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# taz.de -- Depressiv in der Krise: Schon krank oder noch überfordert?
> Es ist längst zu viel geworden: Klimakrise, Pandemie, nun ein alles
> überschattender Krieg. Die Arbeit lenkt immerhin ab, nur: Wer weiß, ob
> das gut ist.
Bild: Gedanken wie Kugeln: ist der eine verschwunden, kommt der andere wieder h…
Kennen Sie noch diese Geduldspiele, bei denen kleine silberne Kugeln in
Löcher befördert gehörten? Fünf oder sechs dieser Kügelchen rollten auf
Holz oder Plastik in einer kleinen Box umher. Meist, wenn nur noch eine
Kugel fehlte, man dem Ziel also nahe war, sprang an anderer Stelle wieder
eine qua Bewegung heraus.
So in etwa fühlt sich mein Kopf momentan an: Umherrollende Gedanken, die
kaum Möglichkeit finden innezuhalten. [1][Ich kann die aktuellen
Geschehnisse mental nicht mehr verarbeiten]. Es ist längst zu viel
geworden: Klimakrise, Pandemie, Menschen, die keinen Bock haben, und das
als Rechtfertigung nehmen, ihre Menschenfeindlichkeit offenzulegen – und
nun ein alles überschattender Krieg, angesichts dessen jedes Wort ekelhaft
banal klingt.
Ich wollte diesen Kolumnenplatz nutzen, um über psychische Erkrankungen
aufzuklären, anderen Trost zu spenden und vielleicht sogar das ein oder
andere Nützliche mitzugeben. Aktuell fühle ich mich dazu nicht in der Lage.
Habe ich Ende letzten Jahres an dieser Stelle noch gemunkelt, ob [2][ich
wieder in eine depressive Episode rutsche], weiß ich mittlerweile: Ich bin
mittendrin.
Sie kann noch nicht sehr schwer sein, denn sonst bekäme ich wohl kein Wort
mehr geschrieben. Oder? Ich bin selbst immer wieder erstaunt, was während
einer depressiven Episode noch geht und was plötzlich nicht mehr. Dabei
scheint die Krankheit keiner Logik zu folgen: An einem Tag kann ich
duschen, aufräumen, arbeiten und am nächsten breche ich zusammen, weil ich
mich außerstande fühle abzuwaschen. Die Frage ist: Bin ich schon krank oder
einfach überfordert – oder bedingt das eine das andere?
## Mit der Arbeit zuhause
Laut der Krankenkasse DAK ist der Arbeitsausfall aufgrund psychischer
Erkrankungen im Vergleich zu vor zehn Jahren um 41 Prozent gestiegen. Am
häufigsten sind Ausfälle dabei auf Depressionen zurückzuführen gewesen –
besonders seit der Pandemie haben sich aber auch Anpassungs- und
Angststörungen vermehrt. Wie damit umgehen? Gerade in einem Job, der das
tägliche Auseinandersetzen mit schrecklichen Nachrichten und Bildern
verlangt.
In einem in der [3][taz erschienenen Interview sagte der Journalist Olivier
David]: „Wenn ich sage, ich habe eine psychische Erkrankung, dann ist es
das eine, vom Journalismus zu sagen: Ja, cool, schildere deine Perspektive.
Aber die Frage ist, ob die Solidarität auch noch da ist, wenn du deinen
Abgabetermin nicht schaffst.“ Einer Depression ist es ziemlich egal, ob ein
Abgabetermin naht oder – und das ist vielleicht die schlimmste Erkenntnis –
ob ein Krieg nur zwei Flugstunden entfernt stattfindet.
Würde ich davon ausgehen, zum Arbeiten ins Büro gehen zu müssen, wäre der
Fall klar. Dank Homeoffice gestaltet sich die Lage schwieriger. Denn Arbeit
bedeutet immerhin Ablenkung vom ewigen Gedankenkreisen – von den silbernen
Kugeln, die einfach keine Ruhe finden wollen.
9 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Sophia Zessnik
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