# taz.de -- Israel und der IStGH: Haftbefehl wäre ein Dilemma | |
> Ein Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu wäre auch für Deutschland | |
> bindend. Die Bundesregierung hält den Ball flach. | |
Bild: Können Sie sich künftig noch in Berlin treffen? Außenministerin Baerbo… | |
BERLIN taz | Wie würde Deutschland mit einem Haftbefehl des Internationalen | |
Strafgerichtshofs gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und | |
Verteidigungsminister Yoav Galant umgehen? Die Bundesregierung versucht, in | |
dieser Frage den Ball flach zu halten. Die Alternativen sind, wenn es | |
tatsächlich zu einem Haftbefehl kommt, aus Berliner Perspektive so oder so | |
unerfreulich. Israelischen Spitzenpolitikern Deutschland-Besuche zu | |
verwehren oder sie hier zu verhaften, ist eine ebenso heikle Vorstellung, | |
wie gegen internationales Recht zu verstoßen, das man sonst bei jeder | |
Gelegenheit hochhält. | |
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte am Mittwoch in | |
der Bundespressekonferenz auf die Frage, ob die Regierung im Falle eines | |
Haftbefehls Benjamin Netanjahu verhaftet lassen würde, das Szenario sei | |
„hypothetisch“. Im Übrigen unterstütze die Regierung den Internationalen | |
Strafgerichtshof. Grundsätzlich halte man sich „an Recht und Gesetz“. | |
Daraus kann man, hypothetisch hin oder her, die Aussage herauslesen, dass | |
Deutschland sein internationales Renommee nicht durch eine Ausnahme und | |
eine „Lex Netanjanhu“ gefährden würde. | |
Hebestreit betonte, dass die Bundesregierung mit ihrer Kritik der letzten | |
Tage nicht auf [1][den Antrag auf Haftbefehle] abziele, sondern auf den | |
Stil der Inszenierung. [2][Der britische Ankläger Karim Asad Ahmad Khan] | |
hatte gleichzeitig Haftbefehle gegen die israelischen Politiker und | |
Hamas-Funktionäre beantragt. Die zeitliche Gleichsetzung sei kein Versehen, | |
so Hebestreit. Sie erzeuge trotz der sehr unterschiedlich begründeten | |
Anträge den Eindruck, dass die beiden Israelis und die Hamas-Mitglieder auf | |
einer Stufe stünden. | |
Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte die Dramaturgie des | |
Internationalen Strafgerichtshofs. „Es ist nicht nur bedauerlich, sondern | |
unangemessen, die Anträge auf Haftbefehle gegen Mitglieder der Hamas und | |
der israelischen Regierung im gleichen Atemzug zu begründen“, sagte | |
Mützenich dem Stern. Allerdings könne Deutschland die Ergebnisse der | |
unabhängigen juristischen Prüfung nicht ignorieren. | |
Ähnlich äußerte sich Deborah Düring, außenpolitische Sprecherin der grünen | |
Bundestagsfraktion. Im Deutschlandfunk sagte sie: Wenn das Gericht über den | |
Antrag entschieden habe, „gilt es, dieses internationale Recht umzusetzen“. | |
## Botschafter argumentiert mit Staatsräson | |
Israels Botschafter Ron Prosor forderte die Bundesregierung indes auf, sich | |
vom Internationalen Strafgerichtshof zu distanzieren. Es sei jetzt keine | |
Zeit für „wachsweiche Statements“ der Bundesregierung. „Jetzt steht die | |
Staatsräson auf dem Prüfstand – ohne Wenn und Aber“, so der Botschafter. | |
Kanzlerin Merkel hatte das Existenzrecht Israels 2008 als Teil der | |
deutschen Staatsräson bezeichnet. Offenbar deutet Prosor diese | |
Meinungsäußerung als eine Art übergesetzliches Diktum. Dass ein Botschafter | |
die Regierung des Gastlandes auffordert, internationales Recht zu | |
missachten, ist ungewöhnlich. Israel und die USA haben das Statut des | |
Gerichts nicht unterzeichnet. | |
Der Gerichtshof hat keine eigenen Polizeikräfte und ist bei der | |
Vollstreckung von Haftbefehlen auf die Kooperation seiner 124 | |
Mitgliedstaaten angewiesen. Diese haben sich völkerrechtlich zur Mithilfe | |
verpflichtet. Verstöße gab es aber schon in der Vergangenheit. So blieb | |
[3][der ehemalige sudanesische Staatschef Omar al-Baschir bei einem Besuch | |
in Südafrika 2015 unbehelligt]. Von den Richtern in Den Haag wurde das Land | |
dafür später einstimmig gerügt. | |
22 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Tobias Schulze | |
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