# taz.de -- Großprojekte gefährden Infrastruktur: Unter dem Pflaster fährt d… | |
> Groß und monumental soll das neue Karstadtgebäude am Hermannplatz werden. | |
> Die BVG warnt vor einem Verkehrschaos durch absinkende U-Bahn-Tunnel. | |
Bild: Ein paar Stockwerke und zwei Türme drauf: nachdem Umbau soll die Filiale… | |
Höher, monumentaler und profitabler – a[1][ngesichts schwindenden Baulands | |
werden Hochhausprojekte unter Investor:innen immer beliebter.] Doch mit | |
den steigenden Geschosszahlen steigt auch die Belastung für Berlins | |
Untergrund. Seitdem im August ein Tunnel der U2 unter einer Baugrube des | |
französischen Konzerns Covivio am Alexanderplatz um [2][mehrere Zentimeter | |
absackte], wächst die Sorge, auch andere große Bauprojekte könnten die | |
U-Bahn-Infrastruktur gefährden – etwa der geplante Umbau des | |
Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz. | |
Nun liegen die Antworten auf zwei parlamentarische Anfragen vor. Darin hat | |
die Verkehrsverwaltung auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) befragt, | |
und die schlagen Alarm. Das landeseigene Unternehmen warnt vor weiteren | |
Beeinträchtigungen des U-Bahn-Netzes, sollten sich wieder Tunnel im Zuge | |
von Bauarbeiten absenken. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion, Katalin Gennburg, kommentierte die Befürchtungen der BVG. | |
„Wir fühlen uns in unserer Forderung bestätigt, keine Hochhäuser mehr auf | |
U-Bahn-Tunneln zu genehmigen“, sagte sie. Gennburg hatte eine der Anfragen | |
gestellt. | |
Besonders große Bedenken hat die BVG demnach bei der Umgestaltung des | |
[3][Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz]. Der österreichische Investor Signa | |
will die dortige Filiale massiv erweitern. Unter anderem sind zusätzliche | |
Stockwerke und zwei 60 Meter hohe Türme geplant. Unter dem Gebäude | |
verlaufen die Tunnel der stark frequentierten U-Bahn-Linien U7 und U8 und | |
dazu noch der Zugang zu einer Betriebswerkstatt der BVG. | |
Unterbrechungen am Hermannplatz hätten nicht nur gravierende Auswirkungen | |
auf den Betrieb der beiden U-Bahn-Linien, sondern auch auf weitere Teile | |
des Netzes, heißt es in der Antwort auf die zweite Anfrage, gestellt von | |
Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung der Grünenfraktion. Würde | |
die Betriebswerkstatt durch einen versperrten Zugang ausfallen, so könne | |
der dichte Takt auf anderen Linien kaum gehalten werden, warnt die BVG. | |
Auch sei das Fahrgastaufkommen auf der U7 und U8 zu hoch für einen | |
Ersatzverkehr mit Bussen. | |
## Restrisiko bleibt | |
Auf der Strecke der U2 musste infolge der Absenkung ein Gleis komplett | |
gesperrt werden; die Linie verkehrt seitdem im Pendelverkehr. Die BVG | |
rechnet frühestens im Februar mit einer Wiederaufnahme des regulären | |
Betriebs. | |
„Die Frage, ob das Karstadt-Projekt die U-Bahn gefährdet, wurde von Signa | |
nie beantwortet“, kritisiert Schwarze gegenüber der taz. Das sei aber das | |
Minimum, bevor es mit dem Planungen weitergehen könne. Derzeit läuft bei | |
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ein | |
Bebauungsplan verfahren, mit dem voraussichtlich Anfang 2024 Baurecht für | |
den umstrittenen Karstadt-Umbau geschaffen werden soll. | |
Die Senatsverwaltung gibt sich bisher gelassen: Die Planungen des Investors | |
sähen keinen Neubau mit Tiefbauarbeiten vor und seien deshalb „nicht | |
vergleichbar“ mit den Arbeiten am Alexanderplatz“, sagte der Sprecher der | |
Senatsverwaltung, Martin Pallgen, bereits Ende Oktober auf taz-Anfrage. | |
Schwarze kritisiert die Haltung der Bau-Senatsverwaltung als „sehr | |
optimistisch“. Angesichts der vielschichtigen Baustruktur, die teilweise | |
noch aus den 30er Jahren stamme, ließen sich Risiken nur schwer abschätzen. | |
Ähnlich sieht es die BVG: „Auswirkungen auf U-Bahn-Bauwerke bei | |
