# taz.de -- Israel vor der Wahl: „Bibi“ im Annexionsmodus | |
> Benjamin Netanjahu stößt mit seinem Plan, Teile der Westbank zu | |
> annektieren, international auf Kritik. Doch was für ihn zählt, sind | |
> Wählerstimmen. | |
Bild: Brachte gleich eine Karte mit: Netanjahu am Dienstag als er seinen Plan v… | |
JERUSALEM taz | Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Israel ringt | |
Regierungschef Benjamin Netanjahu um Wählerstimmen im rechten Lager – und | |
stößt damit international auf Kritik. Sollte er am kommenden Dienstag ein | |
„klares Mandat“ bekommen, werde er sofort ein Gesetz vorantreiben, um das | |
Jordantal und das nördliche Tote Meer zu annektieren, versprach er auf | |
einer vorab groß angekündigten Pressekonferenz am Dienstagnachmittag. | |
Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation | |
(PLO) und Chefunterhändler bei früheren Friedensverhandlungen, verurteilte | |
den „illegalen Schritt“, der „jede Chance auf einen Frieden begraben | |
würde“. Ähnlich reagierte die Arabische Liga, in der 22 Staaten organisiert | |
sind. Diese „gefährliche Entwicklung“ würde „jede Basis für einen Frie… | |
torpedieren“, hieß es in einer Mitteilung der Liga. | |
Die EU verurteilte die Ankündigung Netanjahus. Wie bei zahlreichen | |
Ministerräten bekräftigt worden sei, werde die Europäische Union keine | |
Änderungen der vor 1967 bestehenden Grenzen anerkennen, die nicht zwischen | |
beiden Seiten vereinbart worden seien, sagte ein Sprecher der | |
EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel. Die israelische | |
Siedlungspolitik und –tätigkeit sei nach dem Völkerrecht illegal und | |
untergrabe die Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung und die Aussichten | |
auf einen dauerhaften Frieden. | |
Die Bundesregierung betonte, diese Aussagen seien im Wahlkampf gefallen – | |
ob diese Ankündigung umgesetzt werde, sei nicht klar. Regierungssprecher | |
Steffen Seibert appellierte an die israelische Regierung, auf Maßnahmen zu | |
verzichten, die eine Einigung mit den Palästinensern auf der Basis einer | |
Zwei-Staaten-Lösung behindern könnten. | |
Die Annexion von Teilen der C-Zone im besetzten Westjordanland, die seit 52 | |
Jahren noch immer komplett unter israelischer Kontrolle steht und relativ | |
dünn von Palästinensern besiedelt ist, war anfangs nur Programm der | |
Siedlerpartei. Jamina (Nach rechts), so heißt die neue rechte Liste, der | |
Netanjahu mit seinen Annexionsplänen Mandate abgraben will. | |
Rechtspolitikerin Ajelet Schaked, ehemals Justizministerin, kommentierte | |
Netanjahus Pläne mit Skepsis. Abgesehen davon, dass er, „was grundsätzlich | |
zu begrüßen ist“, die Politik der Rechtspartei auf seine Fahnen schreibe, | |
habe man „schon viele Versprechungen von ihm gehört“. Würde Netanjahu | |
ernsthaft eine Annexion wollen, hätte er das längst haben können. Netanjahu | |
hatte schon vor der Wahl im April eine Annexion von Teilen der C-Zone | |
angekündigt, scheiterte dann jedoch an der Mission, eine | |
Regierungskoalition zu bilden. | |
## Ein Viertel des Westjordanlands | |
Laut der israelischen [1][Menschenrechtsorganisation Betselem] umfasst das | |
Jordantal rund ein Viertel des Westjordanlandes mit 65.000 | |
palästinensischen und 11.000 israelischen Bewohnern. Das Gebiet ist mit der | |
Jesu-Taufstätte attraktiv für christliche Pilger und birgt vor allem an der | |
Küste des Toten Meeres touristisches Potenzial. | |
Die politischen Kräfteverhältnisse haben sich seit der Wahl vor sechs | |
Monaten nur leicht verschoben. Netanjahu und seine stärksten Gegenspieler | |
Benny Gantz und Jair Lapid, Co-Chefs der Partei Blau-Weiß, geben sich | |
erneut ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wobei das rechte Lager insgesamt etwas | |
stärker ist als die Mitte-links-Parteien. | |
„Netanjahu will keine Gebiete annektieren, sondern Wählerstimmen“, | |
kommentierte Lapid den „erfolglosen Wahltrick“, ohne sich indes inhaltlich | |
zu distanzieren. Über die Notwendigkeit, aus Sicherheitsgründen das | |
