# taz.de -- Großdemo in Berlin gegen Regime in Iran: „Weg, weg, weg, Mullah … | |
> Fast 100.000 Menschen zeigten in Berlin ihre Solidarität mit der | |
> iranischen Protestbewegung. Viele Teilnehmende reisten aus dem Ausland | |
> an. | |
Bild: Siegesgeste in Berlin: Großdemonstration zur Unterstützung der Protestb… | |
BERLIN taz | Wut, Trauer und vor allem die Hoffnung auf Freiheit – kurz vor | |
Beginn der Demonstration scheinen diese Emotionen fast mit den Händen | |
greifbar. Längst sind die Straßen um die Siegessäule in Berlin so dicht | |
gefüllt, dass ein Durchkommen kaum noch möglich ist. So viele Menschen, vor | |
allem Mitglieder iranischer Exil-Communities, sind dem Aufruf des „Woman* | |
Life Freedom Kollektiv“ gefolgt, sich mit der Protestbewegung im Iran | |
solidarisch zu zeigen. Die von der Polizei angegebene Zahl von 80.000 | |
Teilnehmer:innen wirkt tatsächlich deutlich untertrieben. In den | |
sozialen Medien war aus dem Umfeld der Veranstalter von 100.000 Teilnehmern | |
und mehr die Rede. | |
„Ich hoffe, dass die Welt jetzt [1][das wahre Gesicht der iranischen | |
Regierung] erkennt“, sagt Sahar, die 2015 nach Deutschland kam. Wie die | |
meisten der Demonstrant:innen hier möchte sie ihren Nachnamen nicht in | |
der Zeitung lesen, aus Angst, das Regime könnte ihre Verwandten im Iran | |
bedrohen. Dass so viele Menschen aus der Community geeint zusammenkommen, | |
sei für sie ein sehr emotionaler Moment, berichtet die Anfang-20-Jährige | |
mit zitternder Stimme. | |
Enttäuscht ist Sahar bisher von der [2][Reaktion der westlichen Staaten] | |
auf die Proteste im Iran. „Es muss deutlich mehr Konsequenzen gegen die | |
Regierung geben“, fordert sie, „die Politiker sind bisher nur auf ihre | |
Profite bedacht“. Neben einem sofortigen Ende der Verhandlungen über das | |
Atomabkommen fordert sie auch eine Ausweisung aller iranischen Botschafter. | |
## Feuerwerk gibt den Startschuss | |
Viele, die an diesem Samstag nach Berlin gekommen sind, haben einen | |
persönlichen Bezug zu den Ereignissen im Iran. Die Brutalität, mit der die | |
iranische Regierung gegen die Protestierenden vorgeht, ist eine reale | |
Gefahr für die Verwandten und Freunde, die im Heimatland für ihre Freiheit | |
kämpfen. „Mein Bruder wurde vorgestern getötet“, berichtet Teilnehmerin | |
Sara erstaunlich gefasst. Er sei erst 25 Jahre alt gewesen und habe vor | |
kurzem sein Ingenieurs-Studium beendet, als er von den Sicherheitskräften | |
bei einer Demo erschossen wurde, erzählt Sara. Die 34-Jährige musste selbst | |
vor über drei Jahren aus ihrer Heimat fliehen, weil sie zum Christentum | |
konvertiert ist. Grund genug für ein Todesurteil in dem Gottesstaat. | |
Pünktlich um 15 Uhr gibt ein Feuerwerk den Startschuss. Der Zug setzt sich | |
nur schleppend in Bewegung, so viele Menschen sind es. Fast ununterbrochen | |
skandieren die Teilnehmer:innen „Azadi“, persisch für Freiheit, „Nieder | |
mit der Diktatur“ oder „Weg, weg, weg, Mullah muss weg“. Viele schwenken | |
die alte Nationalflagge mit dem Löwenemblems der gestürzten Königsdynastie, | |
die nach der islamischen Revolution 1979 abgeschafft wurde. Andere halten | |
Portraits von Jina Amini in die Höhe, deren Ermordung durch die | |
Moralpolizei Ende September die landesweite Protestwelle im Iran erst | |
ausgelöst hat. | |
Auch die kurdische Community ist anhand zahlreicher Flaggen deutlich | |
erkennbar vertreten. Tausende, nicht nur iranische Kurd:innen seien heute | |
hier, sagt Ali Toprak, Vorsitzender der kurdischen Gemeinde Deutschland, | |
auf der Demo. „Der Widerstand ist in den kurdischen Gebieten am stärksten, | |
aber auch die Repression gegen die Kurden ist am heftigsten“, erklärt er. | |
„Jina Amini wurde verhaftet, weil sie Kurdin war“. | |
Europaweiter Aufruf – und Anreisen auch aus Kanada | |
Ein Grund dafür, das die Teilnehmer:innenzahl die angemeldeten 50.000 | |
noch deutlich übertroffen hat, ist, [3][dass europaweit für die | |
Demonstration in Berlin mobilisiert wurde]. „Für uns, die außerhalb des | |
Irans leben, ist es eine Verantwortung, heute hier zu sein“, sagt Navid, | |
der eigentlich anders heißt, der taz. Der 21-Jährige arbeitet in einer | |
Tech-Firma in den Niederlanden. 10 Stunden sei er nur für diesen Anlass mit | |
dem Bus angereist. Navid berichtet, wie innerhalb der Community Geld | |
gesammelt wurde, um Busse zu chartern und Tickets zu finanzieren. | |
Aufgerufen hatte auch der kanadisch-iranische Aktivist Hamed Esmaeilion, | |
der aus Kanada angereist ist. Unter Exil-Iraner:innen sind Esmaeilion und | |
seine Gruppe „Iranians for Justice and Human Rights“ weltweit bekannt. | |
Als die Spitze der Demonstration nach ihrer Runde um den Tiergarten auf der | |
Straße des 17. Juni zurück zur Siegessäule zieht, sind am Ende noch nicht | |
einmal alle Anwesenden gestartet. Auf der Abschlusskundgebung fordert | |
Esmaeilion in einer der wenigen englischen Reden an diesem Abend. „Welt, | |
schaut auf die Revolution im Iran. Es ist die progressivste Revolution im | |
nahen Osten!“ | |
23 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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