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# taz.de -- Umgang mit depressiven Menschen: Es braucht viel Geduld
> Wer mit einem depressiven Menschen zu tun hat, stößt unweigerlich an
> seine Grenzen, denn der Umgang mit Ihnen ist anstrengend.
Bild: So eine depressive Episode zieht sich hin – und geht vorüber
Depressive Menschen sind anstrengend. Zumindest der Umgang mit ihnen ist
es. Ich weiß das, schließlich bin ich eine von ihnen. Während einer
depressiven Episode bin ich oft gereizt, außerdem klage und schwarzmale ich
– wenn ich denn überhaupt spreche. Meist ziehe ich mich zurück, sage
Verabredungen ab und antworte nicht – oder nur einsilbig – auf Nachrichten.
Das erfordert bei den Menschen in meinem Umfeld vor allem eines: Geduld.
Geduld ist die Kernkompetenz im Umgang mit Depressionen. Das gilt fürs
Umfeld ebenso wie für die Betroffenen selbst. Denn so eine depressive
Episode zieht sich je nach Intensität hin.
Ein bisschen ist es wie mit der Pandemie: Irgendwann will keiner mehr
darüber reden, geschweige denn daran denken. Alles soll einfach wieder
„normal“ sein – was auch immer das bedeutet. [1][Dem Coronavirus] ist es
aber egal, ob wir noch Bock auf es haben. Und so ist es eben auch mit einer
Depression: Die richtet sich nicht nach dem eigenen Lustempfinden und schon
gar nicht nach dem anderer.
Wer mit einem depressiven Menschen zu tun hat, stößt unweigerlich an seine
Grenzen: mal früher, mal später, aber in jedem Fall irgendwann. Und das ist
auch gut so. Schließlich kann niemand das alleine auffangen. „Es gibt den
schönen Satz: Der Gesunde muss darauf achten, dass er gesund bleibt“,
[2][sagte die Moderatorin Britta Nothnagel in einem Interview mit dem Zeit
Magazin Online]. Darin sprechen Nothnagel und ihre ehemalige Partnerin
Sonja Koppitz über deren Depression – und wie sich diese auf die gemeinsame
Beziehung ausgewirkt hat. Von Trauer ist dort die Rede, ebenso von
Hilflosigkeit und Schuldgefühlen. All das belastet eine Beziehung, egal ob
amourös, familiär oder freundschaftlich.
Während meiner bisher schwersten depressiven Episode Anfang zwanzig lebte
ich gerade mit einer Freundin zusammen. Wir hatten zusammen Abi gemacht,
waren gemeinsam in eine andere Stadt, in ein anderes Land gezogen,
verkehrten in denselben Kreisen und arbeiteten zeitweise sogar miteinander.
Als ich an einer Depression erkrankte und mich irgendwann so gut wie nicht
mehr aus dem Bett bewegte, zog sich meine Freundin zurück. Mich verletzte
das und ich verstand es nicht. Mit meinem heutigen Wissen denke ich, dass
sie sich mindestens hilflos, wenn nicht gar maßlos überfordert gefühlt
haben muss. Vermutlich wusste sie nicht, wie sie mir hätte helfen können.
Ich wusste es ja selber nicht.
„Wir haben Anna einen Psychiater und eine Therapie gesucht und reden viel.
Wenn Anna nicht schlafen kann, kommt sie zu mir […]. Mehr kann ich nicht
tun. Ich kann das nicht heilen“, schreibt Sarah Kuttner in [3][ihrem Roman
„Mängelexemplar“ von 2009]. Ich wünschte, ich hätte es damals schon gele…
gehabt. Dann hätte ich es meiner Freundin geben können. In dem Buch steckt
alles, was man als Laie im Umgang mit einer depressiven Person braucht.
24 Mar 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2021-12/depressionen-beziehung-partn…
[3] https://www.fischerverlage.de/buch/sarah-kuttner-maengelexemplar-9783596184…
## AUTOREN
Sophia Zessnik
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