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# taz.de -- Herkunft von Tatverdächtigen: Presserat lockert Kodex
> Der Presserat erlaubt, die Herkunft mutmaßlicher Straftäter*innen zu
> erwähnen. Die neue Regel gilt bei „begründetem öffentlichen Interesse“.
Bild: Wo dieser Mensch geboren ist, können Sie künftig in der Zeitung lesen
Berlin taz | „Ein Tunesier hat eine Frau überfallen“, „dunkelhäutige
Menschen randalierten auf der Straße“, „Bulgarin klaut Handy“ – solche
Schlagzeilen wurden in den letzten Jahren immer häufiger. Jetzt sind sie
erlaubt.
Der Deutsche Presserat gestattet Medien künftig, die Nationalität von
Straftäter*innen zu nennen. Der Presserat ist eine Art Ethikkommission des
deutschen Journalismus und rügt Medien, wenn sie gegen die Verhaltensregeln
verstoßen, die im Pressekodex stehen.
Am Mittwoch änderten die Mitglieder des Presserats die Regeln für die
Kriminalitätsberichterstattung. Bislang formulierte der Pressekodex, dass
„für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug“
bestehen muss, damit Merkmale wie Nationalität oder Ethnie erwähnt werden
dürfen. Laut der neuen Regel dürfen sie auch erwähnt werden, wenn
Journalist*innen „ein begründetes öffentliches Interesse“ wahrnehmen.
Allerdings sollen Journalist*innen darauf achten, „dass die Erwähnung der
Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder
anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung
individuellen Fehlverhaltens führt“. Geblieben ist außerdem der Satz
„Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber
Minderheiten schüren könnte“.
## Anlass für die Richtlinie war nicht Kriminalität
Nach den Vorfällen in der Silvesternacht 2015 in Köln hatten einige
Leser*innen und Fernsehzuschauer*innen kritisiert, dass Medien die Herkunft
der Verdächtigen nicht genug thematisiert hätten. Im vergangenen Frühjahr
hatte der Presserat entschieden, die alte Formulierung zunächst zu
behalten, das Thema allerdings zu überprüfen. Trotzdem hatten viele Medien
begonnen, punktuell Nationalität oder auch den Aufenthaltsstatus in die
Berichterstattung einzuschließen.
Die Sächsische Zeitung hatte im Sommer öffentlich verkündet, ab jetzt immer
die Nationalität von Verdächtigen und Täter*innen zu nennen. Die taz hat
sich weiterhin an den Pressekodex gehalten.
„Die Formulierung „begründbarer Sachbezug“ ist eine sperrige, juristische
Vokabel“, kommentierte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen
Journalisten-Verbands, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb
halte er die Präzisierung, wie der Presserat sie vorgenommen habe, für
völlig richtig. Allerdings forderte der DJV-Vorsitzende vom Presserat eine
„Sammlung von Leitsätzen“ aus der Praxis. „So etwas muss es auf jeden Fa…
noch geben“, sagte Überall. Die Materie sei kompliziert.
Die Richtlinie zur Diskriminierung stammt von Anfang der 1970er Jahre.
Anlass war damals nicht Kriminalität: Medien hatten regelmäßig die
Hautfarbe von US-Soldat*innen genannt, was diese als diskriminierend
empfanden. Daraufhin wurde die Richtlinie eingeführt.
23 Mar 2017
## AUTOREN
Jana Anzlinger
## TAGS
Kriminalität
Diskriminierung
Presserat
Pressekodex
Medienethik
Umfrage
Silvester
Presserat
Schwerpunkt Rassismus
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Presserat
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