| # taz.de -- Karstadt am Hermannplatz: Mögliches Ende eines Retro-Traums | |
| > Bei der Karstadt-Rekonstruktion am Hermannplatz könnte der | |
| > österreichische Investor Signa am Denkmalschutz des bisherigen Gebäudes | |
| > scheitern. | |
| Bild: Karstadt am Hermannplatz | |
| Berlin taz | Der Traum vom alten Glanz am Hermannplatz könnte für den | |
| österreichischen Investor Signa das erste Mal ernsthaft in Gefahr sein. | |
| [1][Signa plant, das dortige Karstadt-Gebäude aufwendig zu erweitern und | |
| umzubauen]. Dabei sollte eigentlich auch die monumentale Art-Deco-Fassade | |
| des historischen Vorgängers von 1929 rekonstruiert werden – mitsamt zweier | |
| 60 Meter hoher Türme. Doch nun droht der Denkmalschutz Signas | |
| Rekonstruktionsvorhaben einen Strich durch die Rechnung zu machen. | |
| „Die denkmalschutzrechtlichen Abstimmungen mit dem beauftragten Büro | |
| zeigen, dass die Umsetzung des Neubauprojekts der Signa voraussichtlich | |
| nicht genehmigungsfähig ist“, sagt Friedrichhain-Kreuzbergs Baustadtrat | |
| Florian Schmidt (Grüne) der taz. Obwohl dem Bezirk die Planungshoheit | |
| bereits im November 2021 entzogen wurde, nimmt er weiterhin an den | |
| Abstimmungen zwischen dem Landesdenkmalamt und dem mit der Planung | |
| beauftragten Architekturbüro teil. [2][Allein aus Gründen der Baustatik | |
| könne der Umbau nicht ohne den Rückbau dieser geschützten Bauteile | |
| umgesetzt werden], so Schmidt. | |
| Eine Stellungnahme der zuständigen Senatsverwaltung für Kultur und Europa, | |
| dem das Landesdenkmalamt unterstellt ist, scheint Schmidts Einschätzung zu | |
| bestätigen. „Die Bauteile des Karstadt-Gebäudes von 1929 und 1951/52 sind | |
| zusammen aufgrund ihrer baugeschichtlichen, baukünstlerischen und | |
| städtebaulichen Bedeutung in die Denkmalliste eingetragen“, sagt Daniel | |
| Bartsch der taz. | |
| Das 1929 errichtete Vorgängergebäude galt damals als größtes und modernste | |
| Warenhaus Europas. Der an das Chrysler Building in New York erinnernde | |
| Art-déco-Stil sollte Berlins Status als Weltstadt unterstreichen. In den | |
| letzten Kriegstagen wurde das Gebäude jedoch von der SS gesprengt, damit es | |
| nicht der anrückenden Roten Armee in die Hände fällt. Zurück blieb nur ein | |
| kleines Gebäudefragment am Südflügel, das heute immer noch erhalten ist. | |
| ## Mit dem steigenden Konsumbedarf immer größer | |
| Der Nachfolgebau von 1952 fiel deutlich bescheidener aus. Ein simpler | |
| Funktionsbau, der an das verbliebene Gebäudefragment anschließt, aber nur | |
| gut halb so hoch ist. Mit dem steigenden Konsumbedarf wurde Karstadt immer | |
| wieder erweitert – zuletzt in einem aufwendigen Umbau 1999, bei dem das | |
| Gebäude seine heutige Form erhalten hat. | |
| „Das Gebäudeensemble macht Brüche in der Geschichte deutlich“, erklärt | |
| Niloufar Tajeri die baugeschichtliche Bedeutung des Komplexes. Die | |
| Architektin engagiert sich seit Jahren in der „Initiative Hermannplatz“ und | |
| ist auch aus architekturhistorischen Gründen gegen Signas Vorhaben. Auf | |
| einen Blick würden hier die Zerstörung des Krieges und die Mühen des | |
| Wiederaufbaus sichtbar, an dem gerade Gastarbeiter:innen maßgeblich | |
| beteiligt waren, sagt Tajeri. „Im Gebäude spiegelt sich auch die Geschichte | |
| der Migration.“ | |
| Die Aussagen der Senatsverwaltung legen nun nahe, dass gerade dieses | |
| architektonische Zusammenspiel zwischen Vor- und Nachkriegsarchitektur | |
| schützenswert ist – also nicht nur das Fragment von 1929, sondern auch der | |
| Nachfolgebau von 1951, das an das Fragment anschließt. [3][Bereits 1990 | |
