# taz.de -- Haruki Murakami und seine T-Shirts: Oberfläche eines Lebens | |
> Haruki Murakami hat seinen Kleiderschrank durchforstet. Die | |
> T-Shirt-Sammlung des Autors ist beeindruckend, wie ein Buch nun zeigt. | |
Bild: Dieses T-Shirt kam sogar zu literarischen Ehren | |
Man könnte ihn etwas überspitzt als den Surfer unter den Schriftstellern | |
bezeichnen, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. [1][Als er in Hawaii | |
lebte] – von dieser Zeit zeugen zahlreiche T-Shirts in diesem Buch –, hatte | |
Haruki Murakami „ein Dick-Brewer-Shortboard, mit dem ich mich jeden Tag | |
unermüdlich am Sheraton-Beach vergnügte“. Außerdem pflegt der Autor | |
Marathons zu laufen, war aktiver Triathlet und ist, aber das wohl | |
ausschließlich in passiver Funktion, großer Baseballfan. | |
Es verwundert nicht, dass ein derart sportiver Mensch quasi hauptberuflich | |
T-Shirts trägt. Das Buch, in dem insgesamt einhundertsechs Exemplare aus | |
der Murakami’schen T-Shirt-Sammlung abgebildet sind, entstand als | |
Folgeprojekt einer Kolumne, die Murakami für eine Zeitschrift schrieb. | |
Es wird im Buch nur eine kleine Auswahl aus seiner Sammlung gezeigt. Die | |
Schränke des Autors müssen also ein enormes Fassungsvermögen haben – oder | |
vielleicht gar nicht einmal so sehr, falls es auch nur annähernd der | |
Wahrheit entspricht, dass er, wie er behauptet, sein Leben in T-Shirt und | |
kurzer Hose zu verbringen pflegt und nur dann, wenn Kleidervorschriften es | |
nötig machen, Oberhemd und lange Hosen überstreift. Ob das stimmt oder | |
nicht: Eben diese Lässigkeit ist ein essenzieller Teil auch [2][seines | |
Images als Literat.] | |
Es lässt sich in diesem Buch viel erfahren über das Leben des Haruki | |
Murakami, oder zumindest über die Oberfläche dieses Lebens. Einen | |
beträchtlichen Teil davon verbringt der Jazzkenner in Plattenläden: Seine | |
Jazzplattensammlung dürfte noch deutlich eindrucksvoller ausfallen als | |
seine T-Shirt-Stapel. (Jazz-T-Shirts allerdings sind kaum darunter, denn | |
„offenkundig passen T-Shirt-Kultur und Jazz nicht zueinander“.) Stunden | |
könne er auch in Secondhandläden auf der Suche nach originellen T-Shirts | |
verbringen, schreibt Murakami. Seine Funde – eine selbstauferlegte | |
Spielregel – dürfen in der Regel nicht mehr als zwei Dollar kosten. | |
Nicht alle porträtierten Shirts stammen von solchen Streifzügen. Es sind | |
auch solche darunter, die der Autor auf Rockkonzerten gekauft hat, andere, | |
die ihm als Dank für Lesungen von Buchhandlungen oder von Universitäten | |
geschenkt wurden, und nicht zuletzt etliche, die Verlage in aller Welt als | |
Marketing-Gadgets beim Erscheinen von Murakami-Romanen produzieren ließen. | |
## Whisky-T-Shirts sind unpassend | |
Natürlich könne er all diese T-Shirts niemals tragen, er horte sie nur | |
kartonweise im Schrank, bekennt er. Die tragbaren Shirts dürften in diesem | |
Schrank ohnehin in der Minderheit sein, da alle „Hingucker“ von vornherein | |
ausscheiden. Der berühmte Autor will auf der Straße nicht auffallen. Und | |
trotz seiner Liebe zu schottischem Whisky erscheint es ihm „unpassend, | |
schon am Vormittag in einem mit Whisky-Werbung bedruckten Shirt | |
herumzulaufen … Womöglich hielte man mich für einen Alkoholiker.“ Alle im | |
Buch abgebildeten Whisky-T-Shirts sehen denn auch gänzlich ungetragen aus. | |
Andere Kategorien, nach denen die Shirts im Buch geordnet sind, entsprechen | |
nicht persönlichen Vorlieben, sondern sind eher zufällig gebildet, einfach | |
weil sich mehrere Exemplare der Kategorie im Schrank fanden. Es gibt Shirts | |
mit Tieren, mit Superhelden, mit Autos, mit Werbung für Essen oder Bier, | |
T-Shirts mit Firmenlogos. | |
Letztere, ist zu erfahren, trage Murakami ziemlich gern. Auch T-Shirts mit | |
Buchstaben seien gut, solange sie unauffällig blieben. Daher sind Exemplare | |
mit aufgedruckten Botschaften zu einem Leben im Schrank verdammt, während | |
solche mit rätselhaften Buchstabenfolgen wie „DMND“ häufig mit Herrn | |
Murakami spazieren gehen dürfen. | |
## Literarische Ehren für ein Shirt | |
Ein solches Rätsel-T-Shirt – es hatte genau einen Dollar gekostet – hat es | |
gar zu literarischen Ehren gebracht: Seine Aufschrift „Tony Takitani“ | |
inspirierte den Autor zur gleichnamigen Erzählung, die auch verfilmt wurde. | |
Auf vielen der Fotos, die von Haruki Murakami im Internet zu finden sind, | |
trägt er übrigens tatsächlich T-Shirt, doch in der Regel unter einem | |
Jackett. | |
In kurzen Hosen ist er dagegen nur auf einem Bild zu sehen. Da bestreitet | |
er aber gerade einen Triathlon. | |
3 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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