| # taz.de -- Zivilgesellschaft in der Klimakrise: Wandel ohne Panikmodus | |
| > Forscher*innen warnen vor den katastrophalen Auswirkungen des | |
| > Klimawandels. Alles muss sich radikal ändern – nur wie? | |
| Bild: Vom Klima künstlich abgekoppelt: Treibhaus in Singapore | |
| Hamburg taz | Der Klimawandel ist bereits spürbar: Hitze, Trockenheit, | |
| Sturmfluten. Trotzdem kommt der notwendige gesellschaftliche Wandel nur | |
| schleppend in Gang. Wie kann so eine sozialökologische Transformation | |
| funktionieren? Damit sich neue gesellschaftliche Normen durchsetzen – etwa | |
| die, [1][dass Wirtschaftswachstum nicht alles ist] –, braucht es ständige | |
| Impulse. Solche Triebfedern können technologische Fortschritte, ökologische | |
| Veränderungen oder soziale Bewegungen sein. | |
| Disruptionen dieser Art stellten das bisherige „Welt- und Selbstverhältnis“ | |
| infrage, sagt der Erziehungswissenschaftler Hans-Christoph Koller von der | |
| Uni Hamburg. Soll daraus ein kollektiver Wandel werden, braucht es Raum zum | |
| Experimentieren – und das [2][möglichst nicht im Panikmodus]. Dann nämlich | |
| verfallen Menschen in ihre eingespielten Muster: „Man kann sich das | |
| vorstellen wie eine Wohnungsbesichtigung. Ich ziehe nur aus meiner alten | |
| Wohnung aus, wenn ich meine neue schon gesehen und mir überlegt habe, wie | |
| es da sein wird“, erklärt Klimaökonom Herrmann Held von der Uni Hamburg. | |
| In dieser Testphase können Wissenschaft und Unternehmen Szenarien liefern, | |
| die in Modellprojekten ausprobiert werden – und die Politik muss den Rahmen | |
| bieten. „Es braucht Toleranz dafür, dass man sich auch mal irrt. Ein | |
| gesellschaftlicher Lernprozess mit Irrwegen und Nachjustierungen“, sagt | |
| Katharina Umpfenbach, Politikwissenschaftlerin am Ecologic Institut in | |
| Berlin. | |
| Politik und Wirtschaft kann man dabei nicht blind vertrauen: „Die | |
| [3][Zivilgesellschaft ist die einzige Akteurin], die langfristiges | |
| Interesse, im Sinne einer Zeitspanne von ein bis zwei Generationen, am | |
| Klimaschutz hat“, sagt Held. „Alle anderen Akteure sind abhängig: | |
| Politiker*innen von Wahlen, Unternehmen von Regulation.“ | |
| ## Hoffnung liegt auf der Zivilgesellschaft | |
| Auf der politischen Ebene ist die Zivilgesellschaft der Gegenpol zum | |
| Lobbydruck. Bürger*innen kennen ihre Stadt am besten und wissen, was dort | |
| funktioniert. Als 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, bauten | |
| sich vor Ort schnell Hilfsnetzwerke auf. Ehrenamtsstrukturen müssen auch | |
| jetzt in Planungsprozesse für Extremwettereignisse und Stadtentwicklung | |
| eingebunden werden. | |
| Politiker*innen müssen die Bürger*innen also motivieren, Dinge aktiv | |
| voranzutreiben, und Macht abgeben. Transformation kann überall starten – im | |
| Sportverein, der Kirche, aber sie kann auch über Bürger*innenräte oder | |
| runde Tische organisiert werden. | |
| Die Gesellschaft muss den Wandel mittragen: Für diese „gesellschaftliche | |
| Trägerschaft“ müssen Kosten und Nutzen in der Bevölkerung breit verteilt | |
| sein. Das bedeutet auch, dass die Privilegien der aktuellen | |
| Systemprofiteure hinterfragt werden müssen, [4][dass es Umverteilung geben | |
| muss]. | |
| Wird eine Umweltschutzregelung verabschiedet, muss gleichzeitig über | |
| Sozialpolitik für diejenigen etwas verbessert werden, die sonst hinten | |
| runter fallen. „Der heutige Individualverkehr ist nicht nur eine | |
| technische, sondern auch eine soziale Frage – wie kommen Leute zur Arbeit, | |
| was würde das für eine neue Mobilität bedeuten?“, sagt der Soziologe Stefan | |
| Aykut von der Uni Hamburg. | |
| Eine gute gesellschaftliche Vorbereitung verringert auch den Widerstand. | |
| „Man muss sich darum kümmern, nicht ganze Bevölkerungsgruppen abzuhängen, | |
| aber 100 Prozent Zustimmung wird man nicht in jedem Punkt bekommen können“, | |
| sagt Politologin Umpfenbach. | |
| ## Nur zusammen sind wir stark | |
| Die gute Nachricht: 50 Prozent Zustimmung reichen aus. „Wenn sich nach fünf | |
| Jahren die Zustimmungswerte für die Maßnahme nicht verbessert haben, muss | |
| man es ändern. Oft steigt die Zustimmung aber, wenn es erst mal gemacht | |
| wurde, weil man die Vorteile spürt“, erklärt | |
| Kommunikationswissenschaftlerin Katharina Kleinen-von Königslöw von der Uni | |
| Hamburg. | |
| Ausreichende Zustimmungswerte für die Transformation haben wir erreicht. Es | |
| braucht nun Austausch über den emotionalen Umgang mit dem Wandel, über | |
| gemeinsame Werte: Solidarität, Verantwortungsübernahme, Gerechtigkeit. | |
| In Krisen sind wir nur stark, wenn wir zusammenhalten: „Gesellschaftliche | |
| Mitgestaltung braucht Solidarität, Gefühlstoleranz, Selbstreflexion und Mut | |
| zum Handeln“, sagt die Psychologin Lea Dohm aus Stadthagen. Schließlich | |
| muss der Testballon es zur neuen Normalität schaffen. Die Wissenschaft kann | |
| Empfehlungen zu den politischen Instrumenten geben. Komplett planen kann | |
| man so eine Transformation nicht – nur langfristige Ziele setzen. | |
| Was Sie tun können? „Erst Bürger*in sein und dann Konsument*in“, sagt | |
| Umpfenbach. Politisches Handeln ist das Wichtigste – wählen, sich | |
| aufstellen lassen, demonstrieren, sich in Konsultationsprozesse einbringen, | |
| Veränderungen mittragen. Fehlt ein Radweg, um mit dem Rad zu pendeln? | |
| Setzen Sie sich dafür ein. Nehmen Sie Anliegen aus dem Privaten mit in Ihre | |
| anderen Lebensumfelder, sprechen Sie mit Abgeordneten oder Ihrer Chef*in. | |
| Kleinteiliger Wandel kann durch eine Bewegung hochskaliert werden. | |
| Transformation geht nur zusammen. | |
| Katharina van Bronswijk ist Psychologische Psychotherapeutin und bei | |
| Psychologists for Future aktiv. | |
| 25 Sep 2020 | |
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