# taz.de -- Hitzewelle in Europa: Der neue Hot Take | |
> Die Klimakrise konfrontiert uns immer häufiger mit gefährlicher Hitze. | |
> Medien präsentieren das noch zu oft als willkommenen Freizeitspaß. | |
Bild: Früher war jeder überdurchschnittlich warme Tag ein Grund zur Freude �… | |
Das Adrenalin schnellt durch den Körper, eine erwartungsvolle Sekunde noch, | |
gleich wird das Wasser bersten, sich erfrischend um den Körper wiegeln. Der | |
Schnappschuss saß: Die Kamera fing einen Kopfsprung im Freibad ein, im | |
Moment vor dem Eintauchen, im Hintergrund die vielen anderen Badegäste. Das | |
Ergebnis landete in der taz. Daneben stand [1][in großen Lettern: „Heiß, | |
heißer, Hitzewelle“]. Im Text darunter gab es Tipps, wie mit den aktuellen | |
Extremtemperaturen umzugehen sei. Warum ist Hitze eigentlich so gefährlich? | |
Welchen Schutz müssen Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen bieten? Wie | |
kann man die besonders heißen Städte kühlen? | |
Ein typischer Medienbericht aus Sicht der Geografieprofessorin Saffron | |
O’Neill von der britischen Uni Exeter – aber einer, wie sie ihn eigentlich | |
nicht gern sieht. Das hat gar keine inhaltlichen Gründe. Im Gegenteil: | |
O’Neill ist auf den Klimawandel spezialisiert. Dass die Bevölkerung vor | |
Hitze gewarnt wird, ist ihr wichtig. Schon jetzt, bei etwa 1,2 Grad | |
Erderhitzung, werden [2][Hitzewellen schließlich fast überall auf der Welt] | |
häufiger und extremer. Der Effekt ist stich- und hiebfest nachgewiesen – | |
und gefährlich. Titel und zentrales Ergebnis von O’Neills kürzlich als | |
Preprint erschienenen Studie lautet aber: „Visuelle Abbildung in | |
europäischen Medien von Spaß in der Sonne stellt Hitzerisiken falsch dar.“ | |
Mit einem interdisziplinären Team hat O’Neill nach den europäischen | |
Hitzewellen im Sommer 2019 Berichte in französischen, deutschen, | |
niederländischen und britischen Medien analysiert. Dabei fanden die | |
Wissenschaftler:innen heraus: In allen vier Ländern wurden die Texte | |
zu dem Thema oft positiv bebildert, zum Beispiel mit sommerlichen | |
Freizeitaktivitäten. Menschen beim genüsslichen Sonnenbad, Badespaß am See, | |
Kinder beim Eisessen. | |
Das war sogar so, wenn es in den Texten ausdrücklich um die Gefahren der | |
Hitze ging. Für den Körper ist es schließlich gefährlich, wenn die | |
Temperaturen zu hoch steigen, besonders für Kinder und alte und kranke | |
Menschen. Hitze ist in Europa das mit Abstand tödlichste Extremwetter. | |
Während länderübergreifend weniger als ein Prozent der Texte die Hitze als | |
positiv beschrieben, galt das für mehr als 30 Prozent der Bilder. | |
## Früher Freude, heute Sorge? | |
Besonders eindrücklich war das in Großbritannien und in den Niederlanden. | |
Die Foto-Kategorie „Spaß in der Sonne“, wie die Wissenschaftler:innen | |
sie benannt haben, war in den beiden Ländern sogar die häufigste. In | |
Deutschland und Frankreich landete sie aber auch noch auf Platz 2. Häufiger | |
war in den beiden Ländern nur Fotos, in denen Hitze an sich verbildlicht | |
werden sollte, etwa in Form von Thermometern oder Sonnenstrahlen. Diese | |
Bilder wiederum enthalten aber oft keine Menschen. In allen Ländern wenig | |
verbreitet waren Bilder davon, wie sich Hitze konkret auswirkt. | |
„Diese Forschungsergebnisse haben Folgen für die visuelle Kommunikation des | |
Klimawandels“, schreiben die Studienautor:innen. „Wenn wir uns Hitzewellen | |
als entspannte Tage und Ferien vorstellen, als willkommene und heiß | |
erwartete Ereignisse, verdrängen wir die unangenehmen, alltäglichen | |
Realitäten der Hitzewellen zu Hause, auf Arbeit, auf Reisen und so weiter.“ | |
[3][Die heißen Tage] einfach gemütlich am Strand oder am Pool zu | |
verbringen, vielleicht sogar im eigenen grünen Garten oder ganz im Urlaub, | |
ist schließlich nicht für alle möglich und erst recht nicht immer. „Die | |
aktuell übliche visuelle Darstellen von Hitze hat zwei Nachteile“, | |
kommentierte O’Neill auf Twitter. „Man marginalisiert die Probleme von | |
besonders verletzlichen Menschen während Hitzewellen und man vergibt die | |
Chance, sich eine besser vorbereitete Zukunft vorzustellen.“ | |
Also zum Beispiel durch die Abbildung von Lösungen, von alltäglichen | |
Verhaltensoptionen. Je nach Kontext könnten das vielleicht begrünte | |
Fassaden sein, die die Städte kühlen, oder eine Familie, die sich | |
zweckmäßig um den Ventilator schart. Und wenn es doch das Eisessen sein | |
soll: vielleicht mal als gezielte Kühlmaßnahme im Altersheim statt bei | |
fröhlichen Jugendlichen. Die [4][Klimakrise könnte] oder müsste also | |
verändern, wie man über Wetter redet. | |
Früher war eben jeder überdurchschnittlich warme Tag ein Grund zur Freude, | |
ein Zeichen eines guten Sommers. Allerdings bleibt es auch in Deutschland | |
immer häufiger nicht bei Sommertagen, die der Deutsche Wetterdienst mit 25 | |
Grad Spitzentemperatur bemisst. Heiße Tage, laut Deutschem Wetterdienst mit | |
Spitzen über 30 Grad, gab es zwar auch früher ab und zu – sie haben sich | |
seit Anfang der achtziger Jahre aber fast verdreifacht. Besonders betroffen | |
sind der Osten und der Südwesten Deutschlands. | |
Die Medienbranche durchläuft aber auch schon seit geraumer Zeit einen | |
Wandel. Früher habe es immer geheißen: Je wärmer, desto besser, erzählt der | |
ZDF-Wettermoderator Özden Terli. „Ich spreche in meinem Wetterbericht | |
eigentlich überhaupt nicht mehr von schönem Wetter“, sagt er. „Schönes | |
Wetter ist es ja nur, wenn es nicht den Körper belastet.“ | |
19 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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