| # taz.de -- Psychologin zur Klimakrise: „Emotionen sind ein Schlüssel“ | |
| > Angst, Wut und Trauer wegen des Klimas sind belastend, sagt die | |
| > Psychologin Katharina van Bronswijk. Aber sie lösen auch den Drang aus, | |
| > zu handeln. | |
| Bild: „Emotionen haben einen evolutionären Sinn“, sagt die Psychologin Kat… | |
| taz: Wer in Bezug auf die Klimakrise Gefühle wie Wut oder Angst offen | |
| zeigt, gilt schnell als hysterisch. Sie sagen: Man darf diese Emotionen auf | |
| keinen Fall aus der Debatte heraushalten. Wieso? | |
| [1][Katharina van Bronswijk]: Vorneweg: Unsere Gesellschaft ist insgesamt | |
| „emotionsphobisch“ – das ist nicht nur ein Problem in der Klimadebatte. W… | |
| halten uns grundsätzlich für total rationale Wesen und sind fast schon | |
| beleidigt darüber, dass wir auch Gefühle haben. Und zwar vor allem so | |
| unangenehme wie [2][Wut, Trauer, Schuld oder Scham]. Die empfinden wir als | |
| unnötig, denn sie passen nicht zu der kapitalistischen Erzählung von | |
| möglichst immer währendem Glück, nach der wir leben. Konsum und Arbeit sind | |
| da nur zwei der Strategien, um uns nicht mit diesen Gefühlen | |
| auseinandersetzen zu müssen. | |
| Warum ist das ein Problem? | |
| [3][Emotionen] haben einen evolutionären Sinn: Sie sagen uns, was wir | |
| gerade brauchen, und bewegen uns zum Handeln. Wenn wir uns zum Beispiel | |
| einsam fühlen, zeigt uns das, dass wir etwas ändern müssen – etwa indem wir | |
| mehr Kontakt zu anderen Menschen suchen. Das Gefühl ist unangenehm, aber | |
| wichtig. Auch unsere Gefühle zur Klimakrise funktionieren so: Sie sagen | |
| uns, dass etwas schiefläuft, und vor allem, dass wir etwas tun müssen. Dass | |
| die Gefühle dabei belastend sind, ist zwar nicht schön, aber wenn wir sie | |
| nicht als belastend empfinden würden, hätten wir keinen Drang, etwas zu | |
| ändern. | |
| Das heißt Gefühle wie Angst, Wut und Trauer können uns theoretisch | |
| motivieren, etwas gegen die Klimakrise zu tun? | |
| Genau. | |
| Wie lerne ich in einer „emotionsphobischen“ Gesellschaft, diese Gefühle | |
| zuzulassen? | |
| Menschen nehmen Gefühle auf unterschiedliche Weise wahr. Bei manchen | |
| verändern sie das Denken, andere spüren sie eher körperlich – etwa als | |
| Anspannung in den Schultern oder als Kloß im Hals. Zu erkennen, dass ein | |
| Gefühl dahinter steckt, ist der Anfang. Danach kommt einer der | |
| schwierigsten Schritte: akzeptieren, dass das Gefühl jetzt gerade da ist, | |
| und es nicht beiseiteschieben. Dabei hilft es, zu wissen, dass Gefühle wie | |
| eine Welle sind – sie bleiben nicht die ganze Zeit auf demselben Level. | |
| Wenn das Gefühl etwas abgeebbt ist, kann man schauen, was es uns sagen will | |
| und wie man konstruktiv damit umgehen kann. | |
| Haben Sie ein Beispiel? | |
| Angenommen, ich sehe in den Nachrichten, dass die Laufzeiten für | |
| Atomkraftwerke verlängert worden sind, und ärgere mich darüber. Dann spüre | |
| ich vielleicht Hitze in mir aufsteigen, rege mich auf und fluche innerlich. | |
| Das lasse ich erst mal zu. Und wenn die erste Wut dann abgeklungen ist, | |
| schreibe ich zum Beispiel an Herrn Habeck, warum ich seine Entscheidung | |
| falsch finde. Im besten Fall so konstruktiv, dass ein Minister etwas damit | |
| anfangen kann… | |
| Klingt zeitintensiv … | |
| Man kann sich vielleicht auch einfach bei jemand anderem auskotzen, die | |
| Gefühle abebben lassen – und dann weitermachen. Langfristig ist es bei der | |
| Klimakrise aber nicht die beste Lösung, immer nur abzuwarten, bis das | |
| Gefühl abgeflaut ist, denn davon löst sich dieses komplexe Problem nicht. | |
| Die negativen Gefühle werden immer wieder kommen. | |
| Was ist, wenn die Klimakrise nur lähmende Gefühle auslöst? | |
| Das Problem sind nie die Gefühle, sondern wie wir damit umgehen. | |
| Unangenehme Emotionen fokussieren unser Denken auf die Gefahr und lösen | |
