# taz.de -- Horrorfilm von 1981 auf dem Index: Legendenstatus „Gewaltexzess“ | |
> Warum verbietet der Staat mündigen Bürgern das Streamen fiktionaler | |
> Filme? Gedanken anlässlich des Gerichtsbeschlusses zu „Tanz der Teufel“. | |
Bild: Schon ein bisschen gruselig, oder? | |
An sich eine lapidare Meldung: Nach Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten | |
ist der Horrorfilm „Tanz der Teufel“ nicht mehr länger nach § 131 StGB | |
(Gewaltverherrlichung) beschlagnahmt. | |
Da dieses De-facto-Totalverbot vom Tisch ist, bietet sich dem Rechteinhaber | |
Sony nun die Möglichkeit, bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende | |
Medien (BPjM) eine Indexstreichung des 1981 entstandenen, 1984 erstmals per | |
Gerichtsbeschluss eingezogenen Films zu beantragen. | |
Einer rechtlich sicheren Veröffentlichung des Films stünde im absehbaren | |
Erfolgsfall nichts mehr entgegen. Auch im Fernsehen könnte er dann laufen. | |
Als dies vor Kurzem bekannt wurde, kamen manchem Horrorfan dennoch Tränen | |
der Rührung. Denn das als Spaßprojekt unter Freunden mit einer 16-mm-Kamera | |
im Wald realisierte Langfilmdebüt des heute längst in Hollywood | |
angekommenen Regisseurs Sam Raimi genoss in Deutschland infolge seiner | |
Zensurgeschichte lange Legendenstatus: Seine angeblichen Gewaltexzesse | |
waren Gegenstand zahlreicher Schulhofspekulationen. | |
## Das heutige Kino ist längst viel drastischer | |
Klandestin kursierende Videokopien der x-ten Generation galten als Trophäen | |
mit dem Ruch des Verbotenen. Sie zeigten den Film zwar farbentsättigt und | |
verrauscht; doch die angestachelte Fantasie setzte dies erst richtig in | |
Gang. Demgegenüber tritt heute eher der Charme des Handgemachten zutage; | |
der Atmosphäre des (im Übrigen von Coen-Bruder Joel Coen montierten) | |
Splatterklassikers tut dies keinen Abbruch. | |
Vor diesem Hintergrund wirkt das lange währende staatliche Totalverbot nur | |
noch absurder, als es eh schon ist, wenn ein Staat seinen mündigen Bürgern | |
fiktionale Werke begütigend vorenthält: Das heutige Kino ist längst viel | |
drastischer und realistischer – mitunter schon ab FSK 16. | |
Für die Fans ändert sich eh nichts: Sie haben den Film längst zu Hause – | |
illegal aus dem Netz oder als Sammleredition, importiert etwa aus | |
Österreich, wo es eine ähnliche Verbotspraxis nicht gibt und DVD-Labels an | |
deutschen Kunden gut verdienen. Auch auf gängigen Online-Videoportalen ist | |
der Film im Nu zu finden. | |
Die sehr deutsche, sehr bürokratische Praxis des Indizierens und | |
Beschlagnahmens ist in der heutigen Medienkultur so possierlich und | |
anachronistisch wie eine Videokassette, kostet aber viel Steuergeld, das | |
woanders besser aufgehoben wäre. | |
## Vielleicht macht das Schule | |
War die BPjM für die Videokinder der 1990er noch der Gottseibeiuns, ist sie | |
heutigen Kids wahrscheinlich kaum mehr ein Begriff. Im Zeitalter | |
niedrigschwelliger Zugänglichkeiten hat sie auf deren Medienkonsum keine | |
Auswirkung. | |
Dass Sony in Sachen „Tanz der Teufel“ plötzlich rege wird, dürfte handfes… | |
Gründe haben: Im September nimmt Amazon die Serie „Ash vs Evil Dead“ ins | |
Streamingangebot auf. Deren zehn Episoden bilden nach zwei Kinosequels den | |
bereits vierten Teil von „Tanz der Teufel“ und für Sony wohl Anreiz genug, | |
um beim Amtsgericht wegen alter Geschichten anzuklopfen. | |
Vielleicht macht das Schule: George A. Romeros stilprägender Zombiefilm | |
„Dawn of the Dead“, im Ausland als Meisterwerk gefeiert, ist in Deutschland | |
noch immer schmerzlich unter Verschluss. | |
16 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
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