| wurde das Gebäudeensemble in die Denkmalliste eingetragen]. Bei den | |
| bisherigen Diskussionen über Signas Bauprojekt wurde nur ein Denkmalschutz | |
| des Fragments von 1929 angenommen. | |
| Als Signa 2019 seine Pläne bekannt gab, wollte es zunächst bis auf das | |
| Fragment von 1929 den gesamten Nachkriegskomplex abreißen. Nach der Kritik | |
| aus Politik und Zivilgesellschaft, dass der Abriss eines funktionstüchtigen | |
| Gebäudes aus ökologischen Gesichtspunkten nicht tragbar sei, machte Signa | |
| im Frühjahr 2021 eine Kehrtwende: kein Abriss, sondern eine radikale | |
| Entkernung mit einem anschließenden Holzaufbau. | |
| Doch an der historischen Fassadenrekonstruktion wollte das Unternehmen | |
| weiterhin nicht rütteln. Gründe dürften weniger die architektonischen | |
| Präferenzen des umstrittenen Signa-Gründers René Benko sein, sondern | |
| handfeste Verluste, die Signa erleiden würde, falls es die historische | |
| Rekonstruktion nicht umsetzen kann. Das Immobilienunternehmen generiert | |
| Gewinne in erster Linie durch die Bewertung seiner Projekte, auf deren | |
| Grundlage Kredite für neue Projekte aufgenommen werden – selbst wenn diese | |
| noch nicht realisiert worden sind. | |
| ## Möglichst monumental und prestigeträchtig | |
| Deswegen versucht Signa immer möglichst groß, monumental und | |
| prestigeträchtig zu bauen. So dürfte sich die Faszination für den Glanz der | |
| 20er Jahre, die Signa mit dem Umbau wiederzuerwecken verspricht, direkt in | |
| höheren Immobilienbewertungen niederschlagen. | |
| Dabei sah bislang alles danach aus, als könnte Signa seinen Retro-Traum | |
| erfüllen. Ausgerechnet die erste Insolvenz des Kaufhauskonzerns Galeria | |
| Karstadt, dessen Eigentümerin Signa ebenfalls ist, ebnete den Weg. Noch | |
| 2019 drohte das Projekt an einem Veto von Baustadtrat Florian Schmidt zu | |
| scheitern. Doch im August 2020 schloss Signa mit dem damaligen Senat einen | |
| „Letter of Intent“ genannten Deal. | |
| Im Gegenzug für mehrjährige Bestandsgarantien für vier von der Schließung | |
| bedrohte Warenhäuser sicherte der Senat dem Unternehmen zu, planerische | |
| Hürden für den Karstadt-Umbau und zwei weitere umstrittene Großprojekte aus | |
| dem Weg zu räumen. | |
| Dass der Denkmalschutz ebenfalls dem Letter of Intend zum Opfer fällt, ist | |
| aber unwahrscheinlich. „Grundsätzlich wird die Bestimmung des Denkmalwerts | |
| nicht durch bestimmte Interessen nachgesteuert“, stellt Senatssprecher | |
| Bartsch klar. Zwar liefen die Untersuchungen noch, aber „fundamental neue | |
| Erkenntnisse“ seien nicht zu erwarten. | |
| Unklar ist bislang, inwiefern Signa die Planungen an die | |
| Denkmalschutzbestimmungen anpassen wird. Auf taz-Anfrage hält das | |
| Unternehmen unverändert an der historischen Gestaltung fest: „Die | |
| Wiederherstellung der Gesamtfassade von 1929 steht grundsätzlich nicht zur | |
| Debatte“, sagt Signa-Sprecher Sebastian Schmidt. Es ginge lediglich darum, | |
| wie sich das erhaltene Gebäudefragment stärker von der neuen Fassade | |
| abheben kann. | |
| Die widersprüchlichen Formulierungen legen nahe, dass es hinter den | |
| Kulissen zwischen Signa und den Behörden noch einige Konflikte gibt – die | |
| Senatsverwaltung spricht von „divergierenden Haltungen“. | |
| Zur Schlichtung wurde nun der Landesdenkmalrat um eine Positionierung | |
| gebeten. Das ist ein interdisziplinäres Fachgremium aus 12 Experten. Erst | |
| dann will sich das Amt konkret dazu äußern, welche Auswirkungen der | |
| Denkmalschutz auf Signas Planungen haben wird. | |
| 21 Feb 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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