| # taz.de -- Justizposse in Osnabrück: Ein ganz schlimmer Finger vor dem Landge… | |
| > Ein Mittelfinger, eine „Gurke“: Polizisten fühlten sich von Demo-Anmelder | |
| > Roman R. beleidigt. Nun verhandelt das Landgericht Osnabrück darüber. | |
| Bild: Der Tag des „Gurken“-Vorfalls im Juni 2024: Demo für den Erhalt des … | |
| Osnabrück taz | Zuweilen treibt die Rechtsprechung absurde Blüten. Einer, | |
| der davon erzählen kann, ist Roman R.* aus Osnabrück. Am 22. April tritt er | |
| im Landgericht Osnabrück zu einer Berufungsverhandlung an, die zwei | |
| amtsgerichtliche Beleidigungs-Strafverfahren gegen ihn bündelt. | |
| R. soll 40 Tagessätze zu 30 Euro zahlen, weil er Mitte 2024 als Zuschauer | |
| einer Gerichtsverhandlung, in der es um das Zeigen eines Mittelfingers | |
| gegen zwei Polizisten ging, auf dem Gerichtsflur diesen Polizisten | |
| gegenüber seinerseits den Mittelfinger gezeigt haben soll. | |
| „Ich habe meine Brille hochgeschoben“, sagt R. kopfschüttelnd der taz. | |
| „Unbewusst wohl mit dem Mittelfinger, wie ich es manchmal tue, als | |
| Automatismus.“ So sagt er es auch vor Gericht. Dessen Urteil wertet das | |
| als „lebensfremd“ und als „Schutzbehauptung“. | |
| Weitere 30 Tagessätze zu 30 Euro soll R. zahlen, weil er als Anmelder einer | |
| Tanzdemo, die sich Mitte 2024 gegen die Entmietung des selbstverwalteten | |
| Osnabrücker Zentrums SubstAnZ richtete, Polizisten als „Gurken“ bezeichnet | |
| haben soll. | |
| „Die Demo formierte sich“, erinnert sich R. an den Tag. „Das | |
| Einsatzleitfahrzeug der Polizei wollte an ihr vorbei zur Spitze des Zuges. | |
| Damit das niemanden gefährdet, habe ich den Teilnehmern zugerufen: ‚Lasst | |
| die Gurke mal durch!‘. Damit war das Fahrzeug gemeint.“ | |
| R. ist kein Hitzkopf. Der Student ist ein erfahrener Demo-Leiter. Beide | |
| Amtsgerichts-Urteile wertet er als „Versuch, Menschen, die sich | |
| engagieren, durch Herbeikonstruiertes mit Repressalien zu überziehen, | |
| damit sie ihr Engagement einstellen“. | |
| Zum Brillen-Fall schreibt der Verteidiger von R. im Herbst 2024 an die | |
| Staatsanwaltschaft: „Die Beamten scheinen sich hier einen Spaß daraus zu | |
| machen, bei jeder Gelegenheit Strafanträge wegen angeblicher Beleidigung | |
| zu stellen.“ Und: Die gesamte Akte sei „geprägt von einer deutlichen | |
| Abneigung gegen die – wie es anklingt – linksmotivierte Szene“. | |
| Im Urteil des Amtsgerichts zum Gurken-Fall ist davon die Rede, der | |
| Angeklagte nehme zur Wahrung seines Grundrechts auf Versammlungsfreiheit | |
| „gerne die Dienste der Polizei in Anspruch“, habe aber dieser gegenüber | |
| „nur eine geringschätzige Meinung“. R. sagt zur Demo-Situation: „Die Leu… | |
| haben getanzt. Eine Eskalation wollten wir nicht.“ | |
| Das Geschehen um die SubstAnZ-Demo, 300 bis 400 Personen stark, ist auch | |
| jenseits der Gurken-Problematik skurril. Denn der Einsatzleiter der | |
| Polizei, laut R. „überfordert und aggressiv“, sodass „eine sachliche | |
| Kommunikation kaum möglich war“, meldete danach Ordnungswidrigkeit auf | |
| Ordnungswidrigkeit. | |
| ## Lautsprecherwagen folgte der Polizei – in die Fugängerzone | |
| Nummer 1: Der Lautsprecherwagen der Demo, von dem Techno-Musik lief, sei | |
| unerlaubt durch eine Fußgängerzone gefahren. „Dabei hat die Polizei uns | |
| selber die Poller entfernt“, sagt R. „Das Einsatzleitfahrzeug fuhr vor. | |
| Und wir hatten die strikte Auflage, ihm mit unserem Wagen in zehn Metern | |
| Abstand zu folgen.“ | |
| Nummer 2: Die OrdnerInnen der Demo seien betrunken gewesen. „Das ist | |
| Unsinn“, empört sich R. „Das wurde auch während der Demo nie durch die | |
| Polizei angesprochen.“ | |
| Nummer 3: Auf einer zweispurigen Ringstraße soll die Demo nur eine Spur | |
| bekommen, sodass Verkehr sie von hinten überholt. R., der das zu gefährlich | |
| findet, interveniert beim Staatsschutz, woraufhin die Demo zweispurig | |
| laufen darf. Später kritisiert der Einsatzleiter diese Zweispurigkeit. | |
| Alle Ordnungswidrigkeitsverfahren verlaufen später im Sande. Aber R. fühlt | |
| sich dadurch unter Druck gesetzt. | |
| Und dann ist da noch die Androhung des Einsatzleiters, die Demo durch | |
| Kräfte der Einsatzhundertschaft auflösen zu lassen, weil der | |
| Lautsprecherwagen wegen einer Technikpanne kurz anhält. „Das waren | |
| wirklich nur ein paar Minuten“, sagt R. „In einer verkehrsberuhigten Zone.�… | |
| Die Hundertschaftler seien gekommen, aber untätig geblieben. Kurz darauf, | |
| während die Demo offiziell noch lief, sei die Polizei dann plötzlich | |
| verschwunden: „Die Einsatzleitung war weg, die verkehrssichernde | |
| Fahrradpolizei, am Ende auch der Staatsschutz“, wundert sich R.. „Das war | |
| alles höchst seltsam.“ | |
| Ihr Verfolgungsinteresse will die Staatsanwaltschaft nicht begründen, | |
| verweist auf den Sprecher des Landgerichts. Der Vorsitzende Richter | |
| Christoph Willinghöfer schreibt der taz, er könne „keine Auskünfte zu der | |
| Motivation der Anklageerhebung sowie dem erstinstanzlichen Urteil geben“. | |
| *Der Nachname ist der Redaktion bekannt | |
| 14 Apr 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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