| # taz.de -- Baumbesetzung in Flensburg: Widerstand in den Wipfeln | |
| > In Flensburg kämpfen eine Bürgerinitiative und eine Gruppe von | |
| > Aktivist*innen gegen die Rodung eines Waldstücks am Bahnhof. | |
| Bild: Seit Oktober besetzen Aktivist*innen im Flensburger Bahnhofswäldchen Bä… | |
| Flensburg taz | Zwischen dem Laub sind die Hütten kaum zu sehen. Sie hängen | |
| in luftiger Höhe in den Bäumen des Wäldchens nahe dem Flensburger Bahnhof. | |
| Mike, einer der Aktivist*innen, die seit Anfang Oktober die Bäume besetzen | |
| und so gegen die geplante Rodung protestieren, legt einen Klettergurt um | |
| und steigt zum „Loft“ hinauf, einer der Hütten. Vor der Plattform tritt er | |
| ins Innere. Der Raum ist klein, aber gemütlich, es gibt ein schmales Bett | |
| und ein Regal, auf dem eine Espressokanne steht. | |
| In den Hütten sei es auch nachts gut auszuhalten, berichtet Jule, eine | |
| Schülerin, die seit einigen Tagen die Gruppe unterstützt. „Mit zwei | |
| Schlafsäcken ist es warm genug, nur das Aufstehen morgens ist ungemütlich.“ | |
| Aber die Aktion lohne sich, sagen alle Beteiligten. „Die Erfahrung aus | |
| anderen Fällen zeigt: Zwar trifft am Ende ein Gericht eine formale | |
| Entscheidung, aber bis dahin retten der Druck von der Straße und die Aktion | |
| den Wald“, sagt die Aktivistin und Autorin Hanna Poddig, eine der | |
| Sprecher*innen der Gruppe. | |
| „Der Bahnhofswald ist klein – aber dennoch wichtig“, sagt Helmreich | |
| Eberlein. Eberlein gehört zur Bürgerinitiative Bahnhofswald (BI), die | |
| zurzeit tägliche Mahnwachen auf dem Bürgersteig vor dem Wäldchen abhält. | |
| Mit den Aktivisten und Aktivistinnen hat die BI organisatorisch nichts zu | |
| tun, aber „die Baumbesetzung war für uns wie ein Geschenk“, sagt Eberlein. | |
| Die BI kämpft schon länger gegen die Rodung und den Bau eines Parkhauses | |
| und eines Hotels. | |
| Auch in der Stadtpolitik sind die Pläne der Flensburger Investoren Jan | |
| Duschkewitz und Ralf Hansen nicht unumstritten. Erst im Sommer hatte der | |
| Stadtrat nach langem Zögern den Plänen mit Mehrheit zugestimmt. Inzwischen | |
| liegt ein Bauantrag in der Verwaltung vor. | |
| Seit 2016 wollen die Investoren ein ehemaliges Postgebäude in ein Hotel | |
| umwandeln. Der angrenzende Parkplatz soll ein Parkhaus werden. Mitglieder | |
| der BI befürchten, dass der Neubau den benachbarten Hang ins Rutschen | |
| bringt und die höher stehenden Häuser beschädigt. In einem Interview mit | |
| der Lokalzeitung Flensburger Nachrichten unterstellt Investor Hansen den | |
| Protestierenden vor allem Eigeninteresse: Anwohner fühlten sich gestört, | |
| und sie „haben ihre Interessen sehr, sehr gut in der Öffentlichkeit | |
| dargestellt“. | |
| Tatsächlich wohnen einige Mitglieder der BI in der Nachbarschaft, aber sie | |
| betonen, dass es ihnen um das Wohl des Viertels und den Schutz des 140 | |
| Jahre alten Wäldchens gehe. Es entstand rund um eine Allee, deren Reste | |
| noch zu erkennen sind. „Der jetzige Wald mit Totholz und Unterholz wird | |
| zerstört“, sagt Günter Strempel, Sprecher der BI. Auch wenn an anderer | |
