# taz.de -- Italienische Politikerin Giorgia Meloni: Die Postfaschistin | |
> Giorgia Meloni könnte bald Ministerpräsidentin Italiens werden. In einer | |
> Videobotschaft wendet sich die Rechtsnationale versöhnlich an die EU. | |
Bild: Meloni (Mitte) mit ihren Verbündeten Matteo Salvini und Silvio Berlusconi | |
Sprachen kann sie. Gleich in drei Videos – auf Englisch, Französisch und | |
Spanisch – meldete [1][Giorgia Meloni] sich jetzt zu Wort, um ausländischen | |
Ängsten und Befürchtungen vor ihrem allseits erwarteten Sieg bei den | |
italienischen Parlamentswahlen am 25. September entgegenzuwirken. | |
Schließlich greift da nicht irgendwer nach der Macht, sondern die Chefin | |
der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens), | |
eines nationalistischen, migrantenfeindlichen, homophoben Vereins, der im | |
Parteiwappen immer noch die fiamma tricolore führt, die Flamme in den | |
Farben der italienischen Trikolore, seit 1946 das Symbol der Neofaschisten | |
im Land. | |
Dennoch kann die polyglotte 45-jährige Römerin sich nur wundern über die | |
Furcht im Ausland. Die internationale Presse, beschwert sie sich zu Beginn | |
ihres Videos, habe tagelang Artikel geliefert, „in denen ich als Gefahr für | |
die Demokratie, für die italienische, die europäische, die internationale | |
Stabilität beschrieben werde“. Und sie übernimmt es gleich auch noch, die | |
Gefahr zu konkretisieren. Ihr Wahlsieg, so die Auslandspresse, wäre ein | |
„Desaster, das zu einer autoritären Wende, zu Italiens Austritt aus dem | |
Euro und zu weiterem Nonsens der gleichen Sorte führen soll“. | |
Hinter solchem Nonsens können – und hier gibt Meloni die bei der radikalen | |
Rechten weltweit beliebte Opferrolle – nur „die mächtigen Medien der | |
Linken, die in Italien sehr stark sind“, stehen: ein Medienkartell, das | |
nach dieser Lesart die in Rom tätigen, anscheinend nicht besonders hellen | |
Auslandskorrespondent*innen am Nasenring durch die Manege führt. | |
## Nervöse Finanzmärkte | |
Doch die ehrgeizige FdI-Chefin weiß nur zu gut, dass zu jammern nicht | |
reicht, um Sorgen jenseits der italienischen Grenzen zu zerstreuen. Gewiss, | |
in Italien darf ihre Partei auf etwa 25 Prozent der Stimmen hoffen, kann | |
die Allianz der [2][Rechtsparteien] mit 46 Prozent und damit der klaren | |
Mehrheit der Parlamentssitze rechnen, ohne dass deshalb im Land echte Panik | |
ausgebrochen wäre. | |
Wie aber werden Brüssel, Paris, Berlin oder Washington reagieren, wenn am | |
26. September Meloni tatsächlich als Regierungschefin in Rom feststehen | |
sollte, wie auch die Finanzmärkte, die eh schon immer nervös nach Italien | |
blicken? Für sie ist es mit Abwinken nicht getan, für sie müssen echte | |
Dementis her. Und Meloni liefert: „Die italienische Rechte hat den | |
Faschismus der Geschichte überantwortet und völlig eindeutig die | |
Unterdrückung der Demokratie sowie die schändlichen antijüdischen Gesetze | |
verurteilt“, erklärt sie kategorisch. | |
Doch auch zur Gegenwart hat sie einiges zu sagen. Ihre Partei FdI sei „eine | |
Bastion der Freiheit und der Verteidigung der westlichen Werte, die | |
Zugehörigkeit zum westlichen Lager sei „kristallklar“, beginnend beim | |
Ukrainekrieg. FdI habe „Russlands brutale Aggression ohne Wenn und Aber | |
verurteilt“; mehr noch, die Partei habe aus der Opposition heraus die | |
Regierung unter Mario Draghi auf diesem Feld immer ohne Vorbehalt | |
unterstützt. | |
Auch Europa, so Meloni, hat schlicht gar nichts zu befürchten, angefangen | |
bei der ordnungsgemäßen Verwendung der 190 Milliarden Euro, die gerade im | |
Rahmen des Coronawiederaufbauprogramms nach Italien fließen. Ein „absurdes | |
Narrativ“ sei es, wenn jetzt behauptet werde, eine Rechtsregierung werde | |
die Next-generation-EU in Gefahr bringen. | |
## Kein böses Wort über Mussolini | |
Alles also muss sich ändern, wenn endlich die Rechte gewinnt, doch alles | |
wird dann so bleiben, wie es ist – dies scheint, ganz auf den Spuren des | |
Romans „Der Leopard“, Melonis beruhigende Botschaft zu sein. Ein paar | |
Leerstellen bleiben dann aber doch. Darf man ihr glauben, ist der | |
Faschismus Vergangenheit. Doch wie immer in den letzten Jahren schafft sie | |
es einfach nicht, auch nur ein böses Wort über den von der Parteibasis | |
weiterhin geliebten Benito Mussolini zu verlieren, kein Wort auch hat sie | |
dafür übrig, dass auf Parteiveranstaltungen sich immer wieder Arme zum | |
Römischen Gruß recken. | |
Einige konkretere Antworten hätte man sich auch zur EU gewünscht. Noch im | |
Europaparlamentswahlkampf 2019 hatte FdI recht raue Töne angeschlagen, die | |
EU als „von Bürokraten und Technokraten regierte supranationale Entität“, | |
als „Spielplatz Frankreichs und Deutschlands“ verortet und das Vorrecht des | |
nationalen gegenüber dem europäischen Recht gefordert. | |
Akkurat die gleiche Forderung erheben [3][Orbáns Ungarn] und Kaczyńskis | |
Polen. Und wenn Meloni blauäugig erklärt, sie sei Chefin der europäischen | |
Konservativen, vergisst sie hinzuzufügen, dass dort die PiS aus Polen die | |
stärkste Partei ist, dass dort auch die rechtsradikale VOX aus Spanien ihre | |
Heimstatt hat. Von VOX redet sie in ihrer Videobotschaft gar nicht – wohl | |
aber von Trumps US-Republikanern, mit denen FdI „Werte und Erfahrungen“ | |
teile. Fraglich, ob das die Gemüter in Europas Hauptstädten wirklich | |
beruhigt. | |
12 Aug 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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