Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kampf gegen Antisemitismus: Pass nur mit Israel-Bekenntnis?
> Sachsen-Anhalt will bei Einbürgerungen ein Bekenntnis zu Israel
> einfordern. Jurist:innen befürchten rechtswidrige Eingriffe in die
> Grundrechte.
Bild: Bei Täuschung sei eine „Rücknahme der Einbürgerung“ möglich, sagt…
Berlin taz | Der Plan kann als eine Reaktion auf den 7. Oktober gelten, auf
den Terror der Hamas und den seither wachsenden Antisemitismus in
Deutschland: Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt fordert bei
Einbürgerungen ein schriftliches Bekenntnis, in dem „jegliche gegen die
Existenz des Staates Israel gerichteten Bestrebungen“ verurteilt werden.
Mit einem Nachprüfungsrecht: „Eine arglistige Täuschung der
Einbürgerungsbehörde, die zu einer rechtswidrigen Einbürgerung führt, kann
die Rücknahme der Einbürgerung zur Folge haben“, erläutert Innenministerin
Tamara Zieschang (CDU).
Das Bundesland ist damit Vorreiter. Doch schießt es womöglich übers Ziel
hinaus?
Antworten auf diese Frage gibt ein der taz vorliegendes bisher
unveröffentlichtes Arbeitspapier von 14 prominenten Jurist:innen mit dem
etwas sperrigen Titel „Die Implementation der IHRA-Arbeitsdefinition ins
deutsche Recht – eine rechtliche Beurteilung“. Verfasst worden ist das
Papier mit Blick auf die Nationale Strategie der Bundesregierung gegen
Antisemitismus und für jüdisches Leben. Unterzeichner sind unter anderem
der Hamburger Rechtsprofessor Ralf Michaels, seine Münsteraner Kollegin
Nora Markard, Maximilian Steinbeis vom Verfassungsblog sowie der frühere
Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag.
Die Arbeitsdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken
(IHRA) ins deutsche Recht zu übernehmen nennen die Autor:innen aus
mehreren Gründen problematisch. Von „weitreichenden verfassungsrechtlichen
Verwerfungen“ ist die Rede, von „ganz unvorhersehbaren“ Folgen für die
Behördenpraxis sowie erwartbaren Verstößen gegen das Recht auf freie
Meinungsäußerung.
## Einbürgerung auf Bewährung?
Auch Vorhaben wie jetzt das in Sachsen-Anhalt gelten im Kreis der
Unterzeichner:innen als heikel: Das dort künftig bei der Einbürgerung
geforderte Bekenntnis zu Israel steht demnach „in der Regel im Widerspruch
zur negativen Meinungsfreiheit – der Freiheit, eine spezifische Meinung
nicht zu äußern“. Ein Autor des Papiers, der namentlich nicht zitiert
werden will, sagt, die Unschärfe mache es möglich, die Einbürgerung immer
unter Vorbehalt zu belassen, „immer auf Bewährung und unter Überwachung,
man muss sich immer extra anstrengen, um keinen Verdacht und keinen Anstoß
zu erregen“. Die in Sachsen-Anhalt geplante Praxis sei damit „zutiefst
illiberal“.
Nach dem 7. Oktober gibt es weitreichendere Forderungen, Kritik an Israel
als antisemitisch einzustufen. „Israel ist das Bollwerk der westlichen Welt
gegen den Fanatismus“, sagte der [1][Präsident des Zentralrats der Juden,
Josef Schuster], am vorvergangenen Sonntag bei der Kundgebung „Nie wieder
ist jetzt“ in Berlin: Wer Israel daran erinnere, dass es sich an die
universellen Gebote der Menschlichkeit zu halten habe, suggeriere, dies sei
nötig, und leiste damit „den Verächtern Israels, den Judenhassern in aller
Welt Vorschub“.
Als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Anfang November drohte,
Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft bei Antisemitismus den deutschen
Pass abzunehmen, bekam er Beifall von Charlotte Knobloch, der Präsidentin
der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: Söders Vorschlag
sei „gut, hier nimmt ein Politiker seine Verantwortung wahr“, [2][sagte sie
dem Tagesspiegel].
Der Kasseler Rechtsprofessor [3][Andreas Fischer-Lescano], der das
Arbeitspapier der 14 Jurist:innen ebenfalls unterzeichnet hat, sagt der
taz mit Blick auf die Pläne in Sachsen-Anhalt, aber auch beispielsweise die
Forderung Söders: „Die Warnung aus unserer Stellungnahme gilt auch für all
diese Regelungsvorschläge. Sie beinhalten massive und in der Regel
offensichtlich rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte.“
Das geforderte Bekenntnis zu Israel sei zu unspezifisch, sagt er weiter:
„Was ist berechtigte Staatskritik und was eine sich gegen das Existenzrecht
Israels richtende Bestrebung? Wie soll man die Authentizität eines inneren
Bekenntnisses kontrollieren?“ Fischer-Lescano äußert einen Verdacht: Die
Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland verkomme „in bestimmten
Kreisen zu einer Chiffre für antiislamischen Rassismus“.
18 Dec 2023
## LINKS
[1] /Zentralratspraesident-ueber-Antisemitismus/!5974202
[2] https://www.tagesspiegel.de/politik/charlotte-knobloch-im-interview-1074930…
[3] /Staatsrechtler-ueber-AfD-Richter-Maier/!5828242
## AUTOREN
Matthias Meisner
## TAGS
Antisemitismus
Einbürgerung
Grundrechte
GNS
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Innenministerkonferenz
Antisemitismus
Antisemitismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Razzia bei der Zora in Berlin: Polizei bläst zum Berliner Herbst
In Berlin durchsucht die Polizei Räume einer propalästinensischen Gruppe –
wegen eines Instagram-Posts. Die Repression erreicht damit neue Ausmaße.
Die deutsche Linke und Israel: Nie wieder Staatsräson
Können deutsche Linke eigentlich noch guten Gewissens hinter Israel stehen?
Ja, können sie. Aber nicht, weil Deutschland das so will.
Antisemitismus an Hochschulen: „Solidarität alleine reicht nicht“
Antisemitische Vorfälle häufen sich an den Unis, warnt
Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger. Sie fordert klare Kante – zur Not
mit Hausverbot.
Innenministerkonferenz zur Nahostdebatte: „Bollwerk gegen Antisemitismus“?
Die Innenministerkonferenz widmet sich dem Kampf gegen Judenhass und
diskutiert Gesetzesverschärfungen. Innenministerin Faeser ist hierfür
offen.
Zentralratspräsident über Antisemitismus: „Erkenne dieses Land nicht wieder…
Wie können Jüd:innen nach dem 7. Oktober besser in Deutschland geschützt
werden? Ein Gespräch mit Josef Schuster vor der Innenministerkonferenz.
Antisemitismus in Deutschland: Der Hass reißt nicht ab
Seit dem Hamas-Terror steigt die Zahl antisemitischer Straftaten rasant.
Auch an Hochschulen gibt es Vorfälle. Polizei und Verbände sind alarmiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.