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# taz.de -- Psychotherapeutin über Klimakrise: „Auswirkungen sind komplex“
> Mit der Klimakrise werden psychische Erkrankungen zunehmen. Die
> Psychotherapeutin Lea Dohm gibt einen Workshop über Psychologie und
> Klimawandel.
Bild: Macht viele traurig: brennender Regenwald in Brasilien
taz: Frau Dohm, wie wirkt sich der Klimawandel auf die Psyche aus?
Lea Dohm: [1][Das ist bestens erforscht, und die Prognosen sind
schauerlich]: Mit fortschreitender Klimakrise werden Hitzeperioden länger –
und psychische Erkrankungen werden stark zunehmen. Mit der Hitze steigt die
Aggression, und auch Suizidalität hat einen nachweislichen Zusammenhang mit
Hitze. Zudem nimmt der gesellschaftliche Zusammenhalt ab. Deshalb müssen
wir einerseits Energie aufwenden, um zu verhindern, was noch zu verhindern
ist. Zugleich müssen wir Behandlungskapazitäten aufbauen. Nicht nur
personell, sondern auch räumlich.
Inwiefern?
Ich weiß, dass viele Psychiatrien noch gar nicht mit Klimatisierung
ausgestattet sind. Aber die Hitze war ja nur ein Beispiel. Die Auswirkungen
der Klimakrise auf die psychische Gesundheit sind sehr komplex. Die durch
das Ahrtal-Hochwasser traumatisierten Menschen brauchen eine Behandlung,
das wäre relativ direkt. Wenn aber ein nicht selbst vom Hochwasser
betroffenes Kind wochenlang nicht in den zerstörten Kindergarten gehen
kann, wirkt sich das auch auf seine psychische Gesundheit aus.
Trotzdem wird der Klimawandel teils noch bagatellisiert. Was bringt das der
Seele?
Verdrängung ist ein klassischer Abwehrmechanismus und erst mal nicht
pathologisch, sondern etwas Gesundes, um uns auf das Wichtigste zu
fokussieren. Nur kann das bei der Klimakrise dazu führen, dass das Thema
und der damit verbundene Handlungsdruck immer wieder nach hinten geschoben
werden. Da kann es helfen – und das tue ich in meinem Workshop über
Psychologie und Klimawandel –, über diese Abwehrmechanismen aufzuklären,
damit wir ihnen nicht auf den Leim gehen.
Wie verhindern wir das?
Es geht darum, ins Handeln zu kommen, indem wir einen persönlichen Bezug
zum Klimawandel herzustellen und verstehen: Was bedeuten 1,5 oder zwei Grad
Erhitzung für meinen Wohnort, meine Berufswahl, meine Altersversorgung?
Wenn wir das Gefühl haben: „Es ist ernst, es betrifft mich, und ich kann
etwas tun“, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir aktiv werden,
möglichst – auch – als Gruppe. „Fridays for Future“ hat es vorgemacht,…
bei Demonstrationen können wir nicht stehen bleiben. Und da hat es zum
Beispiel eine starke Wirkung auch auf meine Motivation, wenn ich bei meinem
Arbeitgeber durchsetzen kann, dass die Nummer eins der Kantinengerichte
vegetarisch ist – oder dass sich mein Sportverein engagiert, um Radfahren
in der Stadt attraktiver zu machen.
Aber was nützt dieses Kleinklein, wenn in China weiter Umwelt zerstört, in
Brasilien massiv Regenwald abgeholzt wird?
Das ist ein typischer Verzögerungsdiskurs – wie auch das Argument „es ist
jetzt sowieso zu spät“. Ja, für einige Sachen ist es zu spät. Aber wir
können auch viel tun, es ist das entscheidende Jahrzehnt für Veränderung.
Und ja, es stimmt, es läuft weltweit immer noch viel schief. Es läuft aber
auch viel gut. China etwa hat bereits eine deutlich niedrigere
Pro-Kopf-Emission als Deutschland.
Und was läuft im Regenwald gut?
Dazu fällt allerdings auch mir nichts Tröstliches sein. Aber es hat
letztlich keinen Sinn, in die Ferne zu verweisen, statt selbst ins Handeln
zu kommen. Um das zu erleichtern, [2][bieten die „Psychologists for
Future“, bei denen ich aktiv bin, zum Beispiel ein kostenfreies
Beratungsangebot]. In bis zu drei Sitzungen kann man sich beraten lassen,
wenn es einem nicht gut geht mit Klimagefühlen oder wenn es im eigenen
Engagement irgendwo hakt.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, können Sie sich rund um die Uhr an die
Telefonseelsorge wenden: ☎ 0800-111 01 11, ☎ 0800-111 02 22,
[3][www.telefonseelsorge.de]
4 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-m…
[2] https://www.psychologistsforfuture.org/
[3] https://www.telefonseelsorge.de
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
IG
Psyche
Schwerpunkt Klimawandel
Psychische Erkrankungen
psychische Gesundheit
Kolumne Great Depression
Flut
Apokalypse
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