# taz.de -- Neue Dokus im Fernsehen: Fakten statt Fiction | |
> Das Genre Dokumentation ist bei Sendern derzeit gefragt wie nie. Bald | |
> starten zwei Kanäle, die sich darauf spezialisiert haben. | |
Bild: Für Jung und Alt: ZDFinfo liegt bei den 14- bis 49-Jährigen gleichauf m… | |
Wenn Robert Bachem sagen soll, was sein Sender bietet, dann fallen drei | |
Schlagwörter: Wolf-Christian Ulrich, PBS und Franco. Das ist die Bandbreite | |
von ZDFinfo, das seit fünf Jahren konsequent ein Doku-Kanal sein will. | |
Ulrich ist der vielleicht wichtigste Mann von ZDFinfo-Chef Bachem: Wenn der | |
sich nicht zu brutal früher Stunde ins Hauptstadtstudio schleppt, um das | |
„Morgenmagazin“ zu moderieren, dann produziert er für ZDFinfo. | |
Ulrich war erst unterwegs als „Ulrich protestiert …“ – „…für Jobno… | |
oder auch „…für ein unabhängiges Bayern“. Er ist zwar eigentlich nicht … | |
Typ, dem man Protest abnimmt, aber davon abgesehen waren das kluge, da vor | |
allem nachdenkliche Filme. Nun führt Ulrich in „Geschichte treffen“ zu | |
einem Ereignis – etwa dem Ringen um die deutsche Einheit – fünf Interviews, | |
um „Talk, Reportage und Dokumentation zusammenzubringen“, wie der Sender | |
wirbt. Ulrich ist zwar Musikwissenschaftler und damit kein zweiter Guido | |
Knopp, aber was soll’s! Auch dieses Format ist einen Tipp wert. | |
Vor allem ist Ulrich mit seiner Kontinuität aber das heimliche Maskottchen | |
von ZDFinfo. „Es ist verdammt schwer, für so einen Kanal ein eigenes | |
Gesicht aufzubauen“, sagt Senderchef Bachem. „Selbst wenn man noch so | |
fleißig ist, kann man nicht ständig in Dokumentationen auftauchen.“ Das | |
nehme man zwar sogenannten Presentern aus Großbritannien ab, aber hier | |
keinem. „Ulrich produziert etwa acht Dokus im Jahr. Mehr geht nicht.“ | |
Zuletzt kam ZDFinfo auf 122 Eigenproduktionen im Jahr. | |
Senderchef Bachem kauft aber auch fleißig Externes ein: 450 Produktionen, | |
oft geschnürt in ganze Pakete, wie eben jenes vom US-Anbieter PBS. Der | |
ZDF-Ableger sendet dann synchronisierte Fassungen von „Obama at War“, aber | |
auch Dokus über Sterbehilfe in aller Welt. Ein Mix, der funktioniert. | |
## So viel wie ZDFneo | |
„Wir waren offen gestanden alle ein wenig verwundert, dass solche Stoffe | |
junge Zuschauer locken“, sagt Bachem. Inzwischen liege ZDFinfo bei den 14- | |
bis 49-Jährigen gleichauf mit ZDFneo, heißt konkret: ein Marktanteil von | |
zuletzt im Jahresschnitt gut 1,1 Prozent. Auch deshalb traut sich Bachem an | |
die Königsdisziplin heran: aufwendige Filme, die mehr kosten als die | |
üblichen gut 50.000 Euro. Eingetütet ist eine Produktion über Franco. „Hier | |
gibt uns unsere Tochter ZDF Enterprises etwas dazu und will die Filme dann | |
in Spanien und Südamerika verkaufen.“ | |
Beim ZDF geht der Plan also auf, einen ganzen Kanal mit Dokumentationen zu | |
bespielen. Auch andernorts läuft das Genre offensichtlich gut: Sowohl Kabel | |
eins also auch N24 wollen im September eigene Doku-Ableger starten. Bei | |
Kabel eins heißt es, man sehe „definitiv Potenzial bei Zuschauern, die sich | |
für das Genre 'Dokumentation’ interessieren“, und will deshalb | |
internationale Produktionen wie „Der Wilde Westen – die wahre Geschichte“ | |
und „Echte Teufelskerle – Männer am Limit“ nach Deutschland holen. | |
N24 wiederum setzt auf einen Kniff: Der Sender, der ohnehin oft | |
Dokumentationen statt Nachrichten zeigt, will per „Timeshift“-Verfahren auf | |
dem neuen Kanal, N24 Doku, das Hauptprogramm wiederholen und die Zeit, in | |
der auf dem Hauptkanal doch einmal Nachrichten laufen, mit weiteren Dokus | |
auffüllen. „Tatsächlich haben wir die Budgets für Dokumentationen erhöht�… | |
sagt Sendersprecherin Kristina Faßler. N24 Doku produziert etwa gerade | |
„Foodreportagen“ und „Spacetime“ mit dem einstigen Astronauten Ulrich | |
Walter. | |
Auf dem N24-Hauptsender künftig mehr Nachrichten zu zeigen ist allerdings | |
nicht geplant: Faßler sagt ganz klar, an dem Zweisäulenmodell Doku und | |
Nachrichten werde man „nichts grundsätzlich verändern“. Im Gegenteil: Das | |
„Timeshift“-Verfahren solle gerade helfen, N24 „abzusichern“. Schließl… | |
entwickle sich bei Dokus ein „nicht zu unterschätzender | |
Verdrängungswettbewerb“. Bedeutet: Im Grunde spekuliert man darauf, mehr | |
Zuschauer zu finden, indem man einen existierenden Sender quasi kopiert. | |
ZDFinfo-Chef Bachem hingegen mag von einem Verdrängungswettbewerb nichts | |
hören. Er nennt Dokumentationen eine „gefragte Ware“. Man müsse da nur an | |
Netflix und all die anderen neuen Streaming-Anbieter denken, die eigene | |
Dokumentationen in Auftrag gäben – weil Dokus eben geklickt würden. | |
## Jetzt kommen die Privaten | |
„Bislang war der Markt – auch international – allerdings sehr von | |
öffentlich-rechtlichen Sendern geprägt“, sagt Bachem. „Das ändert sich | |
jetzt.“ Die neue Konkurrenz aus Streaming-Diensten und weiteren dezidierten | |
Doku-Kanälen zwinge das ZDF und damit ihn letztlich, sich „eindeutig“ zu | |
positionieren. | |
Bachem bekommt für diese neue Ära zwar keine üppige Kriegskasse. Während er | |
in den vorherigen Jahren aber noch anderes wie den sehr gewollt | |
interaktiven Talk „Log-in“ aus seinem Budget bezahlen musste, darf er sein | |
Geld heute komplett für neue Dokus ausgeben. Immerhin. | |
25 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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