| Stelle nachgepflanzt wird – „es dauert 100 Jahre, bis aus diesen Setzlingen | |
| etwas wird, das ökologisch so wertvoll ist wie dieser Wald.“ | |
| Im Sommer hatte die Gruppe eine Quelle auf dem Gelände gefunden – fast wäre | |
| der Bau daraufhin gestoppt worden. Doch beim Nachmessen stellte sich | |
| heraus, dass die Quelle 86 Zentimeter jenseits der Baugrenze liegt. „Aber | |
| natürlich wird sie beschädigt, wenn abgepumpt wird“, sagt Eberlein. | |
| Von der Stadt sind die BI-Mitglieder enttäuscht. „Sie arbeitet dem Investor | |
| zu“, sagt Eberlein. Das betreffe unter anderem die Definition dessen, was | |
| eigentlich ein Baum ist. Hanna Poddig zeigt auf Schilder, die die | |
| Aktivist*innen an einer Reihe von Stämmen aufgehängt haben: „Dies sind gar | |
| keine Bäume.“ Denn die städtische Satzung legt einen Mindestdurchmesser | |
| fest. Gewächse, die zu dünn sind, werden nicht als Bäume gezählt und müssen | |
| auch nicht ersetzt werden. „Laut der Stadt wird gar nicht großflächig | |
| gerodet, sondern es werden nur einzelne Bäume entnommen“, sagt Poddig. | |
| Ein Punkt, den sie „richtig absurd“ findet. „Weil in einem Wald nicht | |
| gebaut werden darf, muss alles weg, was Waldcharakter ausmacht.“ So werden | |
| auf einem Teil des Grundstücks Bäume fallen, weil sie zu eng und damit zu | |
| wald-artig beieinanderstehen. Totholz mit Brutstätten für Vögel und | |
| Fledermäuse wird es künftig nicht mehr geben. | |
| „Es ist richtig, dass der Wald nach dem Bau nicht mehr als Wald besteht“, | |
| sagt Stadtsprecher Clemens Teschendorf. Aber die Stadt sei nicht die | |
| treibende Kraft, sondern reagiere auf den Antrag der Investoren. Dennoch | |
| habe der Plan aus Sicht der Stadt Vorteile: Ein Hotel direkt am Bahnhof | |
| mache die Anreise per Bahn attraktiver, und das Parkhaus könnte von | |
| Pendler*innen genutzt werden. „Wir wollen den Verkehr besser gestalten“, | |
| sagt Teschendorf. | |
| Dass das Mikroklima unter dem Verlust des Bahnhofswaldes leidet, glaubt er | |
| nicht: „Es ist ein sehr grünes Viertel.“ Die gefällten Bäume werden auf | |
| einer Ausgleichsfläche ersetzt, „und dort können wir regulierend eingreifen | |
| und dafür sorgen, dass dort eine gute Qualität entsteht“, verspricht | |
| Teschendorf. | |
| Zurzeit wird der Bauantrag von der Verwaltung geprüft. „Dann liegt der Ball | |
| wieder bei den Investoren“, so der Stadtsprecher. Die müssten auch | |
| entscheiden, ob die Hütten der Aktivist*innen gewaltsam geräumt würden. Ein | |
| Vermittlungsgespräch hatte auf Wunsch der Investoren stattgefunden, war | |
| aber ohne Ergebnis geblieben. „Von unserer Seite gibt es keinen | |
| Kompromiss“, sagt Poddig. „Wie sollte der aussehen – dass zwei, drei Bäu… | |
| weniger gefällt werden?“ Der Gruppe gehe es um den Erhalt des Waldstückes | |
| im Ganzen. Die Mitglieder der BI sammeln derweil bei ihrer Mahnwache | |
| Unterschriften und bitten um Spenden. Das Ziel ist, juristisch gegen die | |
| Baupläne vorzugehen. | |
| 10 Nov 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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