# taz.de -- Illegale Pkw-Maut in Deutschland: Eine Bilanz des Scheiterns | |
> Obwohl die Pkw-Maut von Anfang an umstritten war, hat die CSU sie gegen | |
> alle Warnungen durchgedrückt. Auf den Kosten bleiben die Steuerzahler | |
> sitzen. | |
Bild: Augen-zu-und-durch-Politik: Hat in CSU-geführten Verkehrsministerien Tra… | |
An Warnungen hatte es nicht gemangelt. Zuletzt hatte der Wissenschaftliche | |
Dienst des Deutschen Bundestags vor gut zwei Jahren noch einmal | |
dargestellt, warum er die in Deutschland geplante [1][Pkw-Maut für | |
europarechtswidrig] hält: Sie stelle eine „mittelbare Diskriminierung aus | |
Gründen der Staatsangehörigkeit“ dar, schrieben die Juristen des Parlaments | |
– und kamen damit zum exakt gleichen Schluss wie nun der EuGH. Doch Andreas | |
Scheuer, damals noch CSU-Generalsekretär, ließ sich davon nicht beirren. Im | |
Gegenteil: Er warf den Experten Unfähigkeit vor: „Bei so viel fachlicher | |
Ignoranz muss man die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen Dienstes | |
stellen“, schrieb Scheuer [2][seinerzeit auf Twitter]. | |
Auch als Verkehrsminister wies Scheuer später jede Kritik an dem | |
Lieblingsprojekt seiner Partei zurück. „Die Maut ist europarechtskonform“, | |
versicherte er noch im Februar ohne jede Spur eines Zweifels. Damit setzte | |
er die Augen-zu-und-durch-Politik seines Amtsvorgängers Alexander Dobrindt | |
nahtlos fort. Der hatte 2014 angekündigt: „Am 1. Januar 2016 wird die | |
Pkw-Maut scharf gestellt.“ Ein Misserfolg galt in der Partei schlicht als | |
undenkbar. „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“, hatte der damalige | |
CSU-Chef Horst Seehofer 2013 erklärt, als er Dobrindt mit dem Auftrag, die | |
von der CSU im Wahlkampf versprochene „Ausländer-Maut“ durchzusetzen, ins | |
Kabinett schickte. | |
Jetzt, nach dem EuGH-Urteil, erkennt auch Scheuer an, die Maut sei „in | |
dieser Form leider vom Tisch“. Nach dem Betreuungsgeld, das 2015 für | |
verfassungswidrig erklärt wurde, ist damit ein weiteres zentrales Projekt | |
der CSU vor Gericht gescheitert – und mit ihm die sogenannte | |
Verkehrspolitik, für die die Partei in den letzten Jahren stand. Die | |
setzte, bevor Scheuer zuletzt auch ein wenig Interesse für Bahn- und | |
RadfahrerInnen entwickelte, vor allem auf Autofahrer-Populismus: Das | |
CSU-geführte Verkehrsministerium bekämpfte Fahrverbote für dreckige Diesel | |
ebenso intensiv wie ernsthafte Klimaschutzbemühungen im Verkehr auf | |
EU-Ebene. | |
Auch die Maut wurde offiziell damit begründet, Geld einzunehmen, um noch | |
mehr Straßen bauen zu können. Berechnungen, dass die Erhebung der Maut am | |
Ende mehr kosten würde, als sie einbringt, dämpften die Begeisterung | |
trotzdem nicht – denn in Wahrheit ging es vor allem darum, Stimmung gegen | |
AusländerInnen zu machen, die die deutschen Autobahnen im Pkw bisher | |
kostenlos benutzen. | |
Im Ergebnis tritt nun das Gegenteil ein: Ausländische Autos fahren | |
weiterhin kostenlos, der deutsche Steuerzahler wird hingegen zusätzlich zur | |
Kasse gebeten werden. Denn zum einen werden sich allein die Kosten zur | |
Vorbereitung der Maut bis Jahresende auf 128 Millionen Euro belaufen. Zum | |
anderen hat Scheuer trotz des noch ausstehenden EuGH-Urteils bereits | |
Verträge mit den geplanten Betreibern des Mautsystems unterschrieben, dem | |
deutschen Ticket-Anbieter CTS Eventim und dem österreichischen Unternehmen | |
Kapsch TrafficCom. Diese sollten die Maut 12 Jahre lang eintreiben und | |
dafür rund 2 Milliarden Euro erhalten. | |
## Gebühr pro Kilometer? | |
Wie viel von diesem Geld nun trotz des Scheiterns der Maut fließen wird, | |
ist noch unklar. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer geht davon aus, dass | |
ein erheblicher Teil der Summe bezahlt werden müsse. „Die diversen Verträge | |
mit Firmen zur technischen Umsetzung der Ausländer-Maut werden richtig | |
teuer“, sagte er. „Da geht es um umfangreiche Anfangsinvestitionen und | |
entgangene Gewinne.“ CTS Eventim und Kapsch erklärten, ihnen entstehe durch | |
das Aus für die Maut kein Schaden. Das Verkehrsministerium äußerte sich auf | |
Anfrage nicht zu den finanziellen Folgen der Entscheidung. „Der Minister | |
hat eine Task Force eingesetzt, die heute erstmals tagt“, teilte eine | |
Sprecherin lediglich mit. „Diese wird sich auch mit den Auswirkungen des | |
Urteils befassen.“ | |
Die SPD, die die Maut nur widerwillig mitgetragen hatte, äußerte | |
Genugtuung. Die Kriterien, die man zur Voraussetzung für die Einführung | |
gemacht habe, seien nun nicht mehr erfüllt, sagte der kommissarische | |
Co-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel, das Projekt damit vom Tisch. Für die | |
Linke sprach Victor Perli von einem „Totalschaden für die CSU und ihren | |
Verkehrsminister Andreas Scheuer“. | |
Ob es einen neuen Anlauf für eine veränderte Maut geben wird, ließ Scheuer | |
offen. Sofern es sich dabei statt der geplanten Pauschalbeträge um eine | |
streckenbezogene Maut für alle handeln würde, dürfte sich der | |
Verkehrsminister über neue Verbündete freuen: Das Umweltbundesamt und der | |
BUND sprachen sich am Dienstag für ein solches Modell aus, bei dem für | |
jeden gefahrenen Kilometer eine Gebühr fällig würde. | |
18 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-des-Europaeischen-Gerichtshofs/!5604202 | |
[2] https://twitter.com/AndiScheuer/status/832536208853045248 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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