# taz.de -- Freispruch nach Silvester-Übergriffen: Ermittlungsfehler unter Erf… | |
> Der wohl letzte Prozess zu den sexuellen Übergriffen in der | |
> Silvesternacht endete mit Freispruch. Das Gericht kritisierte die Arbeit | |
> von Polizei und Staatsanwaltschaft. | |
Bild: Große Freiheit: Der wohl letzte Prozess um die Silvester-Übergriffe end… | |
hamburg taz | Das Urteil ist keine Überraschung: Im wohl letzten Prozess um | |
die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht 2015/2016 in der | |
Großen Freiheit ist am Donnerstag der Iraner Behzad S. freigesprochen | |
worden. Dem 34-Jährigen war sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Raub | |
vorgeworfen worden. Er soll angeblich zwei Frauen im Alter von 19 und 20 | |
Jahren begrapscht und zuvor an der sexuellen Nötigung einer 21-Jährigen | |
samt Handyklau beteiligt gewesen sein. „Der Angeklagte war an den | |
Übergriffen weder als Täter noch als Teilnehmer beteiligt“, sagte aber die | |
vorsitzende Richterin Gudrun Schoel. | |
## Kritik an Ermittlungen | |
Auch in dieser Urteilsbegründung – wie schon in zwei vorherigen Verfahren – | |
übte Richterin Schoel Kritik an den Ermittlungen von Polizei und | |
Staatsanwaltschaft. Man müsse sich fragen, warum der Angeklagte angesichts | |
der „dünnen Beweislage“ überhaupt in Untersuchungshaft gekommen sei und | |
warum die Staatsanwaltschaft so vehement an der Anklage festgehalten habe. | |
Wie schon in den anderen Verfahren im Zuge der Silvester-Übergriffe | |
basierte auch die Anklage gegen den 34-jährigen S. vor allem auf Fotos | |
eines Partyfotografen, die den vermeintlichen Opfern vorgelegt worden | |
waren. | |
Einem Opfer sei von einer Kriminalbeamtin ein Foto gezeigt worden, das nach | |
Feststellung des Gerichts 15 Minuten nach der Tat aufgenommen wurde. Die | |
21-Jährige habe auf dem gezoomten Bild den nicht ermittelten Haupttäter | |
erkennen und die Gruppe mit dem Angeklagten einkreisen sollen. Die Beamtin | |
habe gewusst, dass die Zeugin dazu gar nicht in der Lage war, weil das Bild | |
nicht zum Tatzeitpunkt aufgenommen wurde, so die Richterin. | |
Zuletzt musste selbst die Anklagebehörde eingestehen, dass eine Zeugin nur | |
glaubte, den Angeklagten S. als Täter wiedererkannt zu haben. Das sei ein | |
Irrtum gewesen, so das Gericht, richtig erinnert habe sie sich nicht. | |
## Staatsanwaltschaft bestand auf U-Haft | |
Da die massenhaften Übergriffe öffentlichen Druck erzeugten, legte sich die | |
Polizei bei der Tätersuche schnell fest, ohne entlastendes Material – so | |
zum Beispiel Handyfotos, die den Angeklagten zur Tatzeit am S-Bahnhof | |
Reeperbahn zeigten – zu berücksichtigen. Schon in einem anderen Verfahren | |
stellte sich erst im Gerichtssaal heraus, dass der Angeklagte nicht der | |
Täter gewesen sein konnte, weil er zu klein war. | |
Auch der am Donnerstag zu Ende gegangene Prozess hatte einen speziellen | |
Vorlauf. Im April vergangenen Jahres hatte das Gericht den Haftbefehl gegen | |
S. aufgehoben, da es keinen hinreichenden Tatverdacht gesehen hatte. | |
Dagegen legte die Staatsanwalt Beschwerde wegen Befangenheit ein, da die | |
Anklagebehörde vor der Entscheidung nicht angehört worden war. Die | |
Beschwerde wurde zwar zurückgewiesen, da das Gericht aber über den Kopf der | |
Staatsanwaltschaft hinweg eigene Nachermittlungen anstellen ließ, hatte ein | |
weiterer Befangenheitsantrag teilweise Erfolg. Der Kammervorsitzende wurde | |
ausgetauscht. „Das ist ein etwas außergewöhnlicher Vorgang“, sagt | |
Gerichtssprecher Kai Wantzen. | |
24 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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