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# taz.de -- Niedersachsens LKA bleibt heimlich: Schweigende Sheriffs
> Das Verwaltungsgericht Hannover hat eine Klage gegen das
> Landeskriminalamt abgewiesen. Die Polizei darf Auskünfte weiterhin ohne
> Begründung verweigern.
Bild: Was er so tippt, werden wir nie erfahren, weil … is' halt so
Hannover taz | Als „Atomkraftgegnerin und Friedensaktivistin“ stellt der
berichterstattende Richter die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht in
Hannover vor. Hanna Poddig hat sich selbst vor ein paar Jahren [1][als
„Vollzeitaktivistin“ bezeichnet], was in vielen Medien dankbar aufgegriffen
wurde. Bekannt wurde sie auch dadurch, dass sie es vorzog, die Geldstrafen,
die sie für das Anketten an Bahngleisen erhalten hatte, tatsächlich in Haft
abzusitzen. Außerdem machte sie Werbung fürs Containern, schrieb Bücher,
tourte durch Talkshows und [2][besetzte den Flensburger Bahnhofswald].
Vor Gericht findet sie sich deshalb öfter mal wieder, mal auf der einen,
mal auf der anderen Seite. Dieses Mal verklagte sie das Landeskriminalamt
Niedersachsen. Das hatte nämlich in ihren Augen ihr Auskunftsersuchen
unzureichend beantwortet. Das ist nun ein beliebtes Spiel, nicht nur
zwischen linken Aktivisten und dem Verfassungsschutz: Grundsätzlich hat
jede*r Bürger*in das Recht zu erfahren, was Ämter über ihn oder sie
gespeichert haben.
Aber natürlich haben vor allem Verfassungsschutz und Polizei ein Interesse
daran, sich nicht zu sehr in die Karten gucken zu lassen: was sie wissen
und vor allem – woher. Das Tauziehen darum, welche Auskünfte erteilt werden
müssen und welche verweigert werden dürfen, beschäftigt Verwaltungsgerichte
immer wieder aufs Neue.
Auch Hanna Poddig hat bei etlichen Stellen Auskunftsersuchen erstellt –
aber keine hat so wortkarg geantwortet wie das LKA Niedersachsen. Zwar
rückte die Behörde einige Daten raus, schwärzte die Akten an vielen anderen
Stellen aber auch großzügig – und zwar ohne dies im Bescheid wirklich zu
begründen. Da stand nur ein Satz mit dem pauschalen Hinweis auf eine der im
Niedersächsischen Datenschutzgesetz definierten Ausnahmen. Demnach ist die
Behörde nicht zur Auskunft verpflichtet, wenn sonst die öffentliche
Sicherheit oder das Wohl des Landes gefährdet wäre.
Das, so viel ließ auch die vorsitzende Richterin Andrea Reccius
durchblicken, sei in der Tat ein bisschen arg knapp ausgefallen. Strittig
war am Mittwoch in Hannover allerdings noch, was denn nun daraus folgt.
Poddigs Rechtsanwältin Anna Luczak hätte es gern gesehen, wenn das
Verwaltungsgericht hier ein paar Pflöcke eingeschlagen und die Behörde
gezwungen hätte, im Bescheid zumindest zusammenfassende, abstrakte
Begründungen anzugeben.
Also zum Beispiel etwas wie „hier sind schutzwürdige Daten Dritter berührt�…
oder „hier geht es um den Informationsaustausch mit anderen Behörden“.
Andere Länder, wie etwa Berlin, würden das doch auch hinkriegen, selbst der
Verfassungsschutz begründe häufig ausführlicher, so Luczak.
## Befremdliches Schweigen
Sie findet die Schweigsamkeit des LKA in diesem Fall vor allem deshalb
befremdlich, weil ihre Mandantin ja in der Regel – so geht es zumindest aus
den ungeschwärzten Teilen der Akten hervor – bei öffentlichen,
publikumswirksamen Aktionen beobachtet wurde. Worin besteht also das
Geheimhaltungsinteresse, wenn sich die Hälfte der Informationen ohnehin aus
Pressefotos zusammen puzzeln lassen?
Das LKA argumentiert dagegen, es könne hier nicht einfach Zusammenfassungen
liefern, weil die ja auch Rückschlüsse auf die verweigerten Auskünfte
zulassen würden. Und das Verwaltungsgericht Hannover scheut sich, der
Polizei umfangreichere Pflichten aufzuerlegen. Ein solcher Anspruch ließe
sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht ablesen, meint die Richterin.
Und sei im Übrigen nur schwer umsetzbar und vollstreckbar.
## Gericht kennt die Akten selbst nicht
Immerhin, sagt die Vorsitzende, gebe es ja ein gesichertes Verfahren, um
die Rechte der Klägerin zu wahren, wie es auch in diesem Fall Anwendung
gefunden habe. Auf Poddigs Antrag hin hatte sich nämlich schon das
Oberverwaltungsgericht im sogenannten In-Camera-Verfahren mit den Akten
befasst. Dabei werden die ungeschwärzten Akten einem Fachsenat vorgelegt,
der darüber zu urteilen hat, ob die Geheimhaltung hinreichend begründet
ist.
„In Camera“ heißt das Verfahren, weil die Informationen die zuständige
Kammer nicht verlassen dürfen – anders als bei sonstigen Prozessakten
erhalten die Verfahrensbeteiligten und ihre Anwälte keinen Einblick. Auch
das Verwaltungsgericht Hannover weiß also nicht, was in den Akten steht,
über die es hier entscheidet.
14 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=O5bKM9i8rZk
[2] /Flensburger-Baumbesetzerinnen-bleiben/!5753150
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Polizei
Niedersachsen
Geheimdienst
Bürgerrechte
Schwerpunkt Klimawandel
Flensburg
Lesestück Recherche und Reportage
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