Großbauvorhaben können nie völlig ausgeschlossen werden“, schreiben sie. | |
## Investor:innen in der Pflicht | |
Die BVG fordert daher, Investor:innen frühzeitig für etwaige Schäden in | |
die Pflicht zu nehmen. Grundlage hierfür sind sogenannte nachbarschaftliche | |
Vereinbarungen, in denen sich der Investor verpflichtet, entsprechende | |
Vorkehrungen zum Schutz der Anlagen zu treffen und im schlimmsten Falle für | |
die Schäden zu haften. | |
Eine solche Vereinbarung sei bereits mit Covivio für das Bauprojekt am | |
Alexanderplatz über der U2 getroffen worden. Das französische Unternehmen | |
muss nun nicht nur für die Reparatur des Tunnels aufkommen, sondern auch | |
für den Ausfall der Ticketeinnahmen. | |
Auch im Fall des Hines Tower, der mit einer Höhe von 150 Metern am Alex | |
entstehen soll, hat die BVG eine solche Vereinbarung getroffen. Hier wird | |
der aus den 30er Jahren stammende Tunnel der U5 vorsorglich verstärkt. | |
Hines investiert dafür nach eigenen Angaben über 30 Millionen Euro. | |
Doch mit Signa gibt es bisher keine solche Vereinbarungen. Weder am | |
Hermannplatz noch am Alexanderplatz, wo das Unternehmen ebenfalls plant, | |
die über der U8 gelegene Galeria-Filiale durch einen Hochturm zu erweitern. | |
Die BVG fordert, nachbarschaftliche Vereinbarungen zur Auflage zu machen, | |
ohne die mit der Baumaßnahme nicht begonnen werden darf. Im Notfall müsse | |
Signa „das Baurecht versagt werden“, heißt es in den Anfragen. | |
23 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Berlin-baut-neue-Hochhaeuser/!5714341 | |
[2] /!5883834/ | |
[3] /Kaufhausumbau-am-Hermannplatz/!5827000 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
## TAGS | |
U-Bahn | |
Signa | |
Hochhaus | |
U-Bahn Berlin | |
BVG | |
Karstadt | |
Sonnenallee | |
BVG | |
Karstadt | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Andreas Geisel | |
Hermannplatz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abgesackter U-Bahn-Tunnel in Berlin: Denn sie wissen nicht, was sie tun | |
Die Befürchtungen über einen Totalschaden des Bahnhofs der U2 am | |
Alexanderplatz zeigen: Nicht jedes Hochhaus sollte in Berlin gebaut werden. | |
Berliner U-Bahn-Verkehr: Ungewisse Zukunft für die U2 | |
Planmäßig soll der abgesackte U-Bahn-Tunnel am Alexanderplatz im August | |
wieder öffnen. Vielleicht sind die Schäden sogar viel größer als gedacht. | |
Karstadt am Hermannplatz: Mögliches Ende eines Retro-Traums | |
Bei der Karstadt-Rekonstruktion am Hermannplatz könnte der österreichische | |
Investor Signa am Denkmalschutz des bisherigen Gebäudes scheitern. | |
Gentrifizierung in Berlin-Neukölln: Starbucks statt Mokka | |
Skandalinvestor René Benko hat große Pläne für den Karstadt am | |
Hermannplatz. Anwohner:innen fürchten steigende Mieten und Verdrängung. | |
Abgesackter U-Bahntunnel in Berlin: Unterirdische Aussichten | |
Bis die U2 am Alex wieder normal fährt, werden Monate vergehen. Die | |
Bauarbeiten nach dem Absacken des Tunnels haben noch nicht mal begonnen. | |
Insolvenzverfahren bei Galeria-Karstadt: Abrisspläne trotz Absichtserklärung | |
Das Karstadtgebäude in der Wilmersdorfer Straße soll abgerissen werden. | |
Damit wackelt die Vereinbarung des Senats mit dem Eigentümer Signa. | |
Richtfest für den Amazon-Tower: Von oben sieht man ihn nicht | |
Berlins höchstes Hochhaus ist im Rohbau fertig. Ende nächsten Jahres sollen | |
bis zu 4.000 Amazon-Mitarbeiter einziehen. | |
Baupolitik in Berlin: Berlin soll in die Höhe schießen | |
Künftig müsse höher gebaut werden, fordert Stadtentwicklungssenator Geisel | |
(SPD). Derzeit würde zu viel Fläche verschwendet. | |
Kaufhausumbau am Hermannplatz: Ohne Beteiligung geplant | |
Der neue Stadtentwicklungssenator will Tempo machen bei der Umgestaltung am | |
Hermannplatz. Damit ebnet er dem Unternehmer René Benko den Weg. |