| # taz.de -- GroKo einigt sich auf Maßnahmenpaket: Kurzarbeitergeld verlängert | |
| > Union und SPD haben sich geeinigt, Unternehmen weiter finanziell zu | |
| > unterstützen. Die Koalition fand außerdem einen Kompromiss beim | |
| > Streitthema Wahlrechtsreform. | |
| Bild: Haben sich doch noch zusammengerauft: Die Spitzen von Union und SPD wolle… | |
| Berlin dpa/epd/afp | Die Spitzen der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD | |
| haben sich nach langen Differenzen überraschend auf eine Wahlrechtsreform | |
| verständigt und zugleich auf ein Gesamtpaket zur Verlängerung von | |
| Coronamaßnahmen. Kern ist die Verlängerung des [1][Kurzarbeitergelds]. Es | |
| soll statt einem Jahr bis zu zwei Jahre gezahlt werden können, teilten die | |
| Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU am späten Dienstagabend nach einer | |
| Sitzung des Koalitionsausschusses in Berlin mit. | |
| Zudem soll der Mittelstand längere Hilfen bekommen und Eltern mehr bezahlte | |
| Tage, wenn ihre Kinder erkrankt sind. Nach den Worten der CDU-Vorsitzenden | |
| Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte die Koalition mit dem Paket, dass sie ein | |
| gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 handlungsfähig | |
| ist. | |
| ## Die Beschlüsse im Überblick: | |
| Die Wahlrechtsreform sieht vor, dass ein weiteres Anwachsen des Bundestags | |
| schon bei der Wahl 2021 durch eine Dämpfungsmaßnahme verhindert werden | |
| soll. Die eigentliche Reform des Wahlrechts soll dem Beschluss zufolge nun | |
| erst im zweiten Schritt für die Bundestagswahl 2025 greifen: Die Zahl der | |
| Wahlkreise wird um 19 reduziert, zudem soll es eine Beschränkung bei den | |
| Ausgleichsmandaten geben. Bis zu drei Überhangmandate sollen dann nicht | |
| mehr durch Ausgleichsmandate kompensiert werden. | |
| Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr soll eine Übergangslösung gelten: | |
| Die Zahl der Wahlkreise wird – anders als von der Union gewünscht – noch | |
| nicht reduziert. Eine Begrenzung der Zahl der Überhangmandate soll aber | |
| durch Veränderungen beim sogenannten ersten Zuteilungsschritt – also bei | |
| der Verteilung der Parlamentssitze auf die einzelnen Bundesländer – | |
| erreicht werden. | |
| Diesen Kompromiss erzielten die Koalitionsspitzen in achtstündigen | |
| Verhandlungen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer charakterisierte die | |
| Gespräche als „schwierig“, CSU-Chef Markus Söder als „etwas zäh“. Zum | |
| Verlauf der Beratungen sagte er: „Da war am Anfang weniger Wumms und mehr | |
| Bumms.“ Es sei aber ein „fairer Kompromiss“ herausgekommen. | |
| Zufrieden zeigte sich auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Der Kompromiss | |
| stelle sicher, dass bereits nach der Wahl 2021 „der Bundestag kleiner wird | |
| als bisher“, sagte er. „Es sind wichtige Bremsen, die da eingezogen | |
| werden.“ | |
| Die Koalitionsspitzen standen unter hohem Einigungsdruck angesichts des | |
| nächsten Wahltermins im kommenden Jahr. Die Koalition muss nun aber erst | |
| einmal auf die Opposition zugehen und versuchen, auch diese einzubinden. | |
| Üblicherweise werden Fragen des Wahlrechts mit breiter Mehrheit im | |
| Bundestag beschlossen. | |
| Unternehmen in Deutschland können Jobs in der [2][Coronak]rise weiter durch | |
| erleichterte Kurzarbeit absichern. Diese soll von regulär 12 auf bis zu 24 | |
| Monate erweitert werden. Die verlängerte Bezugsdauer soll für Betriebe | |
| gelten, die bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit eingeführt haben. | |
| Längstens soll das Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2021 verlängert werden. | |
| Damit die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Milliardenkosten für Kurzarbeit | |
| schultern kann, will die Koalition Steuergeld lockermachen – und zwar als | |
| Zuschuss und nicht als Darlehen. | |
| Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bis 30. Juni 2021 vollständig | |
| erstattet werden. Vom 1. Juli 2021 bis höchstens 31. Dezember 2021 sollen | |
| für alle Betriebe, die bis zum 30. Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt haben, | |
| die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte erstattet werden. Diese hälftige | |
| Erstattung kann auf 100 Prozent erhöht werden – aber nur wenn eine | |
| Qualifizierung während der Kurzarbeit erfolgt. | |
| Das Kurzarbeitergeld wird weiter auf 70 beziehungsweise 77 Prozent ab dem | |
| vierten Monat und auf 80 beziehungsweise 87 Prozent ab dem siebten Monat | |
| erhöht. Diese Regeln soll bis 31. Dezember 2021 für alle verlängert werden, | |
| deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden ist. | |
| Regulär beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des ausgefallenen | |
| Nettolohns, für Berufstätige mit Kindern 67 Prozent. | |
| Gesetzlich Versicherten stehen in diesem Jahr wegen der Coronakrise mehr | |
| Krankentage zur Betreuung ihrer Kinder zur Verfügung. Für Elternpaare soll | |
| das Kinderkrankengeld für jeweils fünf weitere Tage und für | |
| Alleinerziehende für zusätzliche zehn Tage gewährt werden. Zur Pflege eines | |
| erkrankten Kindes stehen Eltern in der Regel pro Jahr zehn freie | |
| Arbeitstage zu. Bei Alleinerziehenden sind es bis zu 20 Tage. Das gilt für | |
| alle Kinder unter zwölf Jahren. | |
| Auch bei Schul- und Kitaschließungen wegen Corona sollen Kinder ärmerer | |
| Eltern weiter kostenloses Mittagessen erhalten können. Die Kinder sollen | |
| bis 31. Dezember 2020 mit Mittagessen im Rahmen des Bildungspakets versorgt | |
| werden. Wie viele Kinder von der Sonderregelung zuletzt Gebrauch gemacht | |
| hatten, geht aus dem Beschlusspapier nicht hervor. Kritiker hatten im | |
| Frühjahr bemängelt, dass Lieferungen nach Hause durch einen kommunal | |
| anerkannten Anbieter nur schwer umsetzbar seien. | |
| Wer coronabedingt Angehörige pflegt oder Pflege neu organisieren muss, kann | |
| in diesem Jahr bis zu 20 Arbeitstage frei machen. Das | |
| Pflegeunterstützungsgeld kann ebenfalls bis zu 20 Arbeitstage in Anspruch | |
| genommen werden. | |
| Die Überbrückungshilfen für besonders belastete Unternehmen sollen bis Ende | |
| des Jahres laufen. Das Programm ist bisher bis Ende August befristet. | |
| Erstattet werden nach derzeitigem Stand für die Monate Juni bis August fixe | |
| Betriebskosten von insgesamt bis zu 150.000 Euro. Für die Zuschüsse hatte | |
| der Bund 25 Milliarden Euro eingeplant. Die Auszahlung der Gelder über die | |
| Länder aber läuft schleppend, auch weil das Verfahren komplex ist – die | |
| Politik will Betrugsfälle wie bei Coronasoforthilfen verhindern. Die | |
| Überbrückungshilfen waren ein wichtiger Baustein des im Juni vereinbarten | |
| Konjunkturpakets der Koalition. | |
| Die Lockerungen im Insolvenzrecht werden ebenfalls verlängert, um in der | |
| Coronakrise eine Pleitewelle zu verhindern. Demnach wird die Regelung über | |
| die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Antragsgrund der | |
| Überschuldung bis Ende des Jahres weiterhin ausgesetzt. Die | |
| Insolvenzantragspflicht war im März bis Ende September ausgesetzt worden | |
| für Fälle, in denen eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von Firmen | |
| auf den Folgen der Coronapandemie beruht. | |
| Aus den EU-Coronahilfsgeldern soll eine digitale Bildungsoffensive | |
| finanziert werden, die zum einen aus 500 Millionen Euro für die Ausstattung | |
| von Lehrern mit digitalen Endgeräten besteht. Zum anderen soll der Aufbau | |
| einer bundesweiten Bildungsplattform vorangetrieben werden, die etwa einen | |
| geschützten und qualitätsgesicherten Raum für hochwertige digitale | |
| Lehrinhalte ermöglichen soll. | |
| Künstler, Kleinselbstständige und Kleinunternehmer sollen erleichterten | |
| Zugang zur Grundsicherung erhalten. Dazu will die Koalition beim | |
| Schonvermögen großzügigere Regelungen treffen. Auch der wegen der | |
| Coronakrise erleichterte Zugang zur Grundsicherung insgesamt soll | |
| verlängert werden – bis 31. Dezember 2021. | |
| Eine Arbeitsgruppe soll ausloten, wie Bürokratie weiter abgebaut werden | |
| kann. Konkret heißt es in einem Papier, die Koalition werde eine | |
| hochrangige Arbeitsgruppe einsetzen, die Regelungsinhalte für ein | |
| „Bürokratienentlastungsgesetz IV“ identifiziere. Ziel des Gesetzes solle es | |
| sein, die Wirtschaft zu stärken, von Bürokratie zu entlasten und die hohen | |
| geltenden Standards zu erhalten. | |
| 26 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Staatliche-Coronahilfe/!5704192 | |
| [2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Kurzarbeitergeld | |
| Schwarz-rote Koalition | |
| Wahlrecht | |
| Rettungsschirm | |
| Bundesländer | |
| Bundestag | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Kurzarbeitergeld | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hohe Energiepreise: Dramatisch unterschätzt | |
| Die Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen kommen viel zu spät. Und | |
| Endverbraucher:innen von Energie werden mit der Krise ganz allein | |
| gelassen. | |
| Bund-Länder-Gipfel zu Coronamaßnahmen: Verbrauchte Gemeinsamkeiten | |
| Stundenlang ringen die Regierungschefs der Länder mit der Kanzlerin über | |
| gemeinsame Wege in der Coronakrise. Es ist kompliziert geworden. | |
| GroKo einigt sich auf Wahlrechtsreform: Der XXL-Bundestag rückt näher | |
| Union und SPD haben sich auf eine Wahlrechtsreform geeinigt, die aber erst | |
| ab der übernächsten Wahl wirklich greifen soll. Die Opposition ist empört. | |
| Staatliche Coronahilfe: „Kurzarbeit ist relativ billig“ | |
| Das Kurzarbeitergeld ist eine Erfolgsgeschichte. Und der Missbrauch der | |
| Maßnahme kein Kavaliersdelikt, sagt der Ökonom Sebastian Dullien. | |
| Staatliche Coronahilfe: Stütze für Millionen | |
| Das Kurzarbeitergeld soll auf 24 Monate verlängert werden. In der Kasse der | |
| Arbeitslosenversicherung fehlen dadurch Milliarden Euro. | |
| SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: Sieger der Niederlage | |
| Finanzminister Olaf Scholz hat gegen das SPD-Führungsduo verloren. Nun soll | |
| er Kanzler werden. Weil er Krisen bewältigen kann. |