| # taz.de -- Hilfe für Aktivist*innen: Klima-Angst essen Seele auf | |
| > In Hannover haben die „Psychologists for future“ zum ersten Mal zum | |
| > Klimacafé geladen. Sie bieten einen geschützten Raum für Wut, Angst und | |
| > Trauer. | |
| Bild: Die Klimakrise ist in mehr als einer Hinsicht auch eine psychologische Kr… | |
| Hannover taz | Auf den ersten Blick klingt das nach einer Steilvorlage für | |
| höhnische Troll-Kommentare: Ein „Klimacafé“, in dem über „Klimagefühl… | |
| geredet werden kann und soll. Dazu haben die beiden Psychotherapeutinnen | |
| Monika Krimmer und Andrea Gerhardt von den „Psychologists for future“ zum | |
| ersten Mal in das Kulturzentrum Pavillon in Hannover eingeladen. Und 20 | |
| Menschen kamen. | |
| Nun ist – auch in der taz – schon viel darüber geschrieben worden, | |
| [1][inwieweit die Klimakrise auch eine psychologische Krise ist]: | |
| Angefangen bei der enormen Verdrängungsleistung, die es braucht, um den | |
| Ernst der Lage zu verkennen, über die „Klima-Angst“ der Jugendlichen, die | |
| mit den Folgen leben müssen, bis hin zu den Auswirkungen, die die sich | |
| zuspitzenden Konflikte in Folge des Klimawandels [2][unweigerlich auf die | |
| mentale Gesundheit haben] werden. | |
| Beim Klimacafé geht es aber vor allem um diejenigen, die sich schon | |
| engagieren oder es gern würden. Am ersten Abend besteht die Gruppe ungefähr | |
| je zur Hälfte aus Aktivist*innen diverser Gruppen und aus Menschen, die | |
| sich Gedanken machen, aber keiner festen Gruppe angehören. Auch altersmäßig | |
| ist das Spektrum ziemlich groß und reicht von Jugendlichen bis hin zu | |
| „Grandparents for future“. | |
| Sie alle sitzen in einem großen Stuhlkreis in dem ansonsten eher kargen | |
| Seminarraum. Die Initiatorinnen haben für Tee und Kekse gesorgt, Kerzen und | |
| Naturmaterialien wie Moos, Tannenzapfen und Rinde in die Mitte gelegt, um | |
| zumindest ein wenig anschaulich und fühlbar zu machen, worum es hier ja | |
| immerhin auch geht. | |
| ## Raum für leisere Gefühle | |
| Er sei nur hier, weil seine Frau ihn mitgeschleppt habe, sagt Hans-Olaf | |
| Zintz augenzwinkernd. Als Ingenieur würde er sich grundsätzlich als | |
| Kopfmenschen beschreiben. Aber wie die Meisten hier kennt er eben auch das | |
| frustrierende Gefühl, allein auf weiter Flur zu stehen – zum Beispiel auf | |
| der Arbeit. Die wenigsten können sich den Luxus leisten, sich | |
| ausschließlich unter Gleichgesinnten zu bewegen. | |
| Frust, Ärger und Wut über die Ignoranz ihrer Umwelt hätten in der Sitzung | |
| erst einmal viel Raum eingenommen, berichtet eine andere Teilnehmerin. | |
| Wobei die beiden Initiatorinnen darauf achteten, dass nicht herumdiskutiert | |
| wurde. „Es geht hier nicht darum, Lösungen zu diskutieren, Ratschläge zu | |
| erteilen oder noch einen drauf zu setzen“, sagen Krimmer und Gerhardt. | |
| Deshalb gilt zum Beispiel ein striktes Unterbrechungsverbot. | |
| Sowohl in den Zweiergesprächen zum Aufwärmen zu Beginn als auch im großen | |
| Stuhlkreis, in dem die weiteren Gespräche geführt werden, soll ein | |
| achtsamer Umgang miteinander gepflegt werden. | |
| [3][Es gehe darum, diese Gefühle einfach einmal zuzulassen, zu teilen, | |
| gemeinsam auszuhalten, auch wenn sie unangenehm sind, sagen die | |
| Psychologinnen.] Das Wahrnehmen und Anerkennen verhindere, dass sie sich | |
| andere Ventile suchen, sich destruktiv auswirken, politische Diskussionen | |
| heillos vergiften. | |
| Im Idealfall lege das Aussprechen und Teilen auch das frei, was dahinter | |
| liegt: Auf das Aufwallen von Wut und Frust folgten die leiseren Gefühle von | |
| Angst, Trauer und Erschöpfung, irgendwann aber auch so etwas wie | |
| Dankbarkeit, Verbundenheit und Stärkung. | |
| Es habe sie erstaunt und berührt, wie sehr sich auch die männlichen | |
| Teilnehmer, die ja oft anders sozialisiert sind, geöffnet und verletzlich | |
| gezeigt hätten, sagt Viola Leisner, die ebenfalls am Gesprächskreis | |
| teilgenommen hat. Und das, obwohl sich die meisten untereinander vorher gar | |
| nicht kannten. | |
| Ob sie sich wiedersehen, ist auch ungewiss. Das Klimacafé versteht sich als | |
| offenes, niedrigschwelliges Angebot, das man je nach Bedarf einmal im Monat | |
| aufsuchen kann, erklärt Monika Krimmer. Es diene dazu, die | |
| Widerstandsfähigkeit, die Resilienz zu stärken, wieder ins Handeln zu | |
| kommen, ergänzt Andrea Gerhardt. | |
| ## Teil eines weltweiten Netzwerkes | |
| Die beiden stützen sich dabei auch auf das Buch „Klimagefühle. Wie wir an | |
| der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln“, geschrieben von den | |
| Gründerinnen des deutschen Zweiges der „[4][Psychologists for Future]“, Lea | |
| Dohm und Mareike Schulze. Eine Gruppentherapie ist das Klimacafé allerdings | |
| nicht. | |
| International gebe es solche Angebote schon seit 2015, promotet und | |
| vernetzt unter anderem vom ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, sagt | |
| Krimmer. Wobei der Veranstaltungstyp variiere – es gebe auch Klimacafés, | |
| die stärker mit Vorträgen arbeiten, dem sachlichen Input und der Vernetzung | |
| dienten. In Hannover möchten sie aber lieber weiter vor allem | |
| psychologische Rückendeckung anbieten. | |
| Nächste Termine: 23. 5. und 22. 6., 19 Uhr, Pavillon | |
| 30 Apr 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Psychologists-for-Future/!5902231 | |
| [2] /Psychotherapeutin-ueber-Klimakrise/!5843214 | |
| [3] /Psychologin-zur-Klimakrise/!5879885 | |
| [4] https://www.psychologistsforfuture.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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