| # taz.de -- Justizposse in Osnabrück: Freispruch in Sachen „Gurke“ | |
| > Der Organisator einer linken Demo, Roman R., wehrt sich juristisch gegen | |
| > zwei Strafurteile wegen Polizisten-Beleidigung. In einem der beiden Fälle | |
| > hat er Erfolg. | |
| Bild: Gurke, Polizist oder Einsatzfahrzeug? Miezi ist sich da auch nicht ganz s… | |
| Osnabrück taz | Roman R.* weiß, wie es sich es anfühlt, vor Gericht zu | |
| unterliegen. Zwei amtsgerichtliche Strafrechtsurteile waren gegen den | |
| Osnabrücker ergangen. Beide Male hatten Polizisten ihn angezeigt. Beide | |
| Male hatte die Staatsanwaltschaft Handlungsbedarf gesehen – und mit Kanonen | |
| auf Spatzen geschossen. Das wollte R. nicht auf sich sitzen lassen – und er | |
| wehrte sich. | |
| Mitte 2024 hatte R. sich als Zuschauer einer Gerichtsverhandlung im | |
| Vorbeigehen an mehreren Polizisten mit dem Mittelfinger die Brille | |
| hochgeschoben: 40 Tagessätze Geldstrafe zu 30 Euro. Ebenfalls Mitte 2024 | |
| soll er als Anmelder einer linken Demo Polizisten als „Gurken“ bezeichnet | |
| haben: 30 Tagessätze zu 30 Euro. Den Mittelfinger erklärt er als | |
| unabsichtlich, als unbemerkt. Statt „Gurken“ habe er „Gurke“ gesagt, | |
| bezogen auf ein Polizeifahrzeug, das durch die Demo fuhr. | |
| R. [1][geht in Berufung], vor das Landgericht Osnabrück. Das zieht beide | |
| Verfahren zusammen und investiert zwei Verhandlungstage. R. bringt sich | |
| intensiv ein, fragt und hinterfragt, spürt Logikbrüchen nach, ficht gegen | |
| das, was er als „Framing der Polizei“ empfindet. Ruhig tut er das, | |
| sachlich. So treten auch seine Entlastungszeugen auf. | |
| Teils nimmt die Beweisaufnahme skurrile Züge an. „Um zu beweisen, dass ihr | |
| Einsatzfahrzeug zu modern ist, um als Gurke bezeichnet werden zu können, | |
| ich also Personen gemeint und deshalb den Plural verwendet haben muss“, | |
| habe die Polizei „Fotos vom Auto mitgebracht“, schüttelt R. den Kopf. | |
| Am Dienstagnachmittag fällt das Urteil. Es umfasst eine Niederlage für die | |
| Polizei und die Staatsanwältin, die R. in ihrem Schlussplädoyer vorgeworfen | |
| hatte, von ihm gehe „Feindseligkeit“ aus: Freispruch in Sachen | |
| „[2][Gurken]“. Das sei selbst dann nicht strafbar, „wenn es sich so | |
| abgespielt hätte wie von der Polizei geschildert“, sagt die Strafkammer. | |
| Ein „strafwürdiger und strafbedürftiger Ehrangriff“ liege nicht vor. Das | |
| Mittelfinger-Urteil ließ die Kammer allerdings bestehen. | |
| R. bezeichnet das Urteil als „Teil-Triumph“: „Es zeigt, dass es sich lohn… | |
| sich zu wehren“, sagt er der taz. Ob er wegen des Mittelfingers | |
| weiterficht, vor dem Oberlandesgericht Oldenburg, weiß er noch nicht. Die | |
| „Feindseligkeit“ der Staatsanwältin bezeichnet R. als „politisch | |
| motivierten Begriff“. | |
| Am ersten Verhandlungstag der Berufung, Ende April, hatte der halbe Saal | |
| voller Polizei gesessen. „Die starke Polizeipräsenz unter den Zuschauern | |
| hat auf mich wie eine Einschüchterung gewirkt“, sagt Julian*, eine mit R. | |
| „solidarische Person“ der taz. Die beiden als Zeugen geladenen Polizisten | |
| seien „angespannt, patzig und konfrontativ“ gewesen. | |
| „Ein Polizist hat gegenüber dem Beschuldigten den [3][Mittelfinger] gezeigt | |
| und ihm eine dämliche Kusshand zugeworfen“, erzählt Ella*, eine weitere mit | |
| R. „solidarische Person“, die bei der Verhandlung dabei war. „Da ist mir | |
| alles aus dem Gesicht gefallen.“ Das Verhalten der als Zeugen und Zuschauer | |
| anwesenden Polizisten bezeichnet sie als „anmaßend und unhöflich“, als | |
| „ziemliche Shitshow“: „Einer von ihnen hat sich mit seinem Stuhl so breit | |
| gemacht, dass ein Entlastungszeuge nicht an ihm vorbeikam.“ | |
| ## Sympathisanten füllen den Gerichtssaal | |
| Am Dienstag, dem zweiten Verhandlungstag im Berufungsverfahren, ist davon | |
| nichts zu spüren. Nur ein einziger Polizist ist da, als Zeuge. Saal 1 ist | |
| trotzdem überfüllt – Dutzende Sympathisanten erleben den Teil-Freispruch | |
| von R. mit. Viele kommen früh, warten dicht vor der Tür. Man rechnet | |
| offenbar damit, dass wieder viel Polizei auftaucht; Einlass ist nach | |
| Ankunftsreihenfolge. | |
| Das gilt auch für die Presse. Der Vorsitzende Richter des Verfahrens habe | |
| „keine gesonderte Platzzuweisung verfügt“, teilt Christoph Willinghöfer, | |
| der Sprecher des Gerichts, der taz mit. Da hilft nur: langes Warten vor dem | |
| Saal. | |
| Sympathisantin Ella* hatte die Bestätigung der doppelten Verurteilung | |
| befürchtet: „Als linke AktivistInnen sind wir Repressionen ja gewöhnt.“ | |
| Ihre Skepsis hat sich dieses Mal nicht bewahrheitet. Julian* hatte gehofft, | |
| „dass sich in der Berufung irgendwann der gesunde Menschenverstand | |
| durchsetzt“. Sein Optimismus war nicht umsonst. | |
| Die Frage ist nun: Wie wirkt sich der „Gurken“-Freispruch auf kommende | |
| Demos vor Ort aus? Hat R. es nächstes Mal als Organisator leichter? | |
| Schwerer? Man wird sehen. | |
| * Namen geändert | |
| 15 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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