# taz.de -- Eskalation in Nahost: Hunderte Raketen, Dutzende Tote | |
> Den zweiten Tag in Folge fliegen Raketen nach Israel. Die Armee reagiert | |
> mit Angriffen auf militante Palästinenser. Ägypten vermittelt. | |
Bild: Himmel über Südisrael: Trotz der Raketenangriffe gab es in Israel – a… | |
Tel Aviv taz | Nach einer relativ ruhigen Nacht ging am Mittwoch, dem | |
zweiten Tag der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Israel und | |
militanten Palästinensern im Gazastreifen, die Gewalt weiter. Nachdem am | |
Vortag auch Raketen ins Zentrum Israels bis in Vororte Tel Avivs geschossen | |
wurden, war am Mittwoch bis Redaktionsschluss lediglich der an den | |
Gazastreifen angrenzende Süden Israels betroffen. | |
Laut israelischer Armee wurden verschiedene Ziele der Terrorgruppe | |
Islamischer Dschihad angegriffen, darunter militärische Hauptquartiere | |
sowie eine Waffenfabrik für Langstreckenraketen. Laut arabischen Medien | |
verfehlte eine Rakete ihr Ziel und traf das Büro einer | |
Menschenrechtsorganisation. Die Zahl der Todesopfer auf palästinensischer | |
Seite belief sich zu Redaktionsschluss am Mittwochnachmittag auf 23, unter | |
ihnen Alaa Jabar Aschtivi, ein Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, des | |
militärischen Arms des Islamischen Dschihad. Auf israelischer Seite trafen | |
die Raketen Kibbuzim und Moschawim. Es gab Leichtverletzte. | |
Ausgelöst wurde die Eskalation durch die gezielte Tötung von Baha Abu | |
al-Atta, Kommandeur des Islamischen Dschihad, in der Nacht auf Dienstag | |
durch die israelische Armee und den Inlandsgeheimdienst Schin Bet. Zu einem | |
weiteren Anschlag auf einen Anführer des Islamischen Dschihad in der | |
syrischen Hauptstadt Damaskus, der kurz nach der Tötung Abu al-Attas | |
stattfand, bekennt sich Israel nach wie vor nicht offiziell. | |
Ob sich die Lage in den kommenden Tagen beruhigt oder weiter zuspitzt, | |
hängt nun insbesondere von zwei Dingen ab. Sollte es auch auf israelischer | |
Seite Todesopfer geben, ist davon auszugehen, dass die israelische Armee | |
ihre Luftschläge intensiviert. Entscheidend für den weiteren Verlauf sind | |
darüber hinaus die Reaktionen der palästinensischen Hamas, die den | |
Gazastreifen kontrolliert und weitaus mächtiger ist als der Islamische | |
Dschihad. Bisher hält sich die Hamas in ihrer Beteiligung an den | |
Raketenangriffen zurück. | |
## Ägypten kommt Schlüsselrolle zu | |
Am Dienstag reiste der UN-Koordinator für den Nahost-Friedensprozess nach | |
Ägypten, um Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufzunehmen. Ägypten, | |
bereits seit mehr als zwanzig Jahren Vermittler zwischen Israel und Gaza, | |
kommt eine Schlüsselrolle zu. Laut Yoram Meital von der | |
Ben-Gurion-Universität des Negev arbeite Ägypten hinter den Kulissen | |
zurzeit daran, einen Waffenstillstand zwischen Israel und Gaza zu | |
erreichen. Ägypten setze einerseits die Hamas unter Druck, sich nicht an | |
den Auseinandersetzungen zu beteiligen, und versuche andererseits, Israel | |
davon abzuhalten, weitere Luftschläge zu unternehmen, sagt der Spezialist | |
für die Geschichte und Politik des Nahen Osten gegenüber der taz. | |
Ägypten verfolgt dabei vor allem das eigene Sicherheitsinteresse. Der | |
Gazastreifen grenzt an die Sinai-Halbinsel, auf der die ägyptische Armee | |
gegen militante Islamisten kämpft. „Ägypten hat keine andere Wahl, als sich | |
einzumischen und zu vermitteln“, sagt Meital. „Würde es das nicht tun, wä… | |
die Gefahr groß, dass die Situation in Gaza auf den Sinai überschwappt.“ | |
Einfluss auf Israel hat die ägyptische Regierung, die mit Israel 1979 | |
Frieden schloss, unter anderem deswegen, weil es für das im Nahen Osten | |
isolierte Israel ein wichtiger Pfeiler ist. Für die Hamas, die seit 2006 im | |
Gazastreifen die De-facto-Regierung stellt, ist es wiederum wichtig, als | |
Gesprächspartner anerkannt zu werden und damit politische Legitimität zu | |
erhalten. | |
## Israel steuer auf dritte Parlamentswahl zu | |
Die jüngste Eskalation könnte auch für das Regierungschaos in Israel | |
bedeutsam sein. Das Land steuert derzeit auf eine dritte Parlamentswahl | |
innerhalb nur eines Jahres zu. Durch die Auseinandersetzung in Gaza | |
verstärkt sich nun der Druck, doch noch eine Regierung der nationalen | |
Einheit zu bilden. | |
So könnten sich Netanjahu (Likud) und sein Konkurrent Benny Gantz | |
(Blau-Weiß) als Regierungschef abwechseln. Gantz, der momentan mit der | |
Regierungsbildung beauftragt ist, könnte zu einem Kompromiss gezwungen | |
werden und Netanjahu in einem Rotationsverfahren zunächst weiterregieren | |
lassen. Der von Korruptionsvorwürfen gebeutelte Netanjahu könnte dadurch | |
einer Strafverfolgung möglicherweise entgehen. Gleichzeitig bietet die | |
Eskalation in Gaza Gantz eine Rechtfertigung dafür, sich auf einen solchen | |
Kompromiss einzulassen. | |
Um seinen rechten Block zusammenzuhalten, hat Netanjahu erst vor wenigen | |
Tagen Zugeständnisse gemacht und seinen Posten als Verteidigungsminister an | |
Naftali Bennett (Neue Rechte) abgetreten. Israel werde „jeden Terroristen | |
[im Gazastreifen] erjagen“, kommentierte Bennett die Schläge gegen die | |
Köpfe des Islamischen Dschihad, die Netanjahu noch als | |
Verteidigungsminister angeordnet hatte. | |
13 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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