Jordantal unter israelischer Souveränität zu behalten, besteht in Israel | |
Konsens. Auch Blau-Weiß lehnt die Räumung der Siedlungen und den Rückzug | |
der Armee aus dem Jordantal ab. | |
In der kurzfristig und dramatisch angekündigten Pressekonferenz am Dienstag | |
stellte Netanjahu die Annexion in Verbindung mit dem [2][im Weißen Haus | |
formulierten „Jahrhundertfrieden“] für den Nahen Osten. Gleich nach der | |
Wahl in Israel, spätestens aber im November, will US-Präsident Donald Trump | |
Einzelheiten des Plans verkünden. Der US-Friedensplan biete eine | |
„historische Gelegenheit“ für die Annexion der besetzten Gebiete, sagte | |
Netanjahu. Langfristig will er sämtliche Siedlungen im Westjordanland unter | |
israelische Souveränität stellen. „Aus Respekt für Präsident Trump und | |
aufgrund meines großen Vertrauens in unsere Freundschaft“ werde er damit | |
jedoch bis zur Veröffentlichung des US-Plans warten. (mit Agenturen) | |
11 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://peacenow.org.il/en/data-on-netanyahus-jordan-valley-annexation-map | |
[2] /Debatte-Israel-Palaestina/!5600090 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Israel | |
Palästina | |
Benjamin Netanjahu | |
Westjordanland | |
Israel | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Israel | |
Israel | |
Israel | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Israel | |
Jared Kushner | |
Israel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
USA zu Israels Siedlungspolitik: Die Siedler und ihre Freunde | |
Der US-Schritt, Israels Siedlungspolitik nicht mehr als illegal zu | |
betrachten, stößt weltweit auf Kritik. Dahinter stehen Trumps | |
Nahost-Hardliner. | |
Schwenk in der US-Nahostpolitik: Israels Siedlungen jetzt „legal“ | |
Die USA kündigen den internationalen Konsens auf, wonach die israelischen | |
Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten völkerrechtswidrig sind. | |
Etikettenpflicht für Siedlungsprodukte: Bedeutungslose Symbolpolitik | |
Produkte aus den Siedlungen sind für den Export Israels eher unwichtig. Das | |
Urteil des EuGH ist also nur belehrend, Frieden stiftet es sicher nicht. | |
Parlamentswahl in Israel: Keine Mehrheit für niemanden | |
Auch bei der zweiten Knesset-Wahl in diesem Jahr gibt es keinen eindeutigen | |
Sieger. Für den bisherigen Premier Netanjahu dürfte es eng werden. | |
Parlamentswahl in Israel: „Bibi“ oder Blau-Weiß? | |
Netanjahu kämpft um seine Zukunft. Rechtspolitikerin Schaked klettert auf | |
einen Bademeisterstand, um Stimmen zu fangen – Eindrücke vom Wahltag. | |
Parlamentswahl in Israel: Kampf der Gladiatoren | |
Israels Parlamentswahl am heutigen Dienstag dreht sich nur um ein Thema: | |
Benjamin Netanjahu. Für den Premier wird es verdammt knapp. | |
Parlamentswahl in Israel: Zwischen schlecht und schlechter | |
Von linker Politik ist in Israel wenig übrig geblieben. Parteien schmieden | |
deshalb Bündnisse, aber der Friedensprozess mit den Palästinensern leidet. | |
Pressetrip in Israel und Palästina: Reise nach Samaria | |
Eine Brüsseler Organisation führt europäische Journalisten durch Israel und | |
Palästina – und vermittelt ihr ganz eigenes Bild vom Nahostkonflikt. | |
Israel vor der Wahl: Netanjahus letzte Chance | |
Israels Regierungschef kämpft ums politische Überleben. Für die | |
Palästinenser spielt es indes kaum eine Rolle, wer die Wahl kommende Woche | |
gewinnt. | |
Palästinensischer Politiker über Nahost: „Ein-Staat-Lösung mit Apartheid“ | |
Israel und die USA haben die Zweistaatenlösung in Nahost fallengelassen, | |
kritisiert Mustafa Barghouti. Er warnt vor einem System der Segregation. | |
Debatte Israel-Palästina: Trumps Schwiegersohn auf Irrwegen | |
Jared Kushner sieht in der Wirtschaftsförderung die Lösung für den | |
Nahost-Konflikt. Die politischen Knackpunkte ignoriert er. | |
25 Jahre Osloer Friedensabkommen: Zonen-Grenzen in Palästina | |
Das Westjordanland ist in Zonen eingeteilt, Überbleibsel der | |
Friedensbemühungen. Eine Reise nach A, B und C, zu Palästinensern und | |
Israelis. |