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# taz.de -- Abgesackter U-Bahn-Tunnel in Berlin: Denn sie wissen nicht, was sie…
> Die Befürchtungen über einen Totalschaden des Bahnhofs der U2 am
> Alexanderplatz zeigen: Nicht jedes Hochhaus sollte in Berlin gebaut
> werden.
Bild: Vor dem Desaster fuhr sie hier noch zweigleisig: die U2 im März 2022
Das Leben in einer Großstadt wie Berlin wäre undenkbar ohne ein gewisses
Grundvertrauen in die Leistung der zahllosen Ingenieur:innen, die ihre
gebaute Umwelt geschaffen haben. Alltägliche Dinge wie eine U-Bahn-Fahrt
könnten schnell in einer Panikattacke enden, wenn wir ständig Angst hätten,
dass der Tunnel über uns jeden Moment zusammenkrachen könnte. Wir sind uns
aber sicher, dass das nicht passiert, weil die Leute, auf die es ankommt,
schon wissen werden, was sie tun.
Dass dieses Vertrauen im Alltag praktisch, in Politik und Verwaltung aber
umso fahrlässiger ist, zeigt die am Montag durch Medienberichte ausgelöste
[1][Debatte über den Zustand des abgesackten Tunnels der U2]. Unter
Berufung auf einen Insider berichtete das Neue Deutschland zunächst, die
Schäden am abgesackten Tunnel der U2 unter dem Alexanderplatz könnten
größer sein als bisher gedacht. Grundlage für die Einschätzung: ein
Wasserschaden mit bislang ungeklärter Ursache im darunterliegenden Bahnhof
der U5. Womöglich müsse der gesamte U-Bahnhof abgerissen und neugebaut
werden, so der Kenner.
Wie es um den Zustand des Tunnels tatsächlich bestellt ist, kann derzeit
niemand mit Sicherheit sagen. Die BVG verweist auf laufende Untersuchungen,
die mit der Reparatur beauftragte Covivio behauptet, alles sei in Ordnung,
bleibt den Nachweis gegenüber der Senatsverwaltung aber noch schuldig. Ob
der ursprüngliche Plan gelingt, [2][den Tunnel mit Betoninjektionen wieder
anzuheben], ist unklar.
Dabei scheinen im Vorfeld weder Covivio noch der Bezirk Mitte ernsthaft mit
der Möglichkeit einer Absenkung gerechnet zu haben. Lediglich die BVG
drängte in weiser Voraussicht auf den Abschluss einer sogenannten
„nachbarschaftlichen Vereinbarung“, die Covivio nun auch zur Übernahme der
Kosten verpflichtet.
## Unkalkulierbare Risiken
Zuverlässig vorhersagen oder ausschließen lassen sich solche Setzungen des
Erdreichs nicht. Die Ursache dafür ist nicht fachliches Versagen, sondern
die Tatsache, dass nicht alle relevanten Faktoren bekannt sind. Dazu
gehört, dass die Baupläne der Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten
U-Bahn-Tunnel nur noch selten vollständig oder korrekt sind. Zwar lässt
sich die Gefahr von Setzungen durch technische Maßnahmen wie
Pfahlgründungen oder vorsorgliche Betoninjektionen minimieren, doch ein
Restrisiko bleibt immer.
Die Aufgabe der Politik ist, in einem solchen Fall abzuwägen, ob der Nutzen
eines Bauprojekts dieses Risiko rechtfertigt. Im Gegensatz zu komplexen
statischen Berechnungen ist diese Abwägung auch für Laien einfach
durchzuführen.
Auf der Risiko-Seite steht ein verkehrspolitisches Desaster, das jahrelange
Bauarbeiten an einem zentralen U-Bahn-Knotenpunkt mit sich bringen würden.
Auf der Nutzenseite steht dagegen nur ein weiterer austauschbarer
Büroklotz, auf den die Stadtgesellschaft auch mit intakter U-Bahn gut
verzichten könnte. Eine klassische Lose-Lose-Situation also.
Der eigentliche Skandal ist also, dass der Senat weiter an den
Hochhausplänen für den Alexanderplatz und [3][andere, U-Bahn-Linien
gefährdende Standorte] festhält. Die U2 sollte ein Weckruf sein, solche
Projekte in der Nähe von U-Bahn-Tunneln nicht mehr zu genehmigen. Doch um
die Interessen privater Investor:innen zu wahren, nimmt der Senat
willentlich die Gefährdung öffentlicher Infrastruktur in Kauf.
17 Jun 2023
## LINKS
[1] /Berliner-U-Bahn-Verkehr/!5935212
[2] /U-Bahn-Chaos-in-Berlin/!5911573
[3] /Grossprojekte-gefaehrden-Infrastruktur/!5893861
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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U-Bahn Berlin
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