# taz.de -- Schwenk in der US-Nahostpolitik: Israels Siedlungen jetzt „legal�… | |
> Die USA kündigen den internationalen Konsens auf, wonach die israelischen | |
> Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten völkerrechtswidrig | |
> sind. | |
Bild: Israelische Siedlerin in Amona | |
Washington dpa/rtr | Die US-Regierung sieht israelische Siedlungen im | |
besetzten Westjordanland nicht länger als völkerrechtswidrig an und bricht | |
damit mit jahrzehntelanger Nahostpolitik. Jede juristische Frage rund um | |
die Siedlungen sollte von der israelischen Justiz geklärt werden, erklärte | |
Außenminister Mike Pompeo am Montag vor Reportern. Deren Existenz als | |
Verstoß gegen internationales Recht zu werten, lenke nur von Bemühungen um | |
ein Nahost-Friedensabkommen ab. | |
Pompeo sagte, nach eingehender Prüfung der Rechtspositionen sei man zu dem | |
Schluss gekommen, dass es den Friedensprozess nicht vorangebracht habe, die | |
Siedlungen illegal zu nennen. „Es wird niemals eine gerichtliche Lösung des | |
Konflikts geben. Argumente, wer völkerrechtlich recht hat und wer nicht, | |
bringen keinen Frieden.“ | |
Israel nahm das Westjordanland und Ostjerusalem im Sechstagekrieg 1967 ein | |
und hat Ostjerusalem mittlerweile annektiert. Heute leben rund 700.000 | |
israelische Siedler in beiden Gebieten, die die Palästinenser für ihren | |
eigenen Staat beanspruchen. [1][Im Westjordanland] trieb die Regierung | |
zuletzt den [2][Siedlungsbau] voran, einige Gemeinden dort haben mehr als | |
30.000 Bewohner. | |
Die internationale Gemeinschaft betrachtet die Siedlungen nahezu | |
geschlossen als illegal und beruft sich dabei zum Teil auf die vierte | |
Genfer Konvention. Diese verbietet es einer Besatzungsmacht, Teile seiner | |
eigenen Zivilbevölkerung in besetztes Territorium zu überführen. | |
## Benjamin Netanjahu feiert die US-Entscheidung | |
Die USA hatten sich in einem Rechtsgutachten des Außenministeriums von 1978 | |
– bekannt als Hansell-Memorandum – darauf festgelegt, zivile Siedlungen in | |
besetzten Arealen als „mit dem Völkerrecht unvereinbar“ einzustufen. Es hat | |
seit mehr als 40 Jahren die Grundlage vorsichtig formulierter Kritik am | |
Siedlungsbau gebildet, die je nach der Haltung des jeweiligen | |
US-Präsidenten in Ton und Inhalt unterschiedlich stark ausfiel. Nun aber | |
verwerfe die US-Regierung das Rechtsgutachten, erklärte Pompeo. | |
Die neue US-Linie, so Pompeo, beziehe sich einzig aufs Westjordanland, ein | |
Präzedenzfall für andere Territorialdispute werde dadurch nicht geschaffen. | |
Die Entscheidung bedeute auch nicht, dass die USA im Falle eines | |
Nahost-Friedenspakts vorauseilend über den Status des Westjordanlands | |
urteilten. | |
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu feierte die US-Entscheidung | |
als Kehrtwende, die „ein historisches Unrecht“ geraderücke. „Diese Polit… | |
spiegelt eine historische Wahrheit wider – dass die jüdischen Menschen | |
keine ausländischen Kolonialisten in Judäa und Samarien sind“, hieß es in | |
der Erklärung mit Verweis auf die israelischen Begriffe für das | |
Westjordanland weiter. | |
Für [3][die Palästinenser] und ihre arabischen Verbündeten ist der Schritt | |
der USA ein schwerer Schlag. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sagte, | |
die US-Entscheidung widerspreche völlig internationalem Recht. Jordanien | |
warnte vor „gefährlichen Konsequenzen“ der geänderten US-Position für den | |
Nahost-Friedensprozess. Die Siedlungen seien illegal und schmälerten die | |
Chancen auf eine Zweistaatenlösung, erklärte Außenminister Ayman Safadi. | |
## EU möchte sich Washington nicht anschließen | |
Nabil Abu Rudeineh, Sprecher von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, | |
sagte, die US-Regierung trage „die volle Verantwortung für jegliche | |
Auswirkungen dieses gefährlichen Schritts“. Harsche Kritik kam auch von den | |
militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad. | |
Hamas-Sprecher Abdul Latif al-Kanu sagte, Pompeos Ankündigung sei eine | |
„offizielle Beerdigung“ des Osloer Friedensabkommens. | |
[4][Der Islamische Dschihad] erklärte, die Antwort auf Pompeos Ankündigung | |
sei der Ausbau des Widerstands gegen israelische Siedlungen. Die | |
Palästinenser werfen Israel vor, mit den Siedlungen palästinensisches Land | |
zu stehlen und das Recht auf Bewegungsfreiheit der Palästinenser | |
einzuschränken. | |
Die EU will sich dem Schwenk Washingtons nicht anschließen. Die | |
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini machte am Montagabend in Brüssel | |
deutlich, dass die EU den israelischen Siedlungsbau in den besetzten | |
Palästinensergebieten weiterhin als völkerrechtswidrig einstuft. „Jegliche | |
Siedlungsaktivität ist unter internationalem Recht illegal und höhlt die | |
Tragfähigkeit einer Zweistaatenlösung und die Aussichten auf anhaltenden | |
Frieden aus“, erklärte die EU. Israel müsse alle Siedlungsaktivitäten im | |
Einklang mit seinen Pflichten als Besatzungsmacht einstellen. | |
Mit dem jüngsten Richtungswechsel in ihrer Nahostpolitik forcieren die USA | |
[5][ihre proisraelische Politik] zulasten der palästinensischen | |
Bestrebungen nach einem eigenen Staat. In ähnlichen Aktionen hatte | |
Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, die | |
Verlegung der US-Botschaft in die Stadt sowie die Schließung der | |
palästinensischen Vertretung in Washington angeordnet. Kurz nach Pompeos | |
Ankündigung mahnte die US-Botschaft in Jerusalem amerikanische Staatsbürger | |
zu besonderer Vorsicht bei Reisen ins Westjordanland, nach Jerusalem und in | |
den Gazastreifen. | |
19 Nov 2019 | |
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