| einen Handlungsimpuls aus. Das hat den Zweck, dass wir die bedrohliche | |
| Situation entweder verhindern oder, wenn das nicht geht, vermeiden. Früher | |
| hieß das: Da steht ein Säbelzahntiger vor mir, also muss ich jetzt kämpfen | |
| oder rennen. Das Problem ist, dass wir die Klimakrise nicht vom einen auf | |
| den anderen Moment lösen können. Wenn wir unsere Handlungsoptionen nicht | |
| kennen oder sie uns nicht ausreichend vorkommen, dann ist das frustrierend | |
| und kann tatsächlich lähmend sein. | |
| Was kann man da tun? | |
| Es ist extrem wichtig, dass wir nicht immer nur über die Probleme sprechen, | |
| sondern auch darüber, was jeder Einzelne zum Umbau der Gesellschaft | |
| beitragen kann. Das kann man selbst ein Stück weit steuern: Wenn man das | |
| Grundproblem der Klimakrise verstanden hat, muss man sich nicht immer | |
| tiefer in Katastrophenmeldungen graben, sondern kann sich mehr mit der | |
| Lösungsseite beschäftigen. | |
| Sollte jeder fürs Klima auf die Straße gehen? | |
| Worum es unseren Emotionen geht, ist, dass das Problem gelöst wird. | |
| Manchmal reicht es auch, im eigenen Verein oder Unternehmen Veränderungen | |
| anzustoßen. Man muss allerdings aufpassen, denn es gibt da eine Falle | |
| namens Alibiverhalten: Wir tun eine kleine Sache, um uns besser zu fühlen, | |
| bekämpfen damit das unangenehme Gefühl und rechtfertigen mit dieser kleinen | |
| Handlung andere, viel größere Fehlverhalten. Etwa: Ich trenne den Müll und | |
| fahre dafür alle möglichen unnötigen Strecken mit dem Auto. | |
| Manche Menschen wirken, als berührte die Klimakrise sie gar nicht | |
| sonderlich. Trügt das oder löst die Krise tatsächlich nicht bei allen | |
| Menschen Angst, Wut oder Trauer aus? | |
| Es gibt natürlich Menschen, die wirklich nicht politisch sind, keinerlei | |
| Interesse daran haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen, oder einfach | |
| darauf vertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Die interessieren sich | |
| für umwelt- und gesellschaftspolitische Themen einfach nicht. Aber ich | |
| glaube, für viele Menschen klingt das Wort „Angst“ auch einfach nach etwas | |
| sehr Großem. Wenn man sie fragt, ob sie Angst vor der Klimakrise haben, | |
| verneinen sie das vielleicht, weil sie denken, Angst sei gleich Panik. | |
| Angst kann aber auch schon ein Unwohlgefühl sein – und ich glaube, das | |
| haben sehr viele Menschen, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen. | |
| Warum handeln sie dann nicht? | |
| Es gibt viele verschiedene Mechanismen, die uns davon abhalten zu handeln, | |
| auch wenn wir das Problem erkannt haben. Zum Beispiel schieben wir | |
| Verantwortung gern auf andere. Im Fall der Klimakrise zum Beispiel auf die | |
| Politik und die Wirtschaft. Und gerade die sind ja sehr gut darin, sich so | |
| darzustellen, als hätten sie alles im Griff. Das ist natürlich ein | |
| wunderbarer Ausweg für die Psyche, um vor sich zu rechtfertigen, dass man | |
| selbst nichts tut. | |
| Ist der richtige Umgang mit unseren Gefühlen der Schlüssel dazu, die | |
| Klimakrise in den Griff zu bekommen? | |
| Ich glaube, es ist nicht der Schlüssel, aber ein sehr wichtiger. Wir müssen | |
| ein Problembewusstsein haben, ein Handlungsverlangen und Wissen darüber, | |
| was wir tun können. Was hingegen nicht passieren sollte, ist, dass wir das | |
| Problem zu sehr individualisieren. Natürlich ist es wichtig, dass jeder | |
| lernt, mit all den Gefahren und schlimmen Nachrichten psychisch irgendwie | |
| klarkommen. Aber da darf nicht Schluss sein. Wir brauchen eine soziale | |
| Transformation. Dafür dürfen wir nicht um die Gefühle kreisen, sondern | |
| müssen eben lernen, mit ihnen umzugehen und die richtigen Konsequenzen zu | |
| ziehen. | |
| 23 Sep 2022 | |
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