# taz.de -- Prozess wegen Beleidigung der Polizei: Wir Nazi-Enkelkinder | |
> Ein Polizeibeamter wurde „Nazi-Enkel“ genannt: Der Prozess wegen | |
> Beleidigung wirft Fragen um Kollektivbeleidigung und individuelle | |
> Verantwortung auf. | |
Bild: Das Gebäude des Amtsgerichts Tiergarten heißt Kriminalgericht Moabit �… | |
Schau auf unsere Nazi-Großeltern, wohin uns das gebracht hat“, will Lena K. | |
letzten April zu einem Polizeibeamten am Rande eines Protestcamps vor dem | |
Bundestag gesagt haben. Dann nennt sie ihn einen kleinen Nazi-Enkel, dafür | |
wurde ihr am Donnerstag der Prozess gemacht. | |
Der Saal im Amtsgericht Tiergarten ist schon halb gefüllt mit mehreren | |
Kursen Jurastudierender im Referendariat, als die rund 20 | |
Familienangehörige, Freund*innen und Bekannte der Angeklagten dazukommen. | |
Der Richter entschuldigt sich ob der Enge, er habe nicht mit so viel | |
Interesse gerechnet. Vor aufmerksamem Publikum erklärt Lena K. dann, dass | |
sie auf die deutsche Vergangenheit und rassistische Kontinuitäten hinweisen | |
wollte, anstatt den Polizeibeamten persönlich zu beleidigen. | |
Ihre Aussage sei als Reaktion auf seine Aufforderung an eine mit Akzent | |
sprechende Frau zu verstehen, sie solle doch Deutsch sprechen. Faktisch ist | |
Deutschland das Land der Nazi-Kinder, Nazi-Enkelkinder, Nazi-Urenkelkinder | |
– und der Eingewanderten mit ihren Kindern und Enkeln. Ob man das dann | |
Kollektivschuld nennt oder nicht, es bleibt [1][eine Verantwortung.] | |
Die Rechtsprechung zu Beleidigungen balanciert immer zwischen der | |
Meinungsfreiheit der beleidigenden Person und der Ehre der Beleidigten. | |
Sowohl Ehre als auch Meinungsfreiheit sind dem deutschen Grundgesetz sehr | |
wichtig, daher ist feines Abwägen erfordert. | |
## Beamtenbeleidigung ist kein Straftatbestand | |
Auch wenn sich im Alltagsgebrauch der Begriff der Beamtenbeleidigung | |
durchgesetzt hat, macht das deutsche Gesetz keinen Unterschied zwischen der | |
Ehre von Polizist*innen und der Ehre normaler Bürger*innen. Auch die | |
Kriterien für Kollektivbeleidigungen sind nicht sofort erreicht: Das | |
[2][Kürzel ACAB] („All Cops are Bastards“, also „Alle Polizisten sind | |
Bastarde“) darf zum Beispiel als Slogan zur Schau gestellt werden, | |
allerdings nicht an einzelne Beamten gerichtet werden. | |
Und auch die Aussage, dass [3][alle Soldaten Mörder seien], ist keine | |
strafbare Beleidigung, solange nicht eine konkrete Gruppe adressiert wird, | |
etwa aktive Bundeswehr-Soldat*innen. Ob der adressierte Polizeibeamte | |
tatsächlich Vorfahren nationalsozialistischer Gesinnung hat oder nicht, ist | |
dabei für seine Ehre gar nicht so wichtig: Man kann auch mit Wahrheit | |
beleidigen. | |
Nach einer guten Stunde stellt der Richter das Verfahren im Einvernehmen | |
mit Verteidigung, Anklage und Angeklagter vorläufig ein. Die Auflage ist | |
eine Geldzahlung in Höhe von 450 Euro. Das Geld muss Lena K. nun innerhalb | |
von sechs Monaten überweisen, als Zahlungsempfänger wurde mit dem Richter | |
[4][Pro Asyl] vereinbart. Der Verein setzt sich für den Schutz und die | |
Reche von Geflüchteten und Migrant*innen ein. Das ist in einem Land der | |
Nazi-Kinder, Nazi-Enkel und Nazi-Urenkelkinder ja eine gute Idee. | |
13 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Marie Gönnenwein | |
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