben den Militärs, so Wolyna, seien mehr als 500 | |
verwundete Soldaten, Hunderte von Zivilisten und Kinder auf dem Gelände. | |
Einen Tag zuvor hatte Wolyna Papst Franziskus in einem Brief um Hilfe | |
gebeten. | |
„Sie haben in Ihrem Leben wahrscheinlich schon viele Dinge gesehen“, heißt | |
es in dem Schreiben an den Papst, das das oppositionelle russische Portal | |
Meduza.io zitiert. „Aber ich bin sicher, dass Sie so etwas, was sich gerade | |
in Mariupol abspielt, noch nie gesehen haben. Denn so sieht die Hölle auf | |
Erden aus. […] Ich habe nicht genug Zeit, um all die Schrecken zu | |
beschreiben, die ich hier jeden Tag sehe. Es gibt Frauen mit Kindern, | |
Babys, die in Bunkern in der Fabrik leben. In Hunger und Kälte. Jeden Tag | |
im Fadenkreuz der feindlichen Flugzeuge. Jeden Tag sterben Verwundete, weil | |
es keine Medizin, kein Wasser, keine Nahrung gibt.“ | |
Für den heutigen Mittwoch ist erstmals seit Tagen wieder eine Evakuierung | |
geplant. 6.000 Menschen sollen, geschützt durch eine russisch-ukrainische | |
Absprache, den Ort verlassen dürfen. Dies berichtet der Bürgermeister von | |
Mariupol, Wadim Bojtschenko. 90 Busse seien für die Evakuierung | |
bereitgestellt worden, so Bojtschenko. Derzeit, so der Bürgermeister, seien | |
noch hunderttausend Bewohner von Mariupol in der Stadt verblieben. | |
Es sind vor allem tschetschenische Soldaten, die dem Chef der | |
Tschetschenischen Republik, Ramsan Kadyrow, unterstehen, die auf der | |
russischen Seite in Mariupol kämpfen. [1][Und die sind für ihre Brutalität | |
bekannt.] Man führe nun „Säuberungsaktionen“ auf dem Gelände der Fabrik | |
durch, heißt es auf dem Telegram-Kanal des tschetschenischen Diktators | |
Ramsan Kadyrow. Tschetschenische Kämpfer würden jeden Quadratmeter des | |
Geländes durchkämmen. | |
## Furchtbare Kämpfe in Popasna und Solote | |
Die Tragödie, die sich derzeit in Mariupol abspielt, scheint sich auch an | |
anderen Orten im Donbass zu ereignen. In der Nacht auf Dienstag hatten die | |
russischen Truppen den lange befürchteten Angriff auf den Donbass begonnen. | |
„Es ist die Hölle. Die Offensive, über die wir seit Wochen sprechen, hat | |
begonnen“, hatte Serhiy Gaidai, Chef der Militärverwaltung der Region | |
Luhansk, in der selben Nacht auf seiner Facebook-Seite berichtet. „In | |
Rubischne und Popasna wird gekämpft, in anderen bisher friedlichen | |
Siedlungen gibt es ständige Kämpfe“, schrieb er. Gleichzeitig rief er die | |
Bewohner der Region Luhansk auf, sich sofort evakuieren zu lassen. „Es | |
bleibt keine Zeit zum Nachdenken. Jetzt muss man sich schnell entscheiden“, | |
so Gaidai. | |
Auch am Mittwoch hatte es in Popasna und Solote furchtbare Kämpfe gegeben. | |
Seit zwei Monaten schon, so Gaidai, seien diese Ort das Ziel von Angriffen. | |
Inzwischen sei in Popasna die Strom-, Wasser- und Gasversorgung weitgehend | |
zerstört, so Gaidai. | |
Unterdessen berichten ukrainische Medien von Konflikten unter Separatisten | |
und russischen Besatzern. Nach einem Bericht der ukrainischen Wochenzeitung | |
Dserkalo Tyschnja hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB den | |
„Innenminister“ der „Volksrepublik“ Luhansk, Igor Kornet, festgenommen. | |
20 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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