# taz.de -- Investoren räumen auf eigene Faust: Privatarmee im Bahnhofswald | |
> Weil die Stadt Flensburg sich weigerte, den besetzten Bahnhofswald räumen | |
> zu lassen, haben es die Investoren privat versucht. Die Polizei stoppte | |
> das. | |
Bild: Gefährlich und total verboten: Räumungsversuch im Bahnhofswald | |
FLENSBURG taz | Es herrscht noch Dunkelheit, als der Trupp anrückt. Die | |
Arbeitskräfte, darunter sind einige als Mitarbeiter einer Security-Firma zu | |
erkennen, errichten Bauzäune vor dem Waldstück, in dem seit Oktober eine | |
Gruppe von Aktivist*innen in Baumhäusern und Unterständen ausharrt, um | |
die Rodung des Geländes zu verhindern. Während die Aktivist*innen noch | |
schlafen, rattern die Kettensägen los. Eines der Baumhäuser stürzt mehrere | |
Meter tief zu Boden und zerbricht. „Es war niemand drin, doch das war | |
Zufall“, sagt ein Sprecher der Aktivist*innen der taz. „Wir sind froh, | |
dass niemand verletzt worden ist.“ | |
Unklar ist, ob die Arbeitskräfte sicher wussten, dass das Haus leer war. | |
Aus Sicht der Aktivist*innen „schrecken sie nicht davor zurück, Leute | |
körperlich zu bedrohen und zu gefährden“, heißt es in einer Mitteilung. | |
„Als die Polizei sie ansprach aufzuhören, stoppten sie erst eine halbe | |
Stunde später die Arbeiten.“ Am Telefon schilderten Beteiligte weitere | |
Details: So schrie einer der Besetzer aus einem Baumhaus, dass er dort sei, | |
dennoch setzten Arbeiter unten die Säge an. | |
Zuwege und Luftbrücken zwischen den Häusern und Plattformen wurden | |
zerstört, und es seien auch zahlreiche Bäume so tief angesägt worden, dass | |
sie absehbar eingehen werden. „Die haben Tatsachen geschaffen“, heißt es | |
von Seiten der Aktivist*innen im Bahnhofswald. | |
Dabei hatte es [1][noch am Donnerstag so ausgesehen], als könnten sie | |
aufatmen: Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) hatte bei einem | |
Besuch vor Ort angekündigt, es werde keine polizeiliche Räumung geben. | |
Zuvor hatte die taz online berichtet. Der Grund für die Entscheidung der | |
Verwaltung ist die Coronasituation in der Stadt, wo sich aktuell die | |
besonders ansteckende Mutante B.1.1.7 ausbreitet. „Wir können in dieser | |
Phase keine Maßnahmen in Gang setzen, die das Ziel gefährden, das Virus | |
zurückzudrängen“, sagte Rathaussprecher Clemens Teschendorf. | |
Zwar steht die Stadt dem Bau grundsätzlich positiv gegenüber und sieht auch | |
die Notwendigkeit für mehr Parkplätze nahe dem Bahnhof, die erbetene | |
Amtshilfe beim Räumen des Grundstücks lehnte die allerdings ab. Der | |
Gesundheitsschutz gehe vor, und letztlich sei es eben doch „ein privates | |
Vorhaben auf einem privaten Grundstück“. | |
## Räumung auf eigene Faust | |
Also nahmen die beiden Besitzer des Grundstücks, die Flensburger Investoren | |
Jan Duschkewitz und Ralf Hansen, auch die Räumung ganz privat in die Hände. | |
Eine Genehmigung besaßen sie nicht, weder Verwaltung noch Polizei waren | |
vorab informiert. Kurz nach Beginn der Arbeiten traf die Polizei ein und | |
stoppte die Rodung. | |
Zwar sei die „Rechtslage nicht mit einem Satz zu erklären“, so | |
Polizeisprecher Christian Kartheus, „aber wenn man da einfach reingeht und | |
Bäume fällt, sind Menschen in Gefahr.“ Am Vormittag erschienen | |
Vertreter*innen der Stadtverwaltung, die eine Verfügung erließen, laut | |
der die Arbeiten einzustellen und nicht weiter fortzuführen sind. | |
Es war bereits am Morgen zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden, | |
Polizeikräften und Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes gekommen, also zu | |
genau den hautnahen Begegnungen, die die Stadt unbedingt vermeiden wollte. | |
Laut Mitteilung der Polizei wurde ein Mitarbeiter des privaten | |
Sicherheitsdienstes am Kopf verletzt. | |
## Kritik von allen Seiten | |
Im Verlauf des Tages trafen weitere Polizeikräfte und zahlreiche | |
Unterstützer*innen der Besetzer*innen ein. Damit waren zeitweise | |
mehrere Hundert Personen vor Ort: „Hochbrisant“ und angesichts der | |
Coronalage gefährlich für alle Beteiligten, so die Gewerkschaft der Polizei | |
in einer Stellungnahme. | |
Kritik kam auch von der Politik: Der Kieler Linken-Bundestagsabgeordnete | |
und Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin sprach von einem „klaren und frechen | |
Rechtsbruch, der aufgeklärt und geahndet werden muss“. Rainer Borcherding, | |
Sprecher der Grünen Schleswig-Flensburg, nannten den „Einsatz einer | |
Privatarmee an Arroganz nicht zu überbieten“. Das zeige, „was von der | |
Gesetzestreue dieser Investoren zu halten ist“. | |
Gemeint sind die beiden Flensburger Jan Duschkewitz, Chef eines Sanitär- | |
und Heizungsgeschäfts, und Steuerberater Ralf Hansen. Für sie drängt die | |
Zeit: Nur bis Ende Februar darf laut Naturschutzgesetz Wald gerodet werden, | |
danach beginnt die Brutsaison. Laut den Investoren droht die | |
Steigenberger-Gruppe, die das Hotel am Bahnhof pachten möchte, mit Rückzug. | |
Von der Hotelkette gab es dazu bis Redaktionsschluss keine Auskunft. Auch | |
die Flensburger Investoren waren für Fragen nicht zu erreichen: „Der Chef | |
ist heute natürlich nicht da“, sagte eine Mitarbeiterin der Firma | |
Duschkewitz. | |
19 Feb 2021 | |
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[1] /Flensburger-Baumbesetzerinnen-bleiben/!5753150 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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