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# taz.de -- Jugendmigration in die USA: Die Kinder fliehen aus Angst
> Die Regierungen Lateinamerikas wollen minderjährige Flüchtlinge mit
> Werbekampagnen aufhalten. Gegen die Ursachen aber unternehmen sie nichts.
Bild: Aufgegriffen: Kinder unterwegs nach Norden an der Grenze zwischen Hondura…
SAN SALVADOR taz | Der zehn Jahre alte David Orellana wurde am vergangenen
Wochenende in El Limón begraben. Seine Leiche war am Freitag gegen 17 Uhr
ganz in der Nähe des kleinen Weilers im Norden El Salvadors gefunden
worden. Er war in der Schule im nächsten Dorf gewesen und danach nicht ins
Haus seiner Großmutter zurückgekommen. Nachbarn hatten nach ihm gesucht und
fanden seine zerstückelte Leiche, ganz nahe bei seinem Schulweg. So ein
Verbrechen verstört die Salvadorianer nur ein paar Tage, dann wird es vom
nächsten grausamen überboten.
Die Eltern des Jungen leben in den USA – nur zwei von den über zwei
Millionen papierlosen Salvadorianern, die dort ihr Geld verdienen und einen
Teil davon nach Hause überweisen. Vor einem Jahr sollte David nachgeholt
werden. Aber er wollte lieber bei der Großmutter bleiben, und so wurde
seine ältere Schwester alleine von Schleppern zu ihren Eltern gebracht. Sie
hatte Glück. Allein in den vergangenen acht Monaten haben die Grenzbehörden
der USA über 50.000 illegal eingewanderte Minderjährige aus Mexiko,
Honduras, Guatemala und El Salvador aufgegriffen. Sie flohen vor Armut, vor
Chancenlosigkeit und vor zunehmender Gewalt.
Seit in El Salvador ein Waffenstillstand zwischen den beiden großen
Verbänden der „Maras“ genannten Jugendbanden zusammengebrochen ist, werben
die wieder verstärkt neue Mitglieder an und haben es dabei vor allem auf
Kinder abgesehen. Vor dem Eintritt in so eine kriminelle Gang wird als
Mutprobe oft der Mord an einem Familienangehörigen verlangt. Viele Kinder
weigern sich – und werden dann selbst Opfer. Allein in El Salvador gibt es
rund 60.000 Mitglieder solcher Banden, in Honduras und Guatemala sind sie
ähnlich stark.
„Es schmerzt mir in der Seele, wenn ich sehe, welchen Risiken Mütter ihre
Kinder aussetzen“, sagte Rosa Leal, die Gattin des guatemaltekischen
Präsidenten Otto Pérez Molina, in der vergangenen Woche. „Wir werden alles
tun, um die illegale Migration von Kindern aufzuhalten.“ Doch mehr als eine
Werbekampagne hat sie nicht eröffnet. Ähnliche Programme folgten in
Honduras und El Salvador. Doch die Ursachen bleiben.
## 4.000 Dollar Reisekosten für ein Kind
Allein im vergangenen Jahr zählten die Behörden in diesen drei Ländern
15.328 Morde. Über 90 Prozent davon blieben ungesühnt. Und die Kriminalität
nimmt weiter zu. Seit See- und Luftwege fast lückenlos überwacht sind,
werden 95 Prozent des Kokains für den US-Markt über Land durch
Zentralamerika geschleust. Der mexikanische Drogenkrieg schwappt in den
Süden. Viele Maras arbeiten für große Kartelle.
Wenn Kinder und auch Erwachsene heute El Salvador, Honduras oder Guatemala
illegal in Richtung Norden verlassen, steckt öfter reine Angst dahinter als
der Traum von einem besseren Leben. Die Uno Flüchtlingsbehörde UNHCR hat
2012 aus diesen drei Ländern 17.129 Flüchtlinge registriert. Die meisten
seien vor Morddrohungen geflohen. 3.725 stellten in Nachbarländern oder in
den USA einen Antrag auf Asyl. Flüchtlingslager aber, wie sie das UNHCR bis
Anfang der 1990er Jahre wegen der zentralamerikanischen Bürgerkriege
unterhalten hat, gibt es nicht mehr.
Lange wurden Minderjährige, die ihren Angehörigen nachreisten und an der
Grenze aufgegriffen worden, von den US-Behörden nach einem kurzen Verhör
ihren Eltern überstellt. Wegen dieses nahezu risikolosen Verfahrens haben
die Schlepper ihre Preise gesenkt: Einen Erwachsenen von El Salvador in die
USA zu bringen, kostet rund 7.000 US-Dollar. Für Kinder bezahlt man nur
noch 4.000 Dollar. Auch das hat die Zahl der minderjährigen Migranten
steigen lassen. Neuerdings werden aufgegriffene Kinder und Jugendliche von
den US-Behörden nicht mehr an die Eltern überstellt, sondern kommen in
Sammellager und sollen in ihre Heimatländer abgeschoben werden.
In El Salvador werden seit einer guten Woche die Grenzen stärker überwacht,
um die Flüchtlinge im eigenen Land aufzuhalten. „Wir wollen verhindern,
dass Schlepper das Leben von Kindern aufs Spiel setzen“, sagt Außenminister
Hugo Martínez. David Orellana wurde ermordet, weil er gerade nicht in den
Norden gehen wollte.
18 Jul 2014
## AUTOREN
Cecibel Romero
## TAGS
USA
Migration
Kinder
Jugendliche
El Salvador
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Flüchtlinge
Flucht
USA
USA
USA
USA
Kinderrechte
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