# taz.de -- Häusliche Gewalt beim Sorgerecht: Opferschutz und Kindeswohl first | |
> Müttern wird geraten, Gewalt zu verschweigen, da sie ihnen beim | |
> Sorgerecht nachteilig ausgelegt werden kann. Das muss sich ändern, | |
> fordert die Linke. | |
Bild: Opferschutz und Kindeswohl müssen im Zentrum stehen | |
BERLIN taz | Familien- und Justizministerium prüfen derzeit, inwiefern | |
häusliche Gewalt bei Umgangsverfahren berücksichtigt werden kann. Das | |
teilte das Justizministerium auf eine kleine Anfrage von Gökay Akbulut, | |
familienpolitische Sprecherin der Linken, mit. Die Anfrage liegt der taz | |
vor. Darin verweist Akbulut auf die Kritik der UN-Sonderberichterstatterin | |
zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem. Sie hatte Ende Juni die | |
Praxis an Familiengerichten gegenüber gewaltbetroffenen Müttern und Kindern | |
in Deutschland als Menschenrechtsverletzung bezeichnet. | |
„In Umgangs- und Sorgerechtsverfahren müssen Opferschutz und Kindeswohl ins | |
Zentrum der Betrachtungen gerückt werden“, so Akbulut zur taz. „Keinesfalls | |
darf der notwendige Schutz für Mutter und Kind mit dem Argument einer | |
vorgeblichen Eltern-Kind-Entfremdung ausgehebelt werden.“ An | |
Familiengerichten hängen [1][etwa 63 Prozent der Umgangs- und | |
Sorgerechtsverfahren mit Gewalt zusammen], die vom Vater ausgeht. | |
Dabei wird Müttern oft geraten, Gewalt zu verschweigen, da sie ihnen zum | |
Nachteil ausgelegt werden kann. Die sogenannte [2][Hammer-Studie von April | |
2022], die 92 Beschlüsse und Urteile untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass | |
in etwa 90 Prozent der Begründungen eine „zu enge Mutter-Kind-Bindung“ | |
angeführt wurde, die den Vater entfremden würde. | |
„Insbesondere dann, wenn es Hinweise auf häusliche Gewalt gibt, ist es für | |
das Opfer kaum zumutbar, beim Umgangsrecht des Kindes mit dem übergriffigen | |
Vater mitzuwirken“, so Akbulut. Sie fordert sorgfältige Ermittlungen durch | |
die Familiengerichte, um die Gefährdungssituation für Mutter und Kind | |
besser einschätzen zu können, sowie eine bessere Sensibilisierung der | |
Richterinnen und Richter und Schulungen von Verfahrensbeiständen und | |
Jugendamtsmitarbeitenden. | |
## Wirkt sich aufs Kindeswohl aus | |
Laut [3][Artikel 31 der Istanbul-Konvention] müssen gewalttätige Vorfälle | |
bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht der Kinder | |
berücksichtigt werden. Noch im Dezember äußerte sich das Justizministerium | |
dazu, [4][dass „keine Erkenntnisse vorliegen], dass häusliche Gewalt in | |
familiengerichtlichen Verfahren systematisch nicht angemessen | |
berücksichtigt würde“. | |
In der [5][aktuellen Antwort] heißt es vom Justizministerium: „Auch bei den | |
sorgerechtlichen Vorschriften muss häusliche Gewalt zwischen den | |
Elternteilen beachtet werden, da sich diese erheblich auf das Kindeswohl | |
auswirken kann, wobei bei einer Gefährdung des Kindeswohls als ultima ratio | |
auch eine Entziehung der elterlichen Sorge nach §1666 BGB in Betracht zu | |
ziehen ist.“ | |
13 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schutz-vor-Gewalt-nach-einer-Trennung/!5918589 | |
[2] https://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/Publikationen/S… | |
[3] https://istanbulkonvention.ch/html/blog/text.html | |
[4] /Studie-ueber-Sexismus/!5899342 | |
[5] https://goekay-akbulut.de/wp-content/uploads/Linke-20_4562-RS-und-Antwort.p… | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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