# taz.de -- Psychologists for Future: Was Klima-Angst mit uns macht | |
> Verdrängung, Endzeitstimmung und alles dazwischen: Der Umgang mit der | |
> Klimakrise beschäftigt die Psychologie. | |
Bild: Klartext, egal wie unangenehm das sein mag, Greta Thunberg 2018 in Kattow… | |
Greta Thunberg sprach 2018 auf der Welt-Klimakonferenz im polnischen | |
Kattowitz. „Wir müssen Klartext reden, egal wie unangenehm das sein mag“, | |
sagte die junge Schwedin da. Für den US-amerikanischen Psychoanalytiker | |
Bruce Poulsen war Thunbergs Rede ein Schlüsselerlebnis. Er erkannte damals: | |
„Der Klimawandel ist auch eine psychologische Krise.“ Heute ist das der | |
Leitsatz der [1][Psychologists for Future (PFF)]. | |
Poulsen wurde klar: Die Menschen vermögen das, was Thunberg forderte, oft | |
nicht zu tun, weil die Krise „so unangenehm ist, dass sie handlungsunfähig | |
macht“. Als Psychoanalytiker wusste er, wie Menschen mit Emotionen umgehen, | |
die sie überwältigen. Mit Verleugnung und Selbstbetrug versuchen sie oft, | |
Krisen an den Rand ihres Bewusstseins zu drängen. | |
Welche Folgen hat es für den Einzelnen, welche für die Gesellschaft, wenn | |
immer mehr Menschen beginnen zu glauben, dass die Welt untergeht? Und was | |
kann eine sinnvolle Antwort darauf sein? Diesen Fragen widmen sich heute | |
auch immer mehr Psycholog:innen. | |
Klima-Angst ist dabei mittlerweile ein etablierter Begriff, auch wenn die | |
Psychologists for Future [2][ihn kritisch sehen]. Denn durch ihn werde die | |
Angst „zunehmend pathologisiert“, heißt es in einer [3][Erklärung der | |
Initiative]. Die Klimakrise erscheine als „individuelles | |
Anpassungsproblem“, während sie tatsächlich eine globale Bedrohung sei, | |
„die nur gesellschaftlich-politisch überwindbar ist“. | |
„Klima-Resilienz“ ist ein anderes Schlagwort, von der Psychologie der | |
Naturwissenschaft entlehnt. Es meint das Bemühen, dem Subjekt zu einem | |
geistigen Zustand zu verhelfen, in dem es die Krise meistern kann. Doch was | |
heißt das konkret? | |
Die Psychoanalytikerin Delaram Habibi-Kohlen aus Bergisch Gladbach, aktiv | |
bei den PFF, beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren mit dem Thema. Sie ist | |
Teil eines Forschungsprojekts an der International Psychoanalytical | |
University in Berlin zum Umgang mit der Klimakrise und hat die | |
Arbeitsgruppe Klima in der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie (DGPT) | |
gegründet. | |
Die Bereitschaft, sich den Folgen der Klimakrise zu widmen, habe in der | |
Psychologie auf jeden Fall zugenommen, sagt sie. Ein Panel wie jenes zur | |
„Klima-Resilienz“, das Habibi-Kohlen bei der DGPT-Jahrestagung im September | |
in Lindau moderiert hat, sei noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. | |
Wenig überraschend stehen auch in der Klimapsychologie die großen Zweige | |
des Fachs nebeneinander. Die Verhaltenstherapie, die zu erfassen versucht, | |
welche praktischen Probleme Menschen ihre Klima-Angst bereite, um bei der | |
Bewältigung dieser Symptome zu helfen. Und die Psychoanalyse, die versucht, | |
die Motive der Verdrängung zu erforschen. „Aufklärung nützt verhältnismä… | |
wenig, wenn man nicht die unbewussten Motive erfasst“, sagt Habibi-Kohlen. | |
Es sei nicht das mangelnde Wissen, das Menschen am klimaschädlichen | |
Verhalten festhalten lasse. | |
Die beiden Ansätze stehen „in einem sehr guten Ergänzungsverhältnis“, sa… | |
Habibi-Kohlen. Und sie seien sich einig darin, dass Doomismus, also die | |
ständige Erwartung des Weltuntergangs, keine gute Idee sei. | |
Denn der führe zu Fatalismus: „Manche denken dann: Es hat eh keinen Zweck, | |
wir können in Ruhe untergehen, davor machen wir uns aber noch ein schönes | |
Leben“, sagt Habibi-Kohlen. Das sei die Abwehr der Notwendigkeit, wirklich | |
etwas zu verändern. Eine andere Folge des Doomismus sei, dass Menschen so | |
verzweifelten, dass ihnen durch die Depressionen jede Motivation | |
abhandenkomme, etwas zu tun. | |
Als politisches Projekt wandele die Klima-Psychologie auf einem schmalen | |
Grat. Denn es gebe ein grundsätzliches Problem: Für die Therapie | |
individueller Probleme sei ein klarer Auftrag des Patienten die | |
Voraussetzung. Wenn es um eine gesellschaftliche Verhaltensänderung geht, | |
gebe es diesen Auftrag nicht. „Dann können die Leute sagen: ‚Geh weg.‘ | |
Schließlich haben sie nicht darum gebeten, aufgeklärt zu werden.“ | |
Doch es sei entscheidend, sagt die Psychologin, „dass die Leute dranbleiben | |
und nicht weggehen“. Deshalb dürfe man die Menschen auch nicht [4][mit | |
Horrorszenarien] verschrecken. „Dann sind die weg. Dann hört auch das | |
Denken auf.“ Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, keine falschen | |
Hoffnungen zu machen: „Wir retten die Welt mit Technologie und es muss sich | |
gar nichts ändern – so ein Technologiewahn ist auch eine Form der Abwehr.“ | |
Die Botschaft müsse aber sein: „Wir müssen unser Verhalten ändern, das | |
beinhaltet auch einen Trauerprozess, der notwendig ist.“ | |
18 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Psychologin-zur-Klimakrise/!5879885 | |
[2] /Psychotherapeutin-ueber-Klimaangst/!5809938 | |
[3] https://www.psychologistsforfuture.org/klimaangst-anmerkungen-zu-einem-aktu… | |
[4] /Klimawandel-und-No-Future/!5